Ein besonderer Tag neigt sich dem schönen Ende zu. Da das Frühstücksbüffet am Sonntag eine Stunde länger geöffnet hat, war ich fast wach, als ich gegen zehn Uhr am Tisch Platz nahm. Die glutenmäßige Vielfalt wird jeden Tag größer, heute gab's sogar rote Feigensenfsauce zum Käse. Tomaten, Gurken, Paprika liegen sowieso frisch aufgeschnitten und liebevoll präsentiert auf dem Angebotsteller. Auch die fruktosearmen Fruchtstückchen mit Joghurt und Maisflakes sind immer ein schöner Abschluss. Derart reichlich gestärkt bereitete ich mich im Hotelzimmer auf mein blind date der familiären Art vor.
Nachmittags um drei waren wir im Café einer Bäckerei verabredet, Inge* (*Name von der Redaktion geändert) und ich. Einige Schwebebahnstationen und eine Viertelstunde Fußweg später stand ich vor dem vereinbarten Treffpunkt.
Hinter diesen Scheiben fand das kleine Familientreffen statt |
Obwohl wir uns bisher nur durch kurzen schriftlichen Austausch per Messenger kannten, war für mich sehr schnell sowas wie ein familiäres Vertrautheitsgefühl spürbar. Bei leckerem glutenfreiemarmem Gebäck und einer Tasse Kaffee hatten wir uns einiges zu erzählen. Trotz meiner Gehörprobleme konnte ich das Meiste verstehen und mit dem Reden habe ich als alter Quasselstripper sowieso keine Probleme.
Durch Inges geballtes Familienwissen konnte ich den Zweig des Wuppertaler Stammbaums um sehr viele Personen erweitern. Und wenn Inge ihre Tante Karin* (*Name von der Redaktion geändert) befragt hat, werden wir mit der letzten noch fehlenden Information dieses Fragment an den richtigen Stammbaum anbinden können, dann erfahren die Wuppertaler Familienmitglieder endlich, woher sie ursprünglich stammen. Eh wir uns versahen, war es kurz vor fünf, der Laden schloss, sobald wir draußen waren und die gute Inge ging noch ein ganzes Stück mit mir in Richtung Schwebebahn, bevor wir uns herzlich verabschiedeten und unseren Vorsatz bekräftigten, in Kontakt bleiben zu wollen. Eine sehr schöne Begegnung.
Unterwegs noch eine Reminiszenz aus meiner Heimatregion |
Gut gelaunt zurück im Hotel machte ich mich sofort daran, meine vielen im Café handschriftlich festgehaltenen Notizen in den Wuppertaler Stammbaum einzutragen. Das ehemalige Café Nachtsheim in Barmen, an dem ich vorgestern noch vorbeiging, gehörte übrigens auch zu dieser großen Familie.
Als das Gerüst des Baums stand, wurde es Zeit zum Abendessen. Beim googeln nach glutenfreiem Essen in Wuppertal stieß ich auf die kleine Pizzeria direkt um die Ecke, passt! Im Bella Ciao war gerade ein kleiner Tisch für mich freigeworden, in einer Nische, wo der Geräuschpegel am erträglichsten war. Die glutenfreien Spaghetti reizten mich nicht so wie der Brokkoli-Schinken-Auflauf überbacken, oder besser: im Käsesee ertrunken. Mann war das lecker und sättigend! Schräg gegenüber in der Nische saßen zwei Männer, von denen einer ein so uriger Typ war, dass ich ihn fragte, ob ich ein Foto von ihm machen darf. Er kam gerade von der Toilette zurück und sagte: "Nee, ich hab mich grad im Spiegel gesehn, heut besser nich!" Daher muss ich ihn mit Worten beschreiben. Ein großer und sehr stämmiger Kerl mit wilden grauen Haaren, hinten zum Zopf, der aus dem Cappy rauslugte, vorne ein ebenso grauer mächtiger Schnäuzer, der ihm bis auf Brusthöhe reichte und dort auf der großzügigen Plautze auflag, die mit einem Jan-Klaas Huntelaar und der Nummer 25 geschmückt war. Das S04-Logo wirkte richtig mickrig dagegen. Ein richtiges Original. Als er meinen Fotowunsch ablehnte, nahm ich sofort meine VfL-Cap aus dem Rucksack und setzte sie auf. "VfL Bochum?? NEE!?!?" war seine Reaktion, gefolgt von einem sympathischen Grinsen. Nach einem kurzen Smalltalk ("Woher kommse denn?" ...) genehmigte ich mir einen leckeren Espresso zum Abschluss und wir verabschiedeten uns per Handschlag und mit den Worten: "Dieses Jahr müssen wir beide leiden." Dass er mir sagte, ich wär ja bestimmt noch öfter hier und dann könne ich ihn auch knipsen, sei nur am Rande erwähnt.
Trotz Drisswetter wieder ein schöner Tag. Wuppertal halt.
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