13 September 2019

Abschiedsschweben und Bahnfahren

Unser letzter Tag an der Wupper ließ uns nach dem Frühstück reichlich Zeit bis zur Abfahrt. Zeit genug, um uns von unseren netten Gastgebern zu verabschieden.

Zeit genug, um nochmal durch Elberfeld zu bummeln.
Zeit genug, um mit der Schwebebahn eine komplette Fahrt bis zum einen Ende in Vohwinkel, zurück zum anderen Ende nach Oberbarmen, und wieder zurück zur Werther Brücke zu machen. Auch ein Bummel übers Werth (mit Currykrakauer/Pommes) und zur Adlerbrücke war drin.
Schwebebahnhof - Endstation Vohwinkel
Zeit genug, um nach Elberfeld zurück zu schweben, bei dem netten Händler auf dem Neumarkt eine Spezialität mit schwarzem Knobi zu erstehen und beim Italiener einen doppelten Espresso Macchiato zu genießen.

Aber halt auch Zeit genug zum Nachdenken. Wir wollten heute heimfahren, mit dem IC der Deutschen Bahn. Das Ticket war lange gebucht, die Plätze waren reserviert. DIE hatten mich seit der Rückfahrt aus Dortmund wirklich in Ruhe gelassen. Alle Busse und Schwebebahnen waren pünktlich gefahren und auch angekommen. War das alles ein Zeichen, dass DIE aufgegeben hatten, mich zu drangsalieren? Waren sie an meiner Unerschütterlichkeit endgültig zerbrochen?
Oder war es nur die Ruhe vor dem Sturm? Sammelten DIE neue Kräfte für einen letzten entscheidenden Schlag, auf der Heimreise?

Eine Stunde vor der planmäßigen Abfahrt des Zuges erreichte mich die Verspätungs-eMail der Deutschen Bahn auf dem Handy. 20 Minuten sei der Zug verspätet. Da ahnte ich: Es geht wieder los. Meine Bahn-App zeigte an, dass der Zug pünktlich sei. Die Anzeige im Bahnhof sagte, er sei 25 Minuten später. So what? Da wir, um allen Eventualitäten vorzubeugen, bereits unser Gepäck (unfallfrei) dem Schließfach entnommen hatten, beschlossen wir, Ruhe zu bewahren und uns erstmal bei Kamp's ein wenig Coffein zuzuführen. Mein Cappuccino war erträglich, mein Begleiter verzog bei seiner dunklen Plörre namens Kaffee schmerzlich sein Gesicht. Was auch immer in der Tasse gewesen sein mag, es bekam ihm nicht und dies sagte er bei der Rückgabe seiner halbvollen Tasse  auch deutlich. Die nette Verkäuferin überredete ihn leider zu einem kostenlosen Cafe Crema als Ersatz. Der war zwar geschmacklich akzeptabler, verursachte jedoch bei ihm plötzlichen Bluthochdruck mit Schwindelgefühlen. War das jetzt die neue Methode, unsere Heimfahrt zu torpedieren? Mordversuch mit Kaffeeersatz?!

