26 Februar 2020

Cold town - winter in the city...

..sangen einst die Jungs von Lovin' Spoonful, oder so ähnlich. Nach den Krokusfarben gestern brachte mich der erste Blick aus dem Hotelfenster heute morgen dazu, mich wieder rumzudrehen und weiter zu träumen. Alles zugeschneit, kann doch gar nicht sein.


Joh mai, iss denn scho' Woihnochten?

Als eine halbe Stunde später nach einer Handvoll kaltem Wasser im Gesicht immer noch dieses weiße Puder vom Himmel fiel, musste ich jedoch die Realität anerkennen. Sofort dachte ich darüber nach, warum die sich am Tag meiner Heimfahrt wieder so was einfallen lassen. Aber gut, ich bin ja bahnerprobt und habe nach Jahrzehnten die nötige Gelassenheit entwickelt. Wenig später falle ich mit Fabi über das leckere Frühstücksbuffet im Hotel her, und wir beschließen damit eine schöne Zeit hier.


Nach kurzem Packen verabschieden wir voneinander uns und ich ziehe meinen Rollkoffer durch die Schnee- und Matschdecke bis zur nahen Schwebebahnstation. Der dortige Aufzug hat seine Funktion eingestellt. Also schleppe ich meinen Rollkoffer samt Rucksack rumpelnd die Treppen hoch. Geht doch! Hier macht mich die Anzeige darauf aufmerksam, dass heute alle Schwebebahnen Verspätung haben. Geschenkt. Ich hab Zeitpuffer eingeplant und gerade hat meine BahnApp mir gezeigt, dass mein ICE auch 10 Minuten Verspätung hat. Gemütlich tuckern wir zum Wuppertaler Hauptbahnhof.


Hier steigert sich die Verspätungsanzeige für meinen Zug langsam aber sicher in Richtung der Halbstundengrenze. Das heißt, dass ich den Anschlusszug in Kölle verpasste. Aber vielleicht haben bei dem Wetter ja alle Züge Verspätung. Vielleicht? Meiner hat keine, sagt die BahnApp, der ist angeblich pünktlich auf die Minute.


Bahn'sche Mathe-Regeln

Kurz bevor mein ICE endlich kommt, beweist die Bahn mal wieder einen sehr eigenen Humor:
Nach verstrichenen 23 Minuten springt die Anzeige von 15 auf 20 Minuten Verspätung, ohne dass ein Zug auch nur in Reichweite wäre.


Ich beschließe, dem Umsteigelabyrinth in Köln zu entsagen, wo wahrscheinlich alle anderen Züge Verspätung haben und keiner auf dem Gleis abfährt, das im Fahrplan angegeben ist. Da mein ICE bis Godesberg fährt, bleibe ich einfach bis Bonn Hbf sitzen, dort ist der Umstieg überschaubarer, weil es nur wenige Gleise gibt.
Bis Köln sitze ich neben einer Frau, die auf dem Weg von Hannover nach London ist. Mit der Bahn! Und sie glaubt ernsthaft, beim Umstieg in Kölle mit 46 Minuten genügend Puffer zu haben. "Machen sie mir keine Angst" ist ihre Reaktion auf mein "HA!". 10 Minuten vor Köln beginnt der Zug sukzessive bis in den Gänsemarsch zurück zu schalten. Wir haben genügend Zeit, die rechtsrheinische Landschaft zu bewundern, mittlerweile sind wir unter der Schneefallgrenze angekommen, alles grünt so grün. Der Frau neben mir fehlt jedoch die Muse dazu. Ich wünsche ihr viel Glück, als sie weitere 10 Minuten später ihr Geraffels packt und schon mal zum Ausgang geht. Gleich wird Handlungsschnellheit gefragt sein, wenn sie nicht heut Nacht irgendwo bei Brüssel stranden will, wo ihr folgender planmäßiger Umstieg stattfinden soll. Auch ihr hat die BahnApp gesagt, ihr Anschlusszug nach Brüssel sei pünktlich. Und er würde auf dem gleichen Gleis abfahren, auf dem wir ankommen. Schon zwei pünktliche Züge an diesem Tag! Nochmal "HA!" Als wir in Kölle ankommen, sehe ich sie noch auf den Bahnsteig sprinten, wende mich aber dann ab, denn dieses Drama muss ich nicht live erleben.


