16 September 2020

Ehre und ErBarmen

Eigentlich hatten wir heute vor, den bekannten Unterbarmer Friedhof zu besichtigen. Eigentlich wollte Fabi die Abgabe ihrer Masterarbeit auch nicht sooo lange feiern. Eigentlich war mir klar, dass Fabi, falls sie doch versackt, nicht um halb neun zum Frühstück im Hotel ist.
Bei so vielen "Eigentlichs" sagt einem eigentlich am Ende immer der Zufall, wie es wirklich weiter geht.

Im gestrigen Abend-Smalltalk mit der netten Gästin erzählt ich, was wir heute vorhaben. Sie wies mich daraufhin, dass am Donnerstag um 14 Uhr eine sehr interessante Führung über besagten Friedhof stattfindet, zu der man sich noch telefonisch anmelden könne. Im Veranstaltungsblättchen, das im Foyer auslag, fand ich den Hinweis und die Telefonnummer. Toll! Fabi muss aber am Donnerstag arbeiten, also werden wir wohl doch den Friedhof ohne Führung besuchen, weil wir das gemeinsam machen wollen.
Da der Hotelinhaber an der Rezeption zwangsläufig unsere Unterhaltung mithörte, kam ihm die rettende Idee: "Ich hab da letztens 'zufällig' weiter oben im Wald einen Kriegsgräberfriedhof gefunden, DEN müsst Ihr Euch mal ansehen!" Ja, wer sagt's denn! Jetzt muss nur noch Fabi mitspielen.
Aus dem "nicht so lange feiern" mit der Freundin wurde eine "nachts-durch-die Straßen-Tanz-Party" - und trotzdem erreichte mich um acht Uhr morgens die Nachricht, dass sie auf dem Weg zu mir ist. Respekt! Das wurde also aus den drei "Eigentlichs" - erstens kommt es zweitens anders als man drittens denkt!

Frühstück mit gutem Buddha

Nach einem leckeren und ausgiebigen Frühstück mit einem bewachsenen Buddha auf der Hotelterrasse erkundeten wir die Lage des besagten "Ehrenfriedhofs" am Notebook, er liegt ziemlich weit oben im Berghang auf der gegenüberliegenden Seite der Wupper. Wir beschlossen spontan, mit dem Auto dorthin zu fahren, obwohl uns natürlich ein einstündiger Spaziergang den Berg hoch überhaupt nichts ausgemacht hätte, an der frischen Luft, ist ja klar. Auch mit dem Auto brauchte es eine Weile, bis wir alle Serpentinen überwunden hatten. War vielleicht doch gut, zu fahren. 😏

Das Portal zum bergischen Löwen

Der Ehrenfriedhof Barmen hat eine interessante Ausstrahlung. Einerseits das Denkmal mit dem bergischen Löwen obenauf direkt hinter dem Eingang und das große Holzkreuz am oberen Hang. Andererseits überhaupt nichts Pompöses oder Verherrlichendes auf der ganzen großen Fläche im Hang, die durch Bäume, Sträucher und Wege in überschaubare Parzellen aufgeteilt ist. Man spürt eine schöne Ruhe, eine Friedhofsruhe der angenehmen Art. Fabi nutzte diese für ein Entspannungspäuschen auf Bänken und im Gras, hier oben war außer uns keine Menschenseele.

Mal im Kreis
Mal akkurate Reihen

Hier liegen die Gefallenen Soldaten beider Weltkriege, die entweder aus Barmen stammen oder hier im Lazarett gestorben sind, auch belgische und russische Menschen. Ich spazierte durch viele in Reihen und in Kreisen angeordnete Schilder und Steine, die in den Boden eingelassen waren. Die parallel laufenden Reihen in militärischer Präzision angeordnet, bei den Kreisen und Halbkreisen weiter oben wurde die Form immer aufgelockerter. Erschreckend zu lesen, welcher Blutzoll hier gezahlt wurde, wie viele junge Freiwillige das erste Kriegsjahr nicht überlebt haben. Menschenopfer, schießt es mir spontan durch den Kopf, wurden hier gebracht, vermeintlich für Führer, Volk oder Vaterland. Ich hoffe, es hat sich jemand ihrer Seelen erbarmt, die Ausstrahlung dieses Ortes suggeriert mir das. Im Anschluss an diesen Spaziergang durch die Gräber gönnten wir uns noch etwas Kaltes im Biergarten des Bergbahn-Restaurants, bevor wir wieder ins Tal der Wupper fuhren, um endlich das schon oft geplante Mittagessen im "Fancy Food" einzunehmen, einem kleinen schnuckeligen veganen Laden, der für die Qualität seines Essens bekannt ist.

Fancy Food fom Feinsten 😋

Mein großer, selbst zusammengestellter Salatteller vom Buffet war sehr lecker - und machte mich richtig satt. Zum Abschluss noch zwei prima Espresso Macchiato rundeten das Erlebte ab, so dass wir den aktiven Teil des Tages nun beendeten und wir beide uns zur Augenpflege verabschiedeten. Das Nachmittagsschläfchen auf dem Hotelbett war tief und fest, als ich aufwachte, war Fabi schon wieder im Training beim Tanzhaus. Sie ist jung und fit, sie kann das. Ich nicht!

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