15 Oktober 2022

Erinnerungen an alte Zeiten

Nachdem ich bereits im Rauscherpark gesehen hatte, dass sich jemand mit den existentiellen Fragen des Lebens beschäftigt und mitten in eine schöne Graffiti die Zahl 42 gesprüht hat, entdeckte ich heute bei meinem Abendspaziergang an ganz anderer Stelle die nächste Spur. Diesmal verhunzt es nichts Schönes, an dieser hässlichen grauen Betonwand kann man nichts mehr verhunzen

Was will er uns damit sagen?

Diesmal ist sie jedoch umrahmt von schwer durchschaubaren Zusätzen.

AGON*MUSS*SEIN*    🕀BL🕀CK    SKG    ╪

Was würde Douglas Adams dazu sagen? Hat der ominöse Sprayer etwa die Frage gefunden, deren Antwort 42 ist? Es geht hier immerhin um die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest!
Ich konnte das heute auch nicht weiter ergründen. Lieber Urheber dieses gesprühten Sammelsuriums, wenn du zufällig diese Zeilen liest, dann schreib mir doch, was du damit meinst und lass mich nicht dumm sterben.

Zum Abschluss kaufte ich noch ein paar Sachen bei REWE ein und wurde dort sehr an meine eigene Vergangenheit erinnert. Vor mir an der Kasse stand ein älterer Mann, also in meinem Alter. Er wirkte gepflegt, wohlgenährt, gut gekleidet und war mit einem sympathischen stillen Gesichtsausdruck ausgestattet. Zwei Menschen waren vor uns, es dauerte eine Weile, bis wir an der Reihe waren. Ich wunderte mich, dass er seine wenigen Sachen nicht auf das Rollband legte, als Platz frei wurde. Erst als er an der Reihe war, packte er schnell alles aufs Band. Als ich sah, was er einkaufte, wusste ich auch sofort, was los war. Eine Flasche Wodka, zwei 5-Minuten-Terrinen, 3 abgepackte Plastikwürstchen. Von der Kassiererin ließ er sich noch eine Stange Zigaretten geben. Sein Blick wirkte jetzt sehr unsicher und scheu. Als er mit Karte bezahlte, sah ich, wie er mit äußerst zittrigen Fingern seine PIN eingab und sichtlich erleichtert war, als er das geschafft hatte. Als er seine Sachen in einer mitgebrachten Stofftüte verstaut hatte, ging er damit langsam Richtung Ausgang. Während ich abkassiert wurde, blieb er mitten im Ausgang kurz stehen, stützte sich auf seinen Einkaufswagen und atmete durch. Ich sagte der Verkäuferin, dass da möglicherweise jemand gleich Hilfe braucht, aber da ging er bereits langsam weiter. Ich kam kurz nach ihm raus, sah, dass er seinen Einkaufswagen gerade in die Box zurückgestellt hatte und mit seiner Tüte in der Hand in Richtung parkender Autos ging. Ich befürchtetet schon, dass er in diesem Zustand selbst fahren wollte, dann hätte ich ihn angesprochen. Aber er ging zu einem dort wartenden Taxi und mir wurde mal wieder klar, dass ich ihm nicht helfen kann.

Ich merke jetzt beim Schreiben dieses Eintrags noch, wie sehr mich dieser Mann berührt hat. Ein wenig sah ich mich selbst dort an der Kasse stehen und hoffen, dass niemand meine zittrigen Finger bemerkt. Obwohl diese Zeit ewig lange her ist, 37 Jahre, kenne ich diese Situationen noch gut und weiß noch sehr genau, wie ich mich dabei gefühlt habe. Und mir wird wieder sehr bewusst, was für ein Glück ich hatte, damals den Absprung aus diesem Leben geschafft zu haben.


7 Kommentare:

  1. Anonym22:21

    Das ist wirklich ein Glück und ich bewundere noch heute deine Stärke :-)

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    1. Danke für die Anerkennung.
      Wieso schreibst du anonym?

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    2. Öhm...keine Ahnung. Dachte, mein Name wird automatisch eingeblendet

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    3. Ah jetzt ja! Super!

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  2. Anonym07:04

    Lieber Manfred, ist das wirklich schon sooo lange her? Ich erinnere mich ganz genau an unsere erste Begegnung und unser erstes Gespräch . . . . Und ich ziehe meinen Hut vor Dir.

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    1. Liebe/r anonym,
      vielen Dank für das Kompliment.
      Wenn ich wüsste, wer du bist, würde ich mich vielleicht auch an unser erstes Gespräch erinnern.

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  3. Liebe/r anonym,
    in der Tat würde die Quote der "Überlebenden" nach 37 Jahren wohl an der 5%-Hürde scheitern. Traurig aber wahr.
    Es freut mich, dass du mich so positiv siehst. Noch mehr würde es mich freuen, wenn ich wüsste, wer du bist.

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