Als ich mich heute Mittag endlich dazu durchringen konnte, aufzustehen, überraschten mich meine Küchenfenster mit einem blauen Wolkenhimmel. Das muntert einen ja direkt auf. Leider hatte sich dieser schöne Ausblick nach dem Frühstücksporridge in ein schlimmes Grau verwandelt und stieß mich damit sofort wieder in meine müde Lethargie zurück. Bei so einem Wetter bleibt man doch daheim, oder?
Nein, ich jedenfalls nicht. Spontan beschloss ich, lieber meinem Schrittzähler einen Gefallen zu tun als diesem blöden Harvey Tinnitoso. Da kann er mich noch so anbrüllen, ich gehe raus. Aber wohin? Nachdem ich mit dem Auto einmal fast um den Block gefahren war, weil mir alle Fahrziele im letzten Moment doch zu öde erschienen, fiel mir die Straße zum Stadtrand ins Blickfeld. Dort raus war ich länger nicht mehr gewesen, das war besser, als ständig die gleichen Strecken zu spazieren.
Mein Weg sollte heute in Richtung meiner letzten Wohnheimat führen, die mich immerhin 14 Jahre lang ertragen hatte. Schon der erste Blick übers freie Feld wollte mich ins Elend stürzen. So sah es aus:
Schlimm genug, diese Anblick |
und so nahm ich es wahr:
Eine schlimme graue Suppe |
Vielleicht würden mich ja ein paar schönere Anblicke unterwegs überraschen. Irgendwann war es dann tatsächlich ein Baum am Wegrand, der den Kampf gegen den nahend Winter noch nicht aufgegeben hat teund demonstrativ seine braunen Blätter gen Himmel reckte.
Ein standhafter Baum |
Der Weg führte dann neben einem Bach entlang unter einen grauen Brücke hindurch. Wieso sind eigentlich alles Brückenpfeiler grau, kann man die nicht schon in bunt aufstellen?! Hier hatten sich wenigstens ein paar Menschen bemüht, das Ganze etwas optisch aufzubunten.
Immerhin, ein Versuch! |
Als mich dann wenig später ein Vogelhäuschen mit der Jakobsmuschel begrüßte, hellte sich meine Stimmung schon ein wenig auf.
Auch noch blaue Farbe mit dabei, wie schön |
Der große Farbklecks kam dann einige hundert Meter weiter, das Wasserhäuschen. Hier hatte sich jemand wirklich bemüht, im Sinne der Formulierung in den Arbeitszeugnissen "Er war stets bemüht ...".
Das ist mal richtig |
Hätte er nicht wenigstens die richtige Zahl nehmen können ? Lieber Sprayer, wenn du das hier liest, dann merk dir ein für alle Mal:
Die Zahl heißt 42!
Was willst du denn mit 751 sagen? Hä! Schon mal drüber nachgedacht ?!?! Dein IQ kann es jedenfalls nicht sein, egal wie schön du die Ziffern malst.
Einfach nur blöd |
Aber gegen das, was sich jemand an der linken Querseite erlaubt hat, ist das ja noch Gold. Außer "Yee" "Yee" nur unleserliches Gekrakel und Geschmiere! Wer hat das nur verbrochen? Da ist mir ja fast die weiße Wand lieber als das. Ok, unten links ist eine 5B zu erkennen, das kann nur seine Schulklasse sein. Naja, mit 11 Jahren haben wir auch viel Mist gemacht. Vielleicht gut, dass Sprayen damals noch nicht "in" war, sonst könnte man vielleicht heut noch die Zeugnisse unserer damaligen Beklopptheit irgendwo sehen.
Ich beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken und setze meinen Weg fort. Immerhin hatte ich ja ein paar bunte Tupfer zu Gesicht bekommen, die die große graue Wand etwas erträglicher machten.
Mein Denkmal |
Als ich dann am Eingang eines Hofguts vor den Toren meines letzten Wohnorts ankam, inspizierte ich Uhr und Schrittzähler. Oha, ich war ne Dreiviertelstunde unterwegs und hatte einige tausend Schritte gemacht. Ich erinnerte mich an Andreas Bemerkung vorgestern: "Denk dran, wir müssen auch noch zurück!" und machte kehrt. Was ich als erstes auf dem Rückweg erblickte, war mir vorhin nicht aufgefallen. Auf einem Pfeiler der Außenmauer des Guts hatte auch jemand gesprüht. Und jetzt haltet Euch fest: Der hat mich dort verewigt!
Auf der rechten Seite des Pfeilers ganz klar zu erkennen:
Wie dem auch sei, in meinem Kopf begann sofort Bonnie Tyler zu singen "I need a hero ...". Wow!
Auf der linken Seite hatte sich natürlich wieder der doofe "Yee Yee" verewigt, oder war das der gleiche Verfasser? Nein, das kann nicht sein.. Aber der Hero ... auch die unorthodoxe Buchstabenverteilung beweist klar, dass er nur mich gemeint haben kann, den personifizierten Antihelden.
Derart aufgemuntert, strahlte ich dann auch die beiden jungen Reiterinnen an, die mir kurz darauf entgegenkamen. Sie lächelten zurück. Leider gelang es mir nur noch, sie von hinten zu fotografieren.
schwarz - weiß - bunt ist das Leben |
Meine Füße liefen auf dem Heimweg wie von selbst und zu guter Letzt erblickte ich noch die schönen blühenden Disteln am Wegesrand. Hach!
Als ich wieder am Auto ankam, war ich gut anderthalb Stunden unterwegs gewesen, die frische Luft hatte mir genauso gut getan wie die Bewegung. Und die vielen Farbtupfer unterwegs hatten das Grau am Himmel wieder weiter weg von meinem Gemüt gedrückt.
Auch das bunte Ofengemüse, dass ich mir anschließend daheim zauberte, hatte eine ähnliche Wirkung. Farben bereichern das Leben.
Auch der liebe Spätstücksbesuch, den ich morgen erwarte, fühlt sich gut an. Gute Menschen bereichern das Leben.
We can be heroes - just for one day
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