Ich bleibe im Zug sitzen und als wir wieder ablegen, suche ich in der BahnApp nach Anschlusszügen ab Bonn Hbf. Wir haben mittlerweile so viel Verspätung, dass ich komplett umdisponieren muss. Wann kommen wir denn überhaupt in Bonn an? Beim Blick in das ausliegende Fahrplanheft muss ich feststellen, dass dieser Zug von Berlin-Gesundbrunnen bis nach Bad Godesberg fährt, aber nicht in Bonn Hbf. hält. HÄ?! Und dies nur bis zum 31.Januar 2020. Ab dem 01.Februar fährt er lt. Bordheft von Dortmund nach Düsseldorf. Hilfe, bin ich im falschen Zug? Wir fahren jedoch eindeutig Richtung Süden, also nicht nach Düsseldorf. Einen durcheilenden Bahnbediensteten frage ich, ob wir in Bonn Hbf halten. Seine Antwort ist, er denkt schon, dass wir dort halten.


Um 12:07 wird angezeigt, dass wir um 11:57 wieder in Köln sind,
und das kurz nachdem wir Köln verlassen haben.
Die Bahn als Erfinder der Zeitreisen.

Wir haben bereits eine dreiviertel Stunde Verspätung, als die Anzeige im ICE uns signalisiert, dass der nächste Halt auf dem Weg nach Berlin(!) in Köln Hbf sei, und zwar vor zehn Minuten. Die Anzeige ist scheinbar schon auf dem Rückweg, während wir noch mit dem immer langsamer werdenden Zug Richtung Bad Godesberg zuckeln. Nun beginnt ein seltsames wiederkehrendes Geräusch mich zu irritieren. Alle 15 Sekunden ertönt für ca. 3 Sekunden ein Laut wie eine Mischung aus einem mongolischen Blashorn und dem Wehklagen eines sterbenden Esels. Selbst wenn man gar keine Ahnung von Technik hat, weiß man sofort: Hier stimmt was nicht! Als der Zug dann endlich in Bonn Hbf hält, bin ich doch erleichtert. Leider bleiben alle Türen geschlossen. Anstatt dessen erfolgt eine neue Ansage: "Liebe Fahrgäste, Der Zug hält außerplanmäßig in Bonn Hauptbahnhof. Sie können hier nicht aussteigen. Der Zug fährt in wenigen Minuten weiter nach Bonn-Bad Godesberg".

Die meisten Mitreisenden trauen diesem Zug mit seinen komischen Stimmen nicht mehr und drücken auf die Türöffner. Doch es gibt kein Entkommen. Der Zug röchelt kurz und ruckelt dann wieder langsam los in Richtung Süden. Als ich endlich aussteige, ist meine geplante Ankunft in Andernach bereits 10 Minuten vorüber - und ich stehe in Bad Godesberg. "Dieser Zug endet hier!"

Aber von hier aus bringt mich wenig später eine saubere, leere und pünktliche Regionalbahn nach Hause. Es wird auch vorher angezeigt, dass die hinteren Wagen in Remagen abgekoppelt werden und nur die vorderen Wagen bis nach Mainz weiterfahren. Wie viele Wagen abgekoppelt werden, schreibt man lieber nicht dabei, das bleibt der Phantasie des Bahnreisenden überlassen. Das wäre ja sonst auch zu einfach. Ich setze mich vorsichtshalber in den 2. (von 6 oder 7) Wagen und komme so gut gelaunt und unbeschädigt in Andernach an. Zwar mit einer Stunde Verspätung, aber bei strahlendem Sonnenschein.

Ich bin froh, wieder daheim zu sein - und weiß auch sicher: Ich werde wiederkommen und den Hardtpark bei schönerem Wetter erkunden. Und ich werde wieder im also-Hotel an der Hardt buchen, genau mein Geschmack.


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