In den letzten Wochen hatte ich durch zahlreiche (unumgängliche) Verstöße gegen das Rentner-Ausschlaf-Gesetz ein kleines Polster an verpassten Schlafstunden aufgebaut. Ich genehmigte mir heute, dieses Defizit wieder auszugleichen und nach vielen Lese-, Dös- und Schlafstunden erst am frühen Nachmittag meine Koje zu verlassen und den Tag endlich mal wieder mit einem Spätstück zu beginnen. Das Porridge schmeckt in der Tat noch besser, wenn es ein paar Stunden länger durchgezogen ist. Das Topping mit Achims genialem Leinöl-Trub und dem guten Orange-Kurkuma-Gewürz bildete dann das i-Tüpfelchen auf einem schmackhaften, gesunden Start in den Tag.
Schnell war der Vorabend herangerückt und ein Blick auf meinen Tourenzähler erinnerte mich daran, dass ich auch ein akutes Bewegungsdefizit auszugleichen hatte. Kurzerhand beschloss ich eine Runde durchs Städtchen, die interessanten Veranstaltungen zum Tag des Denkmals hatte ich bereits alle verpasst. Aber das ist nun mal der Preis für meine Gesetzestreue und Loyalität bzgl. des RAG.
Zum Kochen war es mir eh zu spät, also plante ich spontan, meine Stadtrunde auf dem Rückweg mit einem Gang zum Dönerladen abzurunden. Was mich während dieser Runde dann dazu gebracht hat, umzuplanen einen Gang zum Rhein vorzuziehen, wissen die Götter allein. Wieso ich dann am Krankenhauskapellchen nicht wie sonst den Weg zum Bollwerk wählte, sondern genauso spontan entschied, durch die Bürresheimer Gasse über den Parkplatz am Rhein zum Biergarten zu gehen, sollte ich auch erst später verstehen. Mein Buch hatte ich dabei, noch war es hell, und so erfreute ich mich erstmals nach sehr langer Zeit wieder an einer Currywurst mit Pommes, sozusagen als Kontrastprogramm zu meiner ersten gesunden Mahlzeit.
Am Nachbartisch saß eine nette ältere Dame, die mit ihrem Smartphone Abendeindrücke vom Rhein abzulichten schien. Wir nickten uns freundlich zu und als mein Essen auf dem Tisch stand, wünschte sie mir einen guten Appetit. Sehr sympathisch.
Beim Espresso Macchiato danach schlug ich mein Buch auf, welches schon sehr interessant begonnen hatte. Als ich irgendwann aufsah und wieder den Blick der freundlichen Tisch-Nachbarin traf, fragte sie mich interessiert, was ich denn Spannendes lese, so vertieft wie ich war.
Ich zeigte ihr das Buchcover und so begann ein Gespräch über Literatur.
Sie erkannte mich zuerst wieder und verblüffte mich mit dem, was sie so aus der Hüfte über mich wusste. Ich setzte mich zu ihr an den Tisch und sagte: "Jetzt wird es interessant". Schnell wurde klar, dass mich meine spontane Eingebung nicht grundlos an diesen Tisch in diesem Biergarten geführt hatte.
Aber erst nach einigen Tipps ihrerseits fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren oder wie man so sagt. "Marlies?" fragte ich sie und sie nickte.
Die Mutter meines früheren Klassenkameraden Christoph saß vor mir. In deren damaligem Haus war ich vor mehr als 50 Jahren zuletzt zu Gast gewesen. Ich wusste zwar von Ihrem Sohn, dass sie hier lebte und wo sie lebte, hatte aber keinerlei Erinnerung mehr daran, wie sie ausgesehen hatte.
Christoph hatte mich vor 4 Jahren spontan besucht, als er hier in Andernach bei seiner Mutter war, und wir hatten das damalige Wiedersehen auf meinem Balkon sehr genossen. Und nun saß Marlies mir gegenüber am Tisch und wir sprachen über Gott und die Welt, über Zufälle und unbewusste Wahrnehmungen und vieles mehr, bis es dunkel wurde und wir uns gemeinsam auf den Heimweg machten. Ein sehr schöner Abend und ein Kontakt, den wir pflegen wollen.
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