11 Juli 2023

Der Turm vor dem Sturm

Der erlösende Gewitterregen war für heute Abend angekündigt, gegen zehn Uhr sollte es losgehen. Nach all diesen schwülheißen Tagen  wird die Abkühlung sehnsüchtig erwartet. So blieb mir am Spätnachmittag, als mich Natalie aus ihren heilenden Händen entließ, noch genügend Zeit für die tägliche Frischluftrunde. Um viertel vor sieben parkte ich am Bollwerk ein und warf angesichts einiger dunkler Wolken einen letzten Blick auf die Wetterprognose meines Handys. Es bleibt dabei, ab zehn geht's los. Alles paletti.

Sigi begrüßte mich am Bollwerk-Parkplatz mit einem sorgenvollen Blick nach oben. Sigi, du Schisser, es bleibt noch trocken!

Kaum hatte ich meinen Tourenzähler gestartet und die ersten Schritte gemacht, fielen ein paar klitzekleine Tröpfchen. Nicht der Rede wert. Als ich Sigi passiert hatte und auf den platanengesäumten Weg einbog, war klar, dass Murphy wieder seine Finger im Spiel hatte. Der Regen wurde stärker.
Zum Glück weiß ich mittlerweile in solchen Fällen, wie ich Murphy austricksen kann. Würde ich einfach weiterspazieren, wären sintflutartige Regenfälle die sofortige Folge. Da noch viele Menschen am Rhein unterwegs waren, wollte ich ihnen das nicht antun. Also machte ich auf dem Fuß kehrt und ging zurück, so als wenn ich wieder zum Auto wollte. Nach wenigen Metern hatte der Regen komplett aufgehört. Dann sagte ich Sigi die Meinung: "Du hältst hier jahrhundertelang die Stellung und machst einen auf Drachentöter und dicke Hose. Und jetzt kriegst du ein paar lächerliche dunkle Wolken nicht in den Griff, so dass ich dir helfen muss? Schäm dich!"

Das ließ der sich nicht zweimal sagen und so konnte ich unbesorgt meinen Spaziergang fortsetzen. Ich durfte unterwegs die Flaschensammelfrau grüßen und bemerkte, dass sich die meisten am Rhein verbliebenen Menschen nun doch unter den Schirmen des Biergartens oder im Schutz der großen Bäume niedergelassen hatten. Hinter dem Kleine Deutschen Eck wurde der Weg leer.

Am Pegelhaus machte ich kehrt und betrachtete den Himmel. Oha, da braute sich was zusammen! Ob Murphy mich reingelegt hatte und mich nun auf dem Rückweg dafür bezahlen ließ? Es nützte nichts, da musste ich jetzt durch.

Auf dem Rückweg dann etwas Verblüffendes: Die sanierte Villa Michels hatte anscheinend eine Turmspitze bekommen!

Wenige Meter später klärte sich das Rätsel. Der wohlbekannte Runde Turm hatte sich kurz hinter der Villa versteckt.

Überhaupt, die Villa Michels, jetzt fiel mir ein: Wo bleibt denn Octobello? Auch heute kein Laut von ihm zu hören, obwohl es noch keine acht Uhr geschlagen hatte. Mit dem hatte ich ja noch etwas zu regeln. Denn Uli und Merlin hatten mir gestern gesagt, dass dieser Bellhund einer Rasse angehört, die nach einer Bausparkasse benannt ist und er deshalb von seinem Besitzer auf den Namen Leo getauft wurde. Tja, Bello, Octo, Leo - was denn nun?! Das wollte ich mit dem Vierbeiner klären, der sich jedoch nicht blicken ließ. Aber: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

Einige Meter weiter bewies der Runde Turm erneut seine Omnipräsenz. Von wo man auch schaut, überall schiebt er sich ins Blickfeld, und wenn es nur mit der Turmspitze ist. Immerhin ist er ein Andernacher Wahrzeichen, da gehört sich das wohl so.

Als ich unter den große Bäumen ankam und auf einer bequemen  Bank Platz nahm, um mir ein halbes Lesestündchen zu gönnen, spürte ich wieder kleine Tropfen auf der Haut. Auch ein Umsetzen auf eine gut vom Baum geschützte Bank brachte keine Verbesserungen. Es tröpselte.

Nicht doll, aber so, dass ich mein schönes neues Buch lieber im Rucksack ließ,  bevor es hässliche Wasserflecken bekommen würde.

Wie gesagt, ich weiß Murphys Signale ganz gut zu deuten. Das hier hieß: Der Spass mit Sigi war ja noch ganz lustig, aber jetzt isses genug. Mach dich zurück ans Auto. Ich gehorchte und kam mit wenigen angenehm kühlenden Tropfen auf der Haut am Bollwerk an.

Nach einem guten Abendessen kann ich nun vom Balkon aus sehen, wie sich die Unwetterwolken in der Ferne zusammenballen.

Da braut sich was zusammen

Jetzt kann das Gewitter kommen! Morgen fahren wir dann bei angenehmen Temperaturen zum Verwandtschafts-Kennenlern-Besuch nach Alfter. Und später schau ich bei einer Open-Air-Geburtstagsfeier bei Freunden ganz in der Nähe rein.

2 Kommentare:

  1. Gerhard22:53

    Gleich zwei Feiern morgen? Das machte ich zuletzt mit 46.
    Mit anderen Gegebenheiten kam ich damals so auf 800 km Fahrt in 4 Tagen.
    Heute würde ich eher virtuelle Teilhabe anstreben , aber natürlich mit Großbildschirm - auf dem Feierplatz.

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    1. Beide Begegnungen mit zeitlicher Selbstlimitierung, Gerhard. Die früheren Dreitagerennen am Wochenende könnte ich heute auch nicht mehr durchstehen, ich will sie aber auch nicht mehr. Die Zeit der brotlosen Künste geht dank mangelnder Ressourcen langsam dem Ende zu. Gut so. Und wieder singen die Puhdys in meinem Kopf:
      Jegliches hat seine Zeit ....

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