27 Dezember 2015

2015 - Teil 2: Nachhaltige Ideen

Im Rückblick auf das Jahr 2015 fallen mir neben den wichtigen persönlichen Dingen auch einige "nachhaltige" Projekte auf, zu denen ich Anstöße geben konnte. Die Auslöser dafür, dass ich plötzlich viele Ideen hatte, dass mir viele Dinge auffielen, die ich vorher nicht gesehen hatte, waren 2 Ereignisse:

  • Ein dienstliches Seminar Ende 2014, in dem die Abschlussübung darin bestand, Zukunftsvisionen für die Stadt Andernach zu entwickeln und zu formulieren.
  • Meine erste Saft-Fastenwoche im Frühjahr 2015.

Diese "Veranstaltungen" lösten einen
Schub von kreativen Prozessen bei mir aus, stärkten die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und förderten die Energie, daraus Projekte zu machen und diese voran zu treiben. Als wenn die beiden Stufen eines Triebwerks gezündet würden. Ich weiß, das klingt schon ziemlich verrückt, war aber so. Das meiste drehte sich um die Erkenntnis, dass nachhaltiges, also sauberes, faires und sozialverträgliches Leben, wirklich umsetzbar ist. Mir fällt dazu der alte Leitspruch ein: "Es gibt nichts Gutes außer man tut es."

Hier gibt es auch einige direkte Überschneidungen mit dem persönlichen Bereich, den ich bereits gestern beschrieben hab.
  • Das Konto bei der GLS-Bank endlich eröffnen.
  • Das saubere Waschmittel der waschkampagne benutzen. (Danke, Ricarda!)
  • Die Wurst seit kurzem beim Metzger in Bio-Qualität holen.
Und dann: Obst und Gemüse in zertifizierter Bio-Qualität? In Andernach Fehlanzeige. Also hab ich die Inhaberin des Obst- und Gemüseladens in der Kramgasse angesprochen, ihr eine Woche später alle Bio-Bezugsquellen für Händler im Umkreis und alle nötigen Infos über Zertifizierungen von demeter, bioland und naturland übergeben, und siehe da: 2 Wochen danach stand das Regal mit zertifizierter Bioware im Laden und steht heute noch da. (Danke, Saadet!)

Meine geliebten Espressokapseln von Lavazza Blue sind weiterhin umwelttechnisch eine Riesensauerei, geschmackstechnisch leider für mich unverzichtbar. Ich entdeckte im Netz einen neuen Hersteller mit wirklich kompostierbaren Kapseln und bezahlbaren Maschinen, der zudem auch viele Blindverkostungen gewinnt. Also hab ich den Kontakt aufgenommen, man hat mir die Leihstellung einer Vorführmaschine angeboten, aber die öko-fairen Kapseln dazu sind mir zu teuer. Vielleicht sind sie ihr Geld wert, mir ist jedoch Kaffee grundsätzlich nicht so viel wert. Daher hab ich von einer Leihstellung abgesehen und stattdessen meinen Kaffeehändler, bei dem ich monatlich große Sammelbestellungen mache, mit dem Hersteller der Ökokapseln zusammengebracht, um eine preiswertere Belieferung hinzukriegen. Die beiden wurden sich leider nicht einig, so dass ich das Projekt "Umstellung auf saubere ökofaire Kapseln" erstmal auf 2016 verschoben hab. Lavazza hat für 2016 eine kompostierbare Serie angekündigt, mal schauen, was das Jahr bringt.

Gerade konnte ich nochmal Bewegung in eine andere Sache bringen, die fairen Grabsteine. Andernach hat vor 8 Jahren versucht, nur noch ohne Kinderarbeit hergestellte Grabsteine auf den Friedhöfen zuzulassen, wurde jedoch aufgrund einer Normenkontrollklage vor dem OVG zurückgepfiffen. Hier konnte ich eine offizielle Stellungnahme des "Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (BMZ) erreichen, die erfreuliche Fakten und Aussichten enthält. Da könnte in 2016 etwas draus werden. (Danke, Helene!)

Ein weiteres erfreuliches Projekt begann ganz klein. Ich wollte die lokale Steuerungsgruppe Fairtrade-Town mit der Idee zu einem workshop "urban mining" beglücken, in welchem Smartphones auseinandergebaut werden. Hier sollen die Funktion und der Herstellungsprozess der Einzelteile erklärt werden, um den Menschen bewusst zu machen, welchen oft menschenunwürdigen Arbeiten es zu verdanken ist, dass wir diese technischen Meisterwerke für 99 Euro im Discount kaufen können. Mein Versuch, dieses "Päckchen" bei der Gruppe abzuliefern, endete damit, dass ich a) Mitglied der Gruppe bin, b) das Projekt selbst mit durchführe und c) aus dem 2-Stunden-Workshop eine komplette Schulprojektwoche zum Thema "Faire Smartphones" im März 2016 geworden ist. Der workshop selbst ist einer von vielen Bestandteilen der Projektwoche, die Übersetzung der beiden vorhandenen Manuals vom englischen ins deutsche konnte ich mit Hilfe einer Facebook-community organisieren. Die Ergebnisse stehen demnächst frei abrufbar im Internet.

Die Leerstände der Ladenlokale speziell in der Andernacher Innenstadt waren mir wiederholt negativ ins Auge gefallen. Mit den KollegInnen der Wirtschaftsförderung konnte ich einige Ideen in einem langen konstruktiven Treffen einbringen. Da ich glaube, dass Andernach durch die Entwicklung der letzten Jahre (Permakultur, essbare Stadt, Geysir, Fairtrade-Town,...)  prädestiniert ist, eine nachhaltige Stadt zu werden, ist es mein Ziel, verstärkt nachhaltige Geschäfte in die Stadt zu bringen. Es gibt gerade in den letzten Jahren immer mehr Unternehmen in allen Bereichen, die beweisen, dass man auch sauber und fair Geld verdienen kann. Auch in der Stadthausgalerie gibt es von Beginn an (2009) Leerstände. Auch hier habe ich mit verantwortlichen Personen konstruktive Gespräche geführt und sie mit groben Konzeptentwürfen und einigen Namen von nachhaltigen Unternehmen versorgt, die hier gut hinpassen würden. Ich hoffe, dass diese Entwicklung in 2016 mehr Früchte trägt als bisher.

Dann waren da noch die Themen Müll und Energie. Mit beiden Themen bin ich auch dienstlich beschäftigt. Da die Entsorgung von Einwegwindeln auch im neuen Kreisabfallkonzept m.E. nicht zufriedenstellend gelöst ist, habe ich Informationen gesammelt, einige Berechnungen angestellt (eine Riesenmenge Windeln jedes Jahr allein in Andernach), einige Gespräche mit Heizkraftwerksbetreibern, Kreisverwaltung, Entsorgern etc. geführt und am Ende ein Konzept mit einem eigenen Windelheizkraftwerk, wie es in bereits in Süddeutschland existiert, erstellt. Darin sind Ideen für mögliche Wärmeabnahmebetriebe genauso vorgesehen wie parallel Ideen zur Reduzierung der Einwegwindeln. Alle Infos und Konzepte habe ich am Ende an die zuständigen Kollegen weitergegeben und ich weiß auch, dass dies weiterverfolgt wird.
Das betrifft ebenso die alternative Stromerzeugung mit Fluss-Turbinen im Rhein. Wenn das ökonomisch vertretbar zu realisieren wäre, würde das Andernach sicher gut zu Gesicht stehen.

Ein gutes Beispiel für eine Kreislaufwirtschaft ist cradle2cradle (c2c). Produkte mit einem intelligenten Design herzustellen, so dass am Ende des Kreislaufs nur noch Rohstoffe für die Herstellung des nächsten Teils und/oder kompostierbarer Dünger steht, ist ein sinnvolles Ziel. Ähnliches macht die Permakultur im ökologischen Bereich. Ein namhafter Hersteller von Reinigungsmitteln, mit dessen Produkten wir bereits die städtischen Objekte beliefern lassen, hat nun eine ganze Produktserie c2c-zertifizieren lassen. Spontan haben wir beschlossen, ein städtisches Vorzeigeobjekt versuchsweise nur noch mit solchen Produkten reinigen zu lassen. Vorgespräche sind geführt, die weiteren Gespräche darüber mit dem Hersteller und den Verantwortlichen werden im Januar stattfinden.

Und dann waren da noch einige interessante Start-Ups, an deren Gründung ich mich über crowdfunding in kleinem Maße beteiligt habe. Das Monagoo-Projekt mit bio-fairtrade für große Textilien ist leider gescheitert, aber z.B. der Onlineshop von cradlelution wurde erfolgreich in Betrieb genommen. Und ich freue mich sehr darauf, die beiden Gründer im Februar in Hamburg auf dem Heldenmarkt persönlich kennen zu lernen.
selosoda mit Produkten aus der Kaffeekirsche ist ein weiteres Beispiel. Von der Kaffeefrucht wird bisher nur der Kern, die Bohne verwertet. Das Fruchtfleisch wird als Abfall entsorgt. Völlig unnötig, sagen die Gründer, und produzieren aus der Frucht ungesüßte koffeinhaltige Getränke.  Das crowdfunding läuft noch. Wer sich solche spannenden Sachen mal näher anschauen will, dem rate ich, bei der Plattform startnext reinzuschauen. Es ist echt verrückt, wie viele gute Ideen es gibt.

Und damit endet der Rückblick auf die nachhaltigen Projekt-Ideen 2015. 
Wie man sieht, konnten natürlich nicht alle Ideen in die Tat umgesetzt werden. Aber allein die Beschäftigung mit diesen Themen finde ich enorm spannend, dabei kommen mir immer wieder neue Zusammenhänge und andere Möglichkeiten in den Sinn. Für Rückmeldungen und Anregungen bin ich Euch dankbar.

 Hier geht's zu Nager-IT
As fair as possible: Die Nager-Maus
Kleiner Nachtrag: Nach Gesprächen mit dem Hersteller, unserem IT-Leiter und dem IT-Lieferanten konnte ich für das Personalratsbüro die fairste Computermaus der Welt anschaffen.


25 Dezember 2015

2015 - Teil 1: How did it feel?

Ich hab lange nach einem Motto für den persönlichen Jahresrückblick gesucht. Und irgendwann ein passendes gefunden. Und das dann noch gefühlte drölfzig Mal umgeändert. Das endende Jahr will partout nicht in EINE Kategorie fallen. Zu viel ist geschehen. Zu viele Türen und Fenster, die sich schlossen und öffneten. Wenig Schließungen, viele Öffnungen, das kann ich festhalten.
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Am Laacher See
Wieso ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Rückblick auf das vergangene Jahr mache? Den Anstoß hat mir meine liebe Kollegin und Freundin Caroli gegeben, bei einem langen Spaziergang am Laacher See, vor ein paar Wochen. Achtsamkeit war eins unserer Gesprächsthemen. Hinschauen, was ist jetzt los? Wie geht's mir jetzt? Gut! Bedrückt mich jetzt irgendwas? Die Wunschantwort "Nein" konnte ich nicht ehrlich geben. Im weiteren Gespräch erzählte Caroli mir dann von abendlichen Momenten des Hinschauens und Resümierens, wie war der Tag? Was war schön, was nicht so schön? Klar, hab alles schon öfter mal gehört, aber nie wirklich gemacht. Diesmal hat es mich bewegt. Bei mir wurde etwas ausgelöst:
HINSCHAUEN! WAS MACH ICH DA?
Und so sitz ich nun daheim, denke über das vergangene Jahr nach, und verspüre zum ersten Mal in meinem Leben den Wunsch, hinzuschauen und aufzuschreiben, was denn los war in meinem Leben im letzten Jahr. Es war viel los. Und nachdem ich mir in 2 kleinen Mindmaps die persönlichen und die öffentlichen Veränderungen skizziert habe, will ich es nun auch in Worte fassen.

Teil 1: Persönliches

Sonntags im Park
Der Tod meiner Mutter war sicher das Einschneidenste in diesem Jahr. Nach all den mühsamen Jahren seit Vaters Tod vor 4 Jahren hatte sich die Situation für uns alle zugespitzt. Und so war es am Ende eine Erlösung für alle. Sie braucht sich nun keinen Tag länger im ungeliebten Seniorenheim zu quälen. Wir müssen uns nicht mehr täglich anhören, wie schlimm das alles für sie ist. Wie schlecht das Essen ist, wie schlecht das Personal mit ihr umgeht. Und wir brauchen uns keinerlei Vorwürfe zu machen, uns nicht genügend um sie gekümmert zu haben.
Es gab davor und gibt danach vieles zu regeln, mit Kranken- und Pflegekasse, mit dem Pflegedienst, mit den Kliniken, Pflegeheimen, ÄrztInnen, Versicherungen, mit dem Familiengericht, dem Gesundheitsamt, den Banken, den Grundbuchämtern und Notaren, dem Finanzamt, der Steuerkanzlei und dem Friedhofsgärtner. Jeder, der seine Eltern verloren hat, kennt das.
Da bin ich heilfroh, dass ich mit dem besten Brüderchen gesegnet bin, dass ich mir vorstellen kann. Wir konnten wirklich alles einvernehmlich regeln und die anfallenden Pflichten ohne ein böses Wort freiwillig aufteilen. Das war und ist eine Riesenerleichterung, wir haben beide schon miterlebt, wie das auch anders aussehen kann.
Und so schließt sich auch positiv an, dass mein weiterer Lebensweg nun etwas geplanter verläuft als das im bisherigen Leben der Fall war. Die Reduzierung des Jobs auf halbtags in anderthalb Jahren und der Umzug "back to the roots" sind beschlossene Sache.

Ich war mir sicher, das alles gut verarbeitet zu haben. Als mich dann im November der HNO fragte, ob ich Stress hätte, musste ich einsehen, dass mir doch nicht alles in den Klamotten hängen geblieben ist. Ich hatte Glück, der Hörsturz war relativ schnell behoben und zog keine gravierenden Schäden nach sich. Aber es war auch ein weiteres Warnsignal: Genauer hinsehen!

Bioware in der Kramgasse
Im Vorgriff auf die "öffentlichen" Projekte gibt es einiges im Bereich Nachhaltigkeit, dass ich in meinem persönlichen Verhalten geändert habe. Nachdem ich mein Obst und Gemüse nun in Andernach in Bio-Qualität kaufe, im Laden der Durans oder im faiRegio-Laden, wo die Produkte der Permakultur verkauft werden, habe ich nun auch eine Metzgerei namens Becker gefunden, die Wurst und Fleisch in Bio-Qualität anbietet. Die Eifeler Backstube bietet seit langem Bioland-Produkte an. Ok, meine Lieblingsbäckerin konnte ich noch nicht dazu bewegen, auch bio zu produzieren, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Beim intelligent-sauberen Waschmittel der waschkampagne bin ich fündig geworden, und konnte auch einige Freunde zum Mitmachen bewegen, so dass die Sammelbestellungen zukünftig Sinn machen. Mein Konto bei der fairen GLS-Bank hab ich im Sommer eröffnet und sobald ich alles umgestellt hab, werd ich bei einer anderen großen Bank kündigen.
Bei den Kaffeekapseln klemmt es noch, die guten kompostierbaren von beanarella sind mir zu teuer, der (gelungene) Versuch, meinen Händler direkt mit den Herstellern zusammenzubringen, verlief leider ohne Ergebnis. So warte ich nun auf die für 2016 angekündigten kompostierbaren Kapseln von Lavazza. Vielleicht werden im Zuge der zunehmenden Konkurrenzsituation auch die Kapseln von beanarella erschwinglich, denn die sind nicht nur kompostierbar, sondern auch größtenteils mit bio-fairem Espresso gefüllt.

Noch was ganz Wichtiges hätt ich fast vergessen: Ich hab mich endlich angemeldet und bin nun Mitglied im geilsten Club der Welt:

Im Teil 2 werde ich über all die anderen Ideen und Projekte im Themenbereich Nachhaltigkeit berichten, in welche im letzten Jahr mein Herzblut geflossen ist.

02 Dezember 2015

Schreiben!

Im April 2016 beginnt ein Kurs bei der VHS Andernach, auf den ich mich schon sehr lange gefreut hab:

kreatives
SCHREIBEN!

Die in Andernach lebende Autorin Gabriele Keiser wird versuchen, uns die Basiskenntnisse des kreativen Schreibens zu vermitteln. Einige Freunde des gedruckten Wortes haben sich bereits angemeldet, ich denke, wir werden den Teilnehmerkreis schnell gefüllt haben.
Übrigens: Hier geht's zur Anmeldung.

Ich hab nun seit 10 Jahren Spaß daran, dieses blog von Zeit zu Zeit mit Wörtern und Sätzen zu füllen.
Jedesmal hau ich alles so rein, wie es ungefiltert vom Kopf oder aus dem Herz direkt in die Tasten fließt.
Jedesmal betrachte ich dann das Geschriebene, lese nochmal drüber, bevor ich es ins Netz stelle - und denke an einigen Passagen "Hmmh, das hier hört sich jetzt irgendwie komisch an!" und drehe und ersetze solange an jeder Stelle, bis es sich für mich nicht mehr komisch, sondern irgendwie passend anhört.
Nie kann ich hinterher erklären, warum das nicht auf Anhieb gepasst hat und was genau vorher falsch war und jetzt richtig - wenn es denn überhaupt jetzt "richtig" ist.
Ich hoffe, dass mir im Kurs einiges an Grundwissen vermittelt wird, damit ich zukünftig mit weniger Korrekturaufwand direkt so schreiben kann, dass es passt. Da ich in meiner Vergangenheit nur wenige Fehler ausgelassen und einige "interessante" Zeiten erlebt habe (mir gefällt die Formulierung: "Der hat außer'm Hängen schon alles hinter sich")  ist auch die Vorstellung, vielleicht mal Autobiografisches in Form von Kurzgeschichten oder kleinen Romanen zu verarbeiten, ein reizvoller Gedanke. Möglicherweise hab ich ja demnächst mehr Zeit für sowas.

29 November 2015

Der Lobbyismus im Deutschen Bundestag
aka Banana Republic


Lobbyisten, was sind das überhaupt für Leute?
Da ich die Bedeutung auch nur vage, aus dem Bauch heraus, kannte, hier die Herkunft des Wortes, wie Wikipedia es erklärt:

Der Begriff geht auf die Lobby (englisch für „Vorhalle“) des Parlaments zurück, in der Vertreter verschiedener Gruppen Parlamentarier an die Möglichkeit ihrer Abwahl erinnerten und auch Vor- oder Nachteile für bestimmtes Verhalten in Aussicht stellten.

Ok, in der Vorhalle des Bundestags lagern also Vertreter, die die Abgeordneten in ihren Entscheidungen beeinflussen wollen. Nun kommt in den Bundestag nicht jeder rein, das ist auch gut so. Es ist so geregelt, dass die Interessengruppen, Firmen und Verbände bei den Bundestagsparteien Hausausweise beantragen können, mit denen sie dann die heiligen Hallen, das vermeintliche Zentrum der Macht, betreten können, wann immer sie wollen. Aktuell gibt es eine seltsame Auseinandersetzung über die Offenlegung dieser ausgestellten Ausweise. Die Organisation abgeordnetenwatch (der Name sagt schon, um was es geht) hat alle Fraktionen gebeten, offenzulegen, wem sie per Hausausweis Zutritt zum Parlament gegeben haben. Grüne und Linke haben dies sofort getan, die SPD hat dies zuerst abgelehnt, später dann doch getan, als der Druck der Öffentlichkeit größer wurde und man ahnte, dass eine Verheimlichung nicht gut ankommt. Die CDU/CSU hat es bis zum Schluß abgelehnt und wurde letzte Woche vom Gericht verdonnert, es zu tun. Der Berliner Tagesspiegel hatte wg. Verletzung der Pressefreiheit geklagt.

Nun liegen sie vor, die Listen. Und im Großen und Ganzen überrascht es niemanden. Von Industriekonzernen, die ihr Geld weiterhin mit Rüstungsgeschäften, Fracking und anderen fragwürdigen Aktivitäten verdienen wollen, wird überwiegend die CDU/CSU heimgesucht. Die SPD kriegt hier nur die Anstandsbrösel ab. Die Gewerkschaften sitzen eher bei der SPD am Kaffeetisch, und idealistische Überzeugungstäter wie Umweltverbände und Solartechniker fühlen sich bei den Grünen wohl.

Auf den ersten Blick überrascht, dass von den 1100 Lobby-Ausweisen, die seit Beginn der Legislaturperiode ausgestellt wurden, 765 von der CDU/CSU kamen. Woran liegt das? Klüngeln die Lobbyisten lieber mit denen, weil sie da mehr erreichen können? Sind die empfänglicher für Drohungen und Wohltaten, Zuckerbrot und Peitsche, für Deals irgendwelcher Art?
Oder haben die Gewerkschaften und