07 Oktober 2021

Vom zögerlichen Murphy bis zum Kaffee am Laurenz

Heute morgen war ich ziemlich gespannt, ob bzw. wie sich mein Freund, der Bahn-Murphy, in meine heutige Fahrt an die Wupper einmischen wird. Am 01.09. hatte ich bereits die Tickets für Hin- und Rückreise gebucht. Am 10.09. schrieb mir die Bahn, dass ich für meine Rückfahrt umdisponieren müsste, weil es meine gebuchte Verbindung dann nicht mehr gibt.
Da jedoch zwischendrin meine Freundin Petra Urlaub mit der Bahn machte, bestand zumindest theoretisch die Chance, dass Murphy ihr Begleitschutz gibt und dann möglicherweise dem Charme der Nordseeinsel verfällt und für immer auf dort bleibt. Spätestens als Petra mir am Rückreisetag schrieb, dass ALLE Katamarane ausgefallen seien, sie auf die spätere Fähre ausweichen muss, dadurch den gebuchten Zug auf jeden Fall verpasst, war mir klar:

Murphy's coming home

Und so wunderte es mich auch nicht, dass ich heute nach dem Aufwachen eine Nachricht der Bahn auf meinem Handy fand. Mein Zug würde 5 Minuten Verspätung haben. Geplanter Umstieg in Köln mit 7 Minuten Puffer bedeutet: GENAU! Was kommt als nächstes?
Meine Alarmsensoren sind aktiviert, manchmal muss man auf Kleinigkeiten achten. Ich beschließe, eine halbe Stunde früher daheim loszufahren. Denn ich weiß, dass der Bahn-Parkplatz nur dann komplett besetzt ist, wenn ich so knapp dran bin, dass ich keine Zeit mehr habe, einen anderen Dauerparkplatz anzusteuern. In diesem Fall ist auch mein Zug plötzlich wieder pünktlich. Wenn man ne halbe Stunde früher da ist, kriegt man dort immer einen Parkplatz. Außer heute.
Ok, kein Problem, ich parke woanders, rolle mit meinem Gerödel durch die halbe Stadt bis zum Bahnhof, bin pünktlich dort und mein Zug kommt tatsächlich mit 5 Minuten Verspätung, so wie angekündigt. Wagen 9 hält genau dort, wo er lt. Wagenstandsanzeiger stehen sollte. Mein reservierter Platz ist frei.
Ich spüre sofort, irgendwas stimmt heute nicht, irgendwas ist anders als sonst.

Auf dem Weg nach Köln holt der Zug manchmal etwas Verspätung auf, manchmal verliert er wieder etwas Zeit, ich werde doch nicht wirklich den Anschlusszug kriegen?! Jetzt fällt es mir ein! In Köln kommen ja grundsätzlich alle Züge auf einem anderen Gleis an, als eigentlich vorgesehen. Dadurch verschiebt sich natürlich auch die Abfahrt jedes Zuges auf ein anderes Gleis. Ich sollte auf Gleis 3 ankommen und auf Gleis 2 weiterfahren, also auf dem gleichen Bahnsteig gegenüber. Das wäre in 1 Minute zu schaffen. Wahrscheinlich ist das Murphys Plan. Vor meinem geistigen Auge sehe ich es jetzt glasklar. Er würfelt gerade aus, ob er mich auf Gleis 17 oder 23 ankommen lässt, um mich mit vollem Gepäck einmal durch den Bahnhof zu jagen, bis ich auf Gleis 2 ankomme, wo die Lautsprecherdurchsage verkündet, dass die RB nach Oberbarmen heute auf Gleis 25 abfährt. Dieser Gauner! Aber ich lass mich nicht verrückt machen, beschließe, einfach abzuwarten, was passiert und ggf. einen anderen, späteren Zug zu nehmen. Ich hab Zeit. Während mir das durch den Kopf geht, piepst mein Handy. Deutsche Bahn meldet Neuigkeiten:
Die RB32436 nach Oberbarmen fährt heute mit ein paar Wagen weniger los, weil die nicht rechtzeitig aus der Werkstatt zurück gekommen sind. Warnung: Es könnte sehr voll werden!
Auch davon lasse ich mich nicht beunruhigen. Jede halbe Stunde fährt ne Regionalbahn in die Richtung, also was soll's? Mittlerweile nähern wir uns Köln Hbf im Schritttempo. So wird das garantiert nix mehr mit dem planmäßigen Umstieg. Wir bleiben sogar kurz stehen, fahren dann wieder an. Welches Gleis hat Murphy für uns ausgewürfelt? Als ich aussteige, muss ich lachen. Wir stehen auf Gleis 2! Also dort, wo wahrscheinlich vor 3 Minuten der RB32436 abgefahren ist. Ich sehe einige Mitreisende auf dem Bahnsteig ratlos gestikulieren. Dann kommt eine Durchsage. Die wird von einem einfahrenden ICE auf einem anderen Gleis komplett unverständlich gemacht. Doch dann ein Blick auf die Anzeige: Der ICE in den Osten, der hier hätte abfahren sollen, fällt komplett aus.
Und darunter unsere RB32436 nach Oberbarmen, die in 2 Minuten abfahren soll.
In Abschnitt A bis C, also dort, wo wir stehen.
Hier steht aber auch unser IC, mit dem wir gekommen sind.
Jetzt kommt Bewegung in die Wartenden.
Jemand hat wohl entdeckt, dass unsere RB im Abschnitt D bis F steht und wartet.
Eine spontane Völkerwanderung setzt ein.
Als wir loslaufen, fährt auch unser IC endlich zurück.
Als die ersten im Abschnitt E bei der 2.Klasse angekommen sind, fährt unsere RB32436 an.
Und hält im Abschnitt A bis C, wie eigentlich vorgesehen.
Unsere Frontrunner haben nun einen weiten Weg zurück.
Wir sind zum Glück noch nicht so weit gehechelt und sind schnell wieder am Zug.
Einsteigen, Platz sichern, und sich wohlfühlen.

Als ich unterwegs resümiere, was jetzt alles passiert ist, muss ich lachen. Murphy hat sich vertan und den IC auf das Gleis 2 gelenkt, so dass unsere RB nicht losfahren konnte. Damit hat er uns die schnelle Weiterfahrt gesichert, was bestimmt nicht seine Absicht war. Ich glaube, Murphy wird auch langsam alt und dösbattelisch, so wie ich. Ach Murphy, mein Freund! Take it easy, but take it!
Wir erreichen Vohwinkel. Der nächste Halt ist Wuppertal Hbf.
Ich denke laut. "Jetzt kann nix mehr schiefgehen!"
Der Zug sollte anfahren, tut es aber nicht. Wir stehen in Vohwinkel.
Hab ich eben zu laut gedacht? Bitte Murphy, nicht jetzt noch!
Nach zehn Minuten fahren wir weiter. Alles ist gut.

Ich lotse den Taxifahrer zum also-Hotel und freue mich, hier wieder freundlich begrüßt zu werden. Ein Jahr ist es her seit meinem letzten Besuch. Ein hartes Jahr, das Corona-Jahr. Aber das also hat überlebt, und das freut mich am meisten.

Nachmittags laufe ich dann noch ein Stündchen vom Bahnhof aus durch die Straßen und erkenne dies und jenes wieder. Dann treffe ich noch meine Lieblings-Wuppertalerin auf dem Laurentiusplatz zu Kaffee und Kuchen. Hach!

Zwei am Laurenz

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