20 November 2022

Beim nächsten Halt ... wird alles anders

Die Wellnessfahrt zur Cranio-Sacral-Therapie nach Leutesdorf wollte gut geplant sein. Die beiden Bahnhöfe sind zwar nur 1,5 km Luftlinie voneinander entfernt, aber der große graue Vater Rhein setzt einen großen Trennstrich dazwischen.
Wie gut, dass es die Fähre gibt. Und wie schlecht, dass die ab dem 1.November Winterpause macht. Aber gut, die nächste Brücke in Weißenthurm ist nicht weit, da sollte wohl ein Bus rüberfahren. Ich versuchte gestern Abend, die reinen Bus-Verbindungen raus zu suchen und war erstmal erstaunt, dass es tatsächlich nur eine einzige Bus-Verbindung gibt, die mich vor 13 Uhr in Leutesdorf abliefern könnte. Dafür hätte ich allerdings um 10:30 in Andernach losfahren müssen und wäre mit einem Umstieg in Neuwied ne knappe Stunde unterwegs gewesen. Aber die verbliebenen anderthalb Stunden Wartezeit bis zu meinem Behandlungstermin um 13 Uhr waren mir dann doch zu viel.

Na gut, dann halt mit der Bahn, geht doch auch. In Urmitz führt eine Eisenbahnbrücke über den Rhein nach Engers. Das Suchergebnis für Bahnverbindungen listete auf, dass ich diese einmal pro Stunde nutzen kann, auch mit nur einem Umstieg, den aber in Koblenz. Dadurch fällt man in die teure Tarifstufe 7, weil man viele sogenannte Waben durchqueren muss. Von Koblenz fährt man dann wieder zurück über die Urmitzer Brücke bis nach Leutesdorf.  Dafür ist man aber in 35 Minuten am Leutesdorfer Bahnhof. Aber für anderthalb Kilometer Luftlinie 38 km Fahrstrecke zu haben und trotz Bahncard 6,60 € für eine Fahrt zu löhnen ... hmmmh ... das erschien mir schon ein wenig überzogen.

Aber vielleicht gibt es ja noch andere Lösungen. Ich suchte nach Verbindungen mit allen möglichen Verkehrsmitteln und bekam neben den bereits ermittelten Routen auch noch ein ganz besonderes Schmankerl angeboten:
Um 09:28 mit der Bahn nach Remagen, dort mit dem Bus zur Fähre, mit der Fähre rüber nach Linz und von dort mit dem Zug zurück nach Leutesdorf. Um 10:52, wenn denn alles klappt, sollte ich in Leutesdorf am Bahnhof sein, also gut zwei Stunden vor meinem Behandlungstermin. Fahrstrecke 45 km, Tarifstufe 7, also 6,60 € pro Fahrt.

Weitere Suchen ersparte ich mir, bevor man mir am Ende noch Verbindungen Hachenburg oder Trier anbietet, die ich bereits am Vorabend antreten muss und für deren Tarifpreis ich auch mit dem Taxi rüberfahren kann. Also die Bahnverbindung über Koblenz. Ne gute halbe Stunde Fahrzeit war ja auch ok. Heute morgen buchte ich mit der App das Ticket, jetzt mussten nur noch alle pünktlich sein. Den Fußweg zum Bahnhof kenne ich mittlerweile zur Genüge, etwas mehr als zehn Minuten waren genau die richtige Einstimmung auf den Tag. Am Bahngleis angekommen war ich schon gespannt, ob das alles klappt oder ob der Bahn-Murphy wieder seine blöden Spiele mit mir spielen will. Und siehe da:

Kamelle, de Zuch kütt!

Danke, Murphy, dass du mich stressfrei zu meiner Lieblingsbehandlung fahren lässt! Ein spärlich besetzter, sauberer RE-5 verkündete neun Minuten später "Der nächste Halt ist Koblenz-Stadtmitte. Der Ausstieg ist in Fahrtrichtung rechts." Und noch was hinterher: "Beim nächsten Halt öffnen sich die letzten Türen nicht. Bitte benutzen Sie in dem Fall beim Ausstieg die nächsten Türen." Bitte nicht!
Aber Murphy hatte nur mal wieder einen blöden Witz gemacht, meine Tür öffnete sich und ich ging rasch durch die Unterführung zu Gleis 1, wo mich wenige Minuten später die RB27 in Richtung Mönchengladbach fahren würde. Einen kurzen, schlimmen Moment musste ich noch überstehen, als vorher ein riesig langer Güterzug in einem Affentempo mit Getöse an uns vorbeidonnerte. Der Luftzug fegte mir fast das Cappy vom Kopf und mir wurde auf dem schmalen Bahnsteig regelrecht angst und bange.
Die RB27 kam halbwegs pünktlich, was sollte jetzt noch schiefgehen. Im Zug verspürte ich das dringende Verlangen, meinem Harndrang Tribut zu zollen, der mich schon seit Andernach begleitete. An der nächsten Zugtoilette hing ein großes Schild: Diese Toilette ist unbenutzbar. Verschlossen war sie zudem auch. Auf der Suche nach dem nächsten Örtchen sah ich beim Blick nach hinten, dass der Waggon dort zu Ende war und es keinen Übergang zum nächsten Wagen gab. Mein Marsch nach vorne brachte mich bis zur Kabine des Lokführers, ohne das eine weitere Toilette zu sehen war. Ok, alles zusammenkneifen und in Leutesdorf nach einer Möglichkeit suchen. Der Zug spuckte mich um kurz nach zwölf am Leutesdorfer Bahnhof aus.

Die Zeit bis zur Behandlung nutzte ich für einen Spaziergang am Rhein, die Marienburg, zu der ich musste, liegt eh am anderen Ende von Leutesdorf. Allerdings benutzte ich nicht die Uferstraße, da hier einige Autos und Fußgänger unterwegs waren. Ich wusste, ein Stück zurück gibt es einen Pfad zum Leinpfad hinunter, der wiederum einige versteckte Ecken hinter Bäumen und Sträuchern zu bieten hat, so dass ich mir schnell die dringende Erleichterung verschaffen konnte. Tief durchatmen.

Das Wetter war hier genau so grau und diesig wie auf der richtigen Rheinseite, dennoch gab es ein paar Ausblicke unterwegs, die ich im Bild festgehalten habe.

Blick auf die Andernacher Rheinanlagen

Ein wenig idyllisch am Leutesdorfer Uferweg

Namedy versteckt sich auf der richtigen Rheinseite

Ich kam ein wenig früher an der Marienburg an, drehte dort mit Anja noch ne kleine Runde am Rhein, bevor ich mich unter Markus magische Hände begab. Es ist für mich immer wieder unglaublich, wie schnell ich dort auf der Liege total in mir selbst versinke und einfach nur da bin, alle Gedanken abschalte. Mit einem entspannten Wohlgefühl begab ich mich anschließend wieder auf den Rückweg zum Bahnhof, wo der Zug leider mehr als zehn Minuten Verspätung hatte und ich dadurch erst den nächsten Anschluss in Koblenz nehmen konnte. Aber am Andernacher Bahnhof warteten bereits Freunde auf mich, mit denen ich daheim in meiner warmen Küche gemeinsam bei Ofengemüse, Büchern, Espresso und Klön einen schönen Nachmittag verbrachte. Ich kann mich wieder einigermaßen unterhalten, das ist einfach wunderbar nach der langen Durststrecke.

Resümee des Ausflugs: Ich habe um 11:15 das Haus verlassen und bin um 15:45 wieder am Heimatbahnhof angekommen. 4,5 Stunden für eine Behandlung, 1,5 km Luftlinie entfernt. Sie haben sich gelohnt. Und jetzt überkommt mich langsam eine wohlige Müdigkeit. 

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