10 Juni 2022

Was man am Rhein so erlebt

Nach einigen anstrengenden und müden Tagen konnte ich mich heute Abend endlich mal wieder zu einer kleinen Frischluftrunde aufrappeln. Was dann aus einem kurzen Spaziergang alles werden kann, ist schon abenteuerlich. Neuer Stoff für meine Zufallstheorien.

Liegen lernen am Rhein

Ich hatte mir mein aktuelles Buch eingepackt, dass so aktuell nun auch nicht mehr ist, welches Anja jedoch zur zündenden Idee für den Titel meines eigenen Romans inspirierte. Am Güterbahnhof parken, zum Bollwerk laufen, an den Rheinanlagen entlang bis mein Schrittzähler 1,5 km anzeigt. Eine Bank suchen. Setzen. Lesen. Entspannen. Ein gutes Vorhaben, dass dann von noch viel besseren Sachen umgeworfen wurde.

Gerade hatte ich mich gemütlich hingesetzt, einen Schluck Mineralwasser getrunken, mein Buch aus dem Rucksack geholt und die Entspannungsphase eingeläutet. Ein kurzer Blick nach rechts und links. Wer kommt freudestrahlend auf mich zu: Natalie und Birgit, zwei liebe Freundinnen, zu denen der Kontakt in letzter Zeit etwas abgerissen war. Die beiden setzten sich zu mir und wir hatten reichlich Gesprächsstoff, wobei "Gespräch" in meinem derzeitigen hörsturzgeschädigten Zustand das Geschehen nur unzulänglich beschreibt. Aber mit Hilfe meiner Handy-App verstand ich dann doch genug, um mich mit den beiden austauschen zu können.

Dann wurden wir auf ein kleines Küken aufmerksam, dass einsam und verlassen auf der Wiese rumtapste und offensichtlich den Kontakt zu seinem Rudel verloren hatte. Von Mutter Ente war auch weit und breit nichts zu sehen. Drei Damen übernahmen den Geleitschutz, da hier doch viele Hunde spazieren geführt werden, die sich wahrscheinlich über ein kleines Häppchen zum Abend freuen würden. Das Küken ließ sich jedoch nicht beirren und wackelte mal nach hier, dann mal nach dort. Alle waren ratlos, was tun? Anfassen soll man ja nicht, weil Mama Ente dann ihr Kind verstößt, so hatten wir das alle mal gelernt. Also tappte das hilflose Küken weiter umher und stand plötzlich zwischen meinen Schuhen, wo es sich offensichtlich sicher fühlte. 

Küken am Rhein

Hmmmmhh. Ich machte diese Foto und postete es bei Facebook mit der Bitte um Rat und Hilfe. Es kamen viele Ratschläge hier oder dort anzurufen, ich kann aber momentan wg. meiner Einschränkungen nicht telefonieren. Das Küken wanderte mittlerweile weiter und kullerte zum Strand des kleinen Deutschen Ecks hinunter, wo es bei den dort spielenden Kindern für neugierige Aufregung sorgte. Natalie und Birgit machten sich dann auch auf den Weg, als sie sahen, dass sie nichts ausrichten können. Die drei Frauen bleiben die ganze Zeit in Reichweite. Irgendwann machte ich mich dann ratlos und hilflos auch auf den Heimweg, ich war schlichtweg überfordert. Nach wenigen Metern traf ich in den Rheinanlagen eine Polizeistreife, die hier kontrollierte und sprach sie an. Die machte mir jedoch keine Hoffnung, dass sie sich dafür zustänfig fühlten. Als ich weiterging, sah ich, dass auch die Kinder ans Polizeiauto stürmten und auf die Polizisten einredeten. Würden sie vielleicht trotzdem helfen? Das schlechte Gewissen plagte mich. Dann, kurz vor dem Parkplatz, die erlösende Nachricht von meiner weitläufigen Nichte Myriam: "Ich komme und fahr das Küken zur Wildtierstation!" Super. Sie wollte von Koblenz rüberkommen und das erledigen.

Zwei Minuten später, gerade am Auto angekommen, eine weitere Nachricht von der guten Ute aus Andernach: "Ich komme zum Rhein und kümmere mich drum." Noch besser. Schnell Myriam informiert, dass sie nicht zu kommen braucht. Ab ins Auto. Und wieder zum Rhein. Auf dem Weg dorthin traf ich bereits Ute, lud sie ein und wir fuhren zurück zum "Tatort". Natürlich war auf der ganzen langen Allee am Rhein kein einziger Parkplatz frei, so dass ich Ute auf der Höhe des letzten Kükenstandorts rausließ und am Ende zurück zum Bootshaus fuhr, wo ich parken konnte. Dann wieder in den Rheinanlagen zurück, wo Ute schon am suchen war. Als sie sich dann runter an den Strand begab und das Küken an seinem letzten Standort nicht finden konnte, hörte ich oben von Celine, einer jungen Frau, die Nachricht, dass ihre Mutter das Küken bereits in einem Karton aufgenommen hat. Und ein paar Meter weiter sah ich sie dann, die drei Frauen von vorhin, die es nicht übers Herz gebracht hatten, einfach wegzugehen. Und eine davon hatte den Karton in der Hand und sagte mir, dass sie die Feuerwehr informiert hat, die bei solchen Sachen gerne hilft.

Ich war erleichtert, bedankte mich bei den Frauen und als wir die Feuerwehr im Anmarsch sahen, trat ich mit Ute den Rückweg zum Auto am Bootshaus an. So wurde aus einer kurzen Frischluftrunde eine Reise mit Wiedersehen von Freunden und mit Kükenrettung, die von sieben Uhr bis halb zehn dauerte. Ich merke beim Niederschreiben dieser Zeilen, dass es mir aller Aufregung zum Trotz sehr gut getan hat, ein positives Ende zu erleben.

Ein dickes Dankeschön an Myriam, Ute und die drei Frauen, die letztendlich das Küken gerettet haben, aber auch an alle anderen, sie sich mit Ratschlägen bemüht haben, dabei zu helfen. Und natürlich der Freiwilligen Feuerwehr Andernach, die immer da ist, wenn Menschen oder Tiere in Not sind.

2 Kommentare:

  1. Anonym01:20

    Noch ein Grund mehr sich einer OP zu unterziehen.Das Küken hat dich gesucht und gefunden.

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    1. Das mach ich sowieso, um wieder fit zu werden. Will noch was vom Leben haben.

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