07 April 2022

Aus Grau wird Blau

Der Tag begann mit einem Blick aus dem Schlafzimmerfenster - und dem sofortigen Zwang, mich nochmal umzudrehen und vor allem die Augen zu schließen, weil ich das angekündigte Drisswetter gar nicht sehen wollte. Aber irgendwann musste ich raus, Termine! Kleines Frühstück, Bügelwäsche rechtzeitig wegbringen, COVID-Testtermin wahrnehmen, das übliche Rentnertagesgeschäft halt. Es passte zum Tag, dass mich auf dem Parkplatz vor der Teststation ein LKW mit Anhänger zuparkte. Textilservice Irgendwas. Der Fahrer begann, alle Kleidercontainer in der Parkplatzecke zu öffnen und jedes einzelne Kleidungsstück persönlich zu überprüfen. Ich dachte "Wer weiß, wofür es gut ist. Du hast Dein Buch dabei. Warte im Auto und lies ein paar Seiten. Und wie es immer so ist, wenn man sich mit einer Situation arrangiert hat, hatte ich gerade das Buch aus dem Rucksack geholt aufgeschlagen, da klopfte es an der Autotür. Der Fahrer des LKWs signalisiert mir, dass er selbstverständlich einen Meter vorfährt und mich so aus der Parklücke entfliehen lässt.
Ich kenne diese Situationen zur Genüge. Wenn mich jemand zu Hause abholen will und eine feste Uhrzeit ausmacht, stehe ich pünktlich draußen vor dem Haus und warte. Es kommt niemand. Nach spätestens zehn Minuten weiß ich dann: Wenn ich hier noch länger warte, stehe ich in einer Stunde noch dort. Arrangiere ich mich jedoch mit der Situation und beschließe, mich in mein Auto im Carport zu setzen und ein Buch aufzuschlagen, passiert unweigerlich das gleiche wie auf dem Parkplatz. Ich schlage das Buch auf und mein Besuch kommt im gleichen Moment. Probiert es mal aus, das klappt (fast) immer. So kann man Murphy auch mit den eigenen Mitteln schlagen.

Wieder zu Hause musste ich eine kleine Ruhestunde im Sessel an der Balkontür einlegen. Was ich draußen sah, war grau, nass und ungemütlich.

Grau, grauer, am grauesten ...

Buch in die Hand, bequeme Sitzposition - und schon fallen die Äuglein zu. Als ich sei nach einer Stunde wieder aufmache, bin ich ausgeruht, aber drau0ßen sieht es noch genauso aus. Wohin mit der Energie? An den PC. Ich hab noch die Kassenprüfung für den verein zu machen. Die Kassiererin hat alles bestens aufbereitet, so dass ich nach gut anderthalb Stunden fast durch bin, als mich eine Nachricht meines KLBs auf dem Handy erreicht: "Na mein Großer, wie schaut es aus bei Dir?"

Ich schaue raus und sehe zwischen vielen großen Wolken kleine Stücke vom blauen Himmel und sogar  die Sonne dringt an zwei Ecken durch. Wow! "Ich bin dabei!"
Eine halbe Stunde später steige ich bei meinem Brüderlein ins Auto und er fragt mich wie immer: "Na, wohin heute?" Eigentlich braucht er das nicht zu fragen, denn meinen Vorschlag "Krahnenberg, kleine Runde?" ignoriert er einfach und lenkt uns aus Andernach hinaus. Wir fuhren nicht weit und es wurde trotzdem ein schöner Spaziergang bei Sonne und blauem Himmel mit tollen Wolken. Ich hatte heute das Gefühl, als atme ich diesen schönen Anblick ein und behalte ihn drinnen für mich fest.


Die tollen Wolkenformationen, die ständig etwas Anderes darzustellen scheinen, das wunderbare Licht- und Schattenspiel, dass die Sonne mit diesen Wolken auf der anderen Rheinseite in die Berge und Täler projeziert, das ist einfach nur schön.

Und wieder einmal bemerke ich, wieviel Einfluss das Wetter auf meine Gemütsverfassung hat. In solchen Momenten vergesse ich manchmal meinen treuen Begleiter Harvey Tinnitoso, weil ich mit Herz und Seele woanders bin.

Ich freue mich auf den bevorstehenden Sommer, auf das FrühSpätstücken auf dem Balkon, das lange draußen sitzen an warmen Sommerabenden. April, ich sag Dir eins: Du dauerst nicht mehr lange!


Und als mein Bruder es aussprach, hatte ich den ersten Ohrwurm des Nachmittags:

Into the Great White Open  ....

sang der unvergessene Tom Petty - und so fühlte es sich auch an. Als uns dann die ersten Böen durch die Klamotten pfiffen, waren wir schon fast wieder zurück am Auto. Auf der Heimfahrt wünschte ich mir beim Universum ein paar mehr solcher schöner Tage. Als dann langsam die Wolken die Überhand gewannen, erinnerte ich mich an die guten alten E.L.O und ihre Frage an den Himmel:


Der gute Kaffee daheim tat sein Übriges dazu, dass ich den Tag heute Abend viel positiver beende, als ich heute Morgen dachte. Selbst der Rest vom Ofengemüse schmeckte nach dem Aufwärmen noch besser. Hach!

6 Kommentare:

  1. Wunderschöne Bilder und toller Text. Ich finde auch, dass das Wetter viel mit der Stimmung macht.
    Und das mit dem Buch -das kenne ich auch.
    Liebe Grüße

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    1. Danke! Das mit dem Buch ist aber nur ein Beispiel dafür, dass Murphy berechenbar ist. Gilt auch für den Regenschirm. Wenn du ihn dabei hast, regnet es nicht. Vergisst du ihn einmal, wirst Du immer nass.

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    2. Meistens hab ich mit dem Regen Glück. Wahrscheinlich jahrelanges Regenschirm-Mitnehmen.

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    3. Man darf es nur nicht zu laut aussprechen vorher. Dann ist Murphy manchmal eingeschnappt und es passiert grad das Gegenteil.

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  2. Das mit dem Regenschirm kann ich auch bestaetigen ...

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    1. Es gibt aber noch viel mehr Anwendungsbereiche dafür. Sobald man sich mit etwas arrangiert, löst sich das Problem wie von selbst.

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