16 Juli 2023

Ungewisse Wege im Stadtmuseum - Teil 2

Als ich um kurz nach acht wach wurde, spürte ich schnell, das heute kein "normaler" Tag ist. In meinem Mohawk-Buch, das mich ganz verschlungen hat, gönnte ich mir noch einige Seiten im Bett. Dort geschehen kurz vor dem Ende unschöne Dinge. Dinge, bei denen ich teilweise schon im Anlauf dachte: "Nein bitte, tu das jetzt nicht! Das geht nicht gut" und die Protagonisten tun es dennoch. Pooh!
Eine Sprachnachricht auf dem Handy trudelte ein, und ich wusste beim Blick auf den Absender, was passiert ist. Als ich nach dem Frühstück meine Ersatzteile auf die Ohren geschraubt hatte und die Nachricht abhören konnte, bestätigte sich das leider. Nicht nur im Roman sterben Menschen.

Ausgerechnet heute, am Tag unserer zweiten Lesung, bei der ich meine Kurzgeschichte aus der Suchtklinik öffentlich vortragen würde, traf mich die Nachricht vom Tod eines früheren Freundes, Nachbarn und Saufkumpans dennoch völlig überraschend. Seit 38 Jahren hatten wir uns nicht mehr gesehen. Seit dem Tag meiner freiwilligen Einweisung in die Entzugsklinik hatte ich den Kontakt auch bewusst vermieden, weil ich wusste, dass er den Absprung nicht geschafft hatte und ich mir dieses Elend nicht wieder mit ansehen wollte. Und nun wurde er tot in seiner Wohnung aufgefunden, wie mir seine Tochter mitteilte.

Das ging mir den ganzen Tag nach und so beschloss ich irgendwann, dem Verstorbenen bei der Lesung ein paar Worte vorab zu widmen.

Dr. Kai Seebert, der Leiter des Andernacher Stadtmuseums, hieß um kurz nach 17 Uhr die Gäste und die Autoren im Museum willkommen, woraufhin unsere Dozentin Gabriele Keiser einige einleitende Worte über unseren Schreibkurs und die Hintergründe unserer Veröffentlichung zum Thema Flucht und Vertreibung sprach, mit der wir die aktuelle Sonderausstellung des Museums aus literarischer Sicht begleiten. Auch die anwesende Andernacher Künstlerin Rita Krupp wurde lobend erwähnt, die mit ihrem Gemälde als Titelbild viel zum ansprechenden Erscheinungsbild des Druckwerks beitrug.
Wie bei unserer ersten Lesung vor zwei Wochen hatten wir uns darauf verständigt, die Vorlesezeit auf sieben bis acht Minuten zu begrenzen, damit sich die Vorstellung mit sechs Autoren nicht zu sehr in die Länge zieht. Gabriele Keiser begann mit dem Text des syrischen Flüchtlings Hasan Ze Alnon, der nicht persönlich anwesend sein konnte. Im Anschluss folgten Gerda Stark und Carmen Rakemann, dann war ich an der Reihe.

Meine Lesung: Unangenehme Wahrheiten

Ich sprach ein paar Worte zum Tod des früheren Kumpels, die ja auch in direktem Bezug zur meiner Kurzgeschichte aus einer Suchtklinik stand. Thomas werde ich damit nicht wieder zum Leben erwecken, aber mir hat es gut getan, das nicht für mich zu behalten. Und ich denke, auch im Publikum habe ich damit niemanden verschreckt. Während meines Vortrags versuchte ich mich an die Dinge zu erinnern, die uns unsere Mitautorin und Theatermacherin Karin in der letzten Stunde vermittelt hatte. Aus den positiven Rückmeldungen danach konnte ich schließen, dass es mir einigermaßen gelungen ist.

Anschließend trugen Petra Schmidbauer und Ellen Graf ihre Geschichten vor. Alle Vorlesenden wurden vom Publikum mit Applaus bedacht und auch aus den anschließenden Gesprächen war zu entnehmen, dass es allen gefallen hatte. 

Dr. Kai Seebert und die heutigen Vorleser

Von den ausgelegten Exemplaren unserer aktuellen und auch der letzten Veröffentlichung "Von Scherben und Glück" wurde reichlich Gebrauch gemacht. Wer das Ganze lieber elektronisch als gedruckt mag, kann sich die Sammlung auch hier als PDF herunterladen.
Als ich mich dann nach zwei schönen Gesprächen mit Zuhörerinnen auf den Weg zum Parkplatz machte, fiel einiges an Anspannung von mir ab. Das machte Lust auf eine kleine Abschlussrunde am Rhein, die Lesepause in der Abendsonne auf der Bank am Kleinen Deutschen Eck war sehr entspannend.

Und das marinierte Rindersteak von Walli mit dem leckeren Ruccola-Salat aus der alten Heimat war der krönende Abschluss.


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