Die Bahn-App sagte immer noch, der Zug sei pünktlich, aber völlig ausgebucht, wohingegen die Anzeige im Bahnhof mittlerweile 30 Minuten Verspätung anzeigte. Wir machten uns früh genug auf die Rolltreppe zum Gleis 1, die jedoch ihr Ende nicht am besagten Gleis hatte, sondern 1 Etage höher am Busbahnhof. Ok, wir schleppten die Koffer über zwei parallel verlaufende Treppen wieder hinunter und waren am Ende von Gleis 1, Abschnitt F
Hier wartete Mike T-Bone aka "Der Alterspräsident" beim Gepäck, während ich den Wagenstandanzeiger suchte - und fand. Unsere Plätze in Wagen 5 befanden sich am anderen Ende des Gleises, was uns mittlerweile nicht mehr wunderte. Und so schleppten wir unser Gerödel in Abschnitt C. Der Zug sollte an uns vorbeifahren, Wagen 5 sollte als letzter Wagen genau vor uns stehen bleiben, jedenfalls in der Theorie.
Der Zug kam auch mit halbstündiger Verspätung und fuhr tatsächlich an uns vorbei. Alle Wagen kamen in der angegebenen Reihenfolge - außer Wagen 5. Der, und das hatte ich beim Einfahren bereits gelesen, war spontan vom Ende an den Anfang des Zuges versetzt wurden. Vor uns stand Wagen 6. So sprinteten wir denn voll aufgerödelt an den Wagen 6, 7, 8 usw. vorbei, sofern die ein- und aussteigenden Reisenden uns den Platz dafür ließen. Ungefähr bei Wagen 9 hatte man schnell noch eine Baustelle am Gleis aufgebaut, die den Durchgang auf einen knappen Meter verringerte. Als wir bei Wagen 12 angekommen waren, waren alle anderen bereits eingestiegen und der Zug würde gleich weiterfahren. Also sprangen wir kurzerhand in die nächste Eingangstür, die sich auch schnell schloss. Der Zug fuhr an - und wir waren drin. Hallelujah!
Wir holten ein paar Mal tief Luft und machten uns im Zug auf den Weg weiter nach vorne. Leider musste ich hier feststellen, dass wir bereits in der 1.Klasse angelangt waren. Wo zum Teufel war Wagen 5 geblieben? Wir gingen im Zug wieder zurück in Richtung 2.Klasse, denn das Spiel mit Strafgeld wegen falschem Fahrausweis hatte ich bereits einmal erlebt, als eine unerbittliche Bahnbeamtin meinen Kollegen und mich gnadenlos in die Enge getrieben hatte. 60 Ocken pro Nase, wenn man einen Fußbreit in der falschen Klasse steht - das musste ich nicht nochmal haben.

Im Bistrowagen erklärten uns dann freundliche Mitreisende, dass unser Wagen doch an der Zugspitze war, wir aber die ganze 1.Klasse durchqueren mussten, um dorthin zu gelangen. Wir also wieder Rolle rückwärts, kämpften uns durch die gut gefüllte 1.Klasse und erblickten dann endlich das Display mit der Wagennummer 5. Der Wagen 5 im angeblich ausgebuchten Zug war bis auf 5 Menschen komplett leer, wahrscheinlich, weil ihn sonst niemand gefunden hatte.

Bei der Suche nach unseren Plätzen 21 und 22 mussten wir uns durch den ganzen Wagen kämpfen, Die Platznummern wurden immer kleiner, aber als wir bei 47 und 46 schon fast durch waren, kam mir kurz der Verdacht, dass die Nummern bei 23 aufhören würden und man alle Plätze kleiner als 23 kurzfristig demontiert hätte. Zu unserem großen Glück waren aber die beiden letzten Plätze vor dem Klo und dem Ausgang 22 und 21, kleinere Nummern gab es tatsächlich nicht mehr. Aber egal, ich hätte auch Plätze auf dem Klo genommen, Hauptsache, wir kommen irgendwie heim.

Ab Köln verstanden wir dann, was die Deutsche Bahn mit "ausgebucht" gemeint hat, denn dort spülten sie die komplette Jugendabteilung des Hockeyclubs THC Bergisch-Gladbach in unseren Wagen, gefühlte 35 aufgedrehte Jungs und Mädels im Alter von 8 bis 12. Die himmlische Ruhe im Wagen relativierte sich dadurch ein klein wenig, aber wie gesagt, Hauptsache wir kommen heim.

Und wir kamen heim. Ein letzter Störversuch noch bei der Ankunft in Andernach, als sich genau unsere Tür an der Spitze des Zuges nicht öffnen ließ, so dass ich mit brachialer Gewalt nachhelfen musste.

Als wir endlich auf dem heimischen Bahnsteig standen, musste selbst der Alterspräsident einräumen, dass er mir fortan immer glauben werde, wenn ich ihm von eigentlich unglaublichen Abenteuern mit der Bahn erzähle. In der Vergangenheit hatte er, als passionierter Nicht-Bahnfahrer, diese Reportagen oft als Seemansgarn abgetan. Aber diesbezüglich hat er eh noch einiges zu lernen. Er glaubt z.B. bis heute noch, dass die angebliche Stadt Bielefeld tatsächlich existiert. Aber das ist eine andere Geschichte.


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