Den RE5 um 10:28 planmäßige Abfahrt in Andernach hatte ich mir für meinen heutigen Wuppertrip ausgesucht. Der Regionalexpress fährt durch bis Düsseldorf, von dort kommt man mit dem RE13 schnell nach Wuppertal. 11 Minuten Umstiegszeit dürften ja reichen, um von Gleis 17 auf Gleis 7 zu kommen. Und um 12:31 wollte ich tiefenentspannt in Wuppertal aussteigen und dort meine Sachen erledigen.
Ich hatte auch schon ausgekundschaftet, dass um 18:25 die letzte entspannte Reisemöglichkeit zurück besteht, RE13 bis D'dorf, RE5 nach Hause, also die gleiche Route wie auf der Hinfahrt.
Das war der Plan.
Aber mal ganz von vorne. Ales erfahrener Bahnreisender weiß ich natürlich, dass so etwas nie funktioniert (wenn man nicht gerade mit Gaby unterwegs ist). Beim momentanen Bahn-Chaos wäre es schon ein Wunder gewesen, wenn der ausgesuchte RE5 heute Morgen pünktlich in Andernach abfahren würde. Ich fuhr trotzdem früh genug los, um auf dem Bahnparkplatz ein Plätzchen zu finden, von dem aus man direkt auf den Bahnsteig gelangt. Neulich hatte ich erst gesehen, dass dort viele Plätze frei waren. Nur leider heute nicht. Nach einer erfolglosen kleinen Rundfahrt fuhr ich weiter zum REWE mit dem Riesenparkplatz, denn dort wollte ich bei meiner Rückkehr eh noch einkaufen. Die Uhr begann hier bereits merklich schneller zu laufen. Zum allerersten Mal, seit ich in Andernach wohne, erlebte ich Donnerstags um 10:15, dass der ganze REWE-Parkplatz lückenlos belegt war. Spätestens an diesem Punkt wusste ich, dass sich meine Vorahnung bestätigen würde: Murphys Rache war heute fällig. Er hatte die ganze letzte Woche gegen Gabys Beziehungen zum Universum keine Chance gehabt und sowas lässt der nicht einfach auf sich sitzen. Nicht mein Murphy.
Ich hatte Glück, dass nach einer erfolglosen Umrundung plötzlich eine junge Frau vor mir rausfuhr und ich doch noch einparken konnte. Da sich die Zeiger der Uhr dabei noch schneller gedreht hatten, hechelte ich mit meinem gefüllten Rucksack schnell zum Bahnhof, wo der RE5 gerade einlief, als ich den Bahnsteig betrat. Der wahrscheinlich einzige pünktliche Zug dieses Tages. Pooh!
Meine BahnApp zeigte im relativ leeren Zug(!) auf einem Sitzplatz(!) an, dass wir Düsseldorf mit nur 2 Minuten Verspätung erreichen werden. Oder eher würden?
Es begann in Brohl mit 2 Minuten Verspätung und wurde während der Fahrt mit immer wieder eingelegten ungeplanten Stopps auf offener Strecke schnell ausgebaut. Völlig überraschend fanden unterwegs Bauarbeiten und damit verbundene Umleitungen anderer Züge statt, was stets von der Lautsprecherdurchsage kommentiert wurde. "... weil der vor uns liegende Streckenabschnitt nicht frei ist. Wir bitten um Verständnis."
In Brühl waren es dann 16 Minuten Verspätung und es war klar: Der Anschluss in D'dorf wird nicht mehr klappen. Nach dem wiederholten Konsultieren meiner schlauen BahnApp beschloss ich, Murphy ein Schnippchen zu schlagen, wie schon so oft. Ich würde in Köln umsteigen. Aber nicht im Hauptbahnhof, sondern in Deutz. Die dort verkehrende Regionalbahn RB48 hatte lt. App bereits 48 Minuten Verspätung, der Umstieg sollte für mich klappen.
Umstiege in Köln Hbf. sind nämlich immer sehr problematisch, weil kaum ein Zug auf dem geplanten Gleis abfährt. Und Köln Hbf hat viele Gleise. In Deutz gibt es nur 3 Bahnsteige mit 6 Gleisen. Das spart viele Meter Fußweg. Gerade als ich diesen Entschluss gefasst hatte, blieb der Zug direkt vor dem Kölner Hauptbahnhof stehen und wir hörten zum x-ten Mal ... weil der vor uns liegende Streckenabschnitt nicht frei ist. Wir bitten um Verständnis."
Murphy musste irgendwie mitgekriegt haben, was ich vorhabe. Minuten vergingen. Ein jüngerer Mitfahrer wirkte sehr verunsichert. Er studierte ständig den ausgehängten Netzplan der Bahn und schien sich damit überhaupt nicht auszukennen. Er fragte mich freundlich, ob ich wisse, wie er denn nun am besten nach Dortmund käme. Die geplante Anschlussverbindung wäre weg und er wolle halbwegs pünktlich zum Familientreffen dort erscheinen. Ich suchte ihm auf der App einen RE aus, der hier ab Köln Hbf. direkt nach Dortmund fährt und er bedanke sich erleichtert. Weitere 10 Minuten Standzeit später registrierte er, dass wir nun auch dafür zu spät waren und meinte hoffnungsvoll: "Der wird ja vielleicht auf uns warten." Ich konnte einen spontanen Lachkrampf nicht ganz unterdrücken und erklärte ihm das unvermeidliche Scheitern seiner Pläne.
Dann fuhren wir ein, ich blieb sitzen und stieg erst beim nächsten Halt in Köln-Messe/Deutz aus, wo auf dem gleichen Bahnsteig, auf dem wir einfahren, auch der verspätete RB48 einlaufen sollte. Da dieser dann mit noch größerer Verspätung um 12:17 in Deutz ablegte, gelang mir der Umstieg problemlos.
Für einen kleinen Moment überlegte ich beim Anblick des Displays, ob ich nicht doch auf den ebenfalls angezeigten Regionalexpress warten soll, der RE7 würde mich schneller an die Wupper bringen. Ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da änderte sich die Anzeige.
RE7 fällt aus! |
Also alles wie immer. Ich war nicht der Einzige Betroffene, ein paar Clübchen älterer Damen (also in meinem Alter) irrten auf dem Bahnsteig umher und freuten sich mit mir, als der RB 48 endlich einlief und wir sogar Sitzplätze darin fanden. Ich würde nur wenig später als geplant in Wuppertal ankommen, dank meiner klugen Umdisposition. HA!
Der Zug fuhr dann tatsächlich los, nachdem wir noch einige weitere Verspätungsminuten beim Warten im Bahnhof addiert hatten. Und nach nur wenigen Minuten Fahrt verkündete der Lautsprecher, dass die RB48 heute leider nur bis Solingen fahren können und wir alle dort aussteigen müssen. Im Zug etwa gleich viele genervte wie lachende Gesichter. Sofort checkte ich in meiner Bahn-App, dass wir bereits in Opladen auf Gleis 2 ankommen und von dort mit einem RE, der mit noch größerer Verspätung unterwegs ist, weiterfahren können. Also, geht doch!
Kurz vor Opladen wies die Bahn uns noch darauf hin, dass es dort ein WC gibt
und das man dort auch anhält.
Ich bewegte mich schon zum nächsten Ausstieg, wo mir jedoch Murphy zuvor gekommen war.
Ok, nächste Tür, und schwupp war ich draußen.
Auf dem gegenüberliegenden Gleis am Bahnsteig stand bereits ein Zug, ob das schon unser RE war?
Dann ein Blick aufs Display:
Der RE7 würde heute ausnahmsweise auf Gleis 5 abfahren!
Ich sprintete die Treppe hinunter, um dort festzustellen, dass ich bereits auf Gleis 5 war. Wir waren auf Gleis 4 angekommen und nicht, wie geplant, auf Gleis 2.
Also hurka hurka wieder hoch und einfach in den dort wartenden Zug eingestiegen. Kurze Frage an die dort sitzenden Passsagiere: Fährt der nach Wuppertal? Einstimmiges Nicken rundherum, geschafft!
Dann stehen wir dort eine Weile und warten aufs - ja worauf eigentlich? Mein Mitfahrer Richtung Dortmund steht plötzlich wieder vor mir. Sein Anschlusszug in Köln Hbf hatte nicht auf ihn gewartet. HA! Ich frage ihn nicht, auf welch verschlungenen Wegen er nun im RE nach Rheine sitzt.
Nach 20 Minuten im stehenden Zug sehen und hören wir, dass jetzt auf Gleis 4, also dort, wo wir mit der RB48 vor einer halben Stunde ankamen, nun doch die nächste RB 48 abfahren soll. Diese war uns in Deutz als ausgefallen mitgeteilt worden. Hmmh, was tun? Meine Mitfahrerinnen überlegen, ob sie nicht aussteigen und mit der RB fahren sollen, jedoch nach meiner Warnung "Das ist eine Falle!" bleiben wir alle sitzen. Eine Minute später fährt unser Zug los.
Ich habe eine nette Unterhaltung mit der Dame gegenüber, die doppelt so viele Jahre auf der Stadtverwaltung verbracht hat wie ich, allerdings in Aachen. Danach ist sie wg. der Familie nach Leverkusen gezogen und dort ist es nicht so schön. Aber sie ist viel mit der Bahn unterwegs und kann auch über den ganzen WirrWarr entspannt lachen. Nach dem Austausch unserer Bahnerlebnisse beantworte ich ihre Frage, ob sich Andernach für einen Besuch lohnt, sehr ausgiebig und positiv. Ich denke, ein Wochenende mit ihrem Damenclübchen könnte draus werden.
Wir erreichen Wuppertal eine Stunde später als ich es geplant hatte und wir verabschieden uns vor dem Bahnhof nett, denn die Leverkusener Dame macht auch einen Besuch an der Wupper, einen Familienbesuch.
Da ich nun alle Zeit der Welt habe, schwebe ich erst mal gemütlich zum Hotel, um dort meine peinlichen Schulden zu begleichen. Silvia und Frankie de Palma erwarten mich bereits auf dem sonnigen Balkon und begrüßen mich sehr herzlich. Das sind wirklich tolle Menschen hier. Nachdem ich Frank zum Geburtstag gratuliert habe und wir uns angeregt unterhalten haben, mache ich mich wieder auf den Weg, nicht ohne eine genauso herzliche Verabschiedung von den beiden.
Ich besuche den Glücksbuchladen und bringe Frau Hardenburg weitere Exemplare unserer Kurzgeschichtensammlungen vorbei, die lt. ihrer Aussage letzte Woche sehr gerne mitgenommen werden, vor allem bei Lesungen. Sie regt wiederholt an, dass auch für unsere Kurzgeschichten einmal jährlich ein passendes Lesungs-Format von ihr veranstaltet wird. Ich werde das am nächsten Kursabend zur Diskussion stellen.
Für die geplante Verabredung zum Familientreffen schicke ich Claudia eine WhatsApp und warte auf Antwort. Vergeblich. Ungewöhnlich. Derweil verspeise ich eine leckere Reis-Hühnchen-Gemüse-Bowl und schaue mal vorsichtshalber in die BahnApp wg. meiner Rückfahrt. Resumee: Claudias Handy ist ihr just heruntergefallen und war zur Reparatur, wie sie mir schreibt, als ich schon wieder in der Bahn sitze. Denn sowohl meine gut geplante Rückfahrt um 18:25 als auch die gleiche Verbindung eine Stunde vorher finden nicht statt. Wegen Personalmangel fahren diese Züge heute nicht mehr. Aber eine weitere Stunde vorher steht noch alles als funktionierend in der App. 16:25 ist angesagt. Huch, das ist ja gleich.
Also ab auf den Gleis 1, wo sich quälend viele Menschen einfinden. Die wollen doch nicht alle mit dem RE13?! Kurz darauf ändert sich die Anzeige und man schiebt die verspätete RB 48 vor. Allerdings heute ausnahmsweise auf Gleis 3. Völkerwanderung setzt ein.
Wieder einige Minuten später zieht man die RE7 vor, die bereits 1:20 Std. Verspätung hat. Ok, geht auch, bis Düsseldorf und dann umsteigen. Falsch gedacht - sofort erscheint im Display:
Heute nur bis Opladen! |
Mittlerweile hat sich der Bahnsteig wieder sehr gefüllt, das könnte haarig werden. Aber es klappt gut. Ich bekomme einen Sitzplatz im Gang, wir erreichen schnell Düsseldorf, wo ich an Gleis 16 auf meinen letzten RE nach Hause warte.
Auch auf diesem Bahnsteig warten Massen von Menschen auf genau diesen Zug.
Kurze Verwirrung entsteht, als man auf der Anzeige 2 Züge von Gleis 15 und 16 tauscht, aber meiner ist nicht dabei. Im Obergeschoss des Doppeldeckers finde ich einen Sitzplatz und von da an läuft alles ziemlich normal. Ok, den Halt in Sinzig lässt man heute einfach mal ausfallen, aber am Ende steige ich mit nur 10 Minuten Verspätung in Andernach aus und bin zufrieden, dass ich mich mit dem rachsüchtigen Murphy doch so arrangieren konnte..
So zufrieden spazierte ich heute Abend noch einen schönen Gang in der luftigen Rheinanlagen und erfreute mich an den Wolkenbergen und an einer Lesepause mit meinem nächsten interessanten Buch.
Das könnte Deine nächste Kurzgeschichte bei einem Vorleseabend werden! Mit Lachmuskelkater für die Zuhörer 😂
AntwortenLöschenDas wär auch mal ne Idee ...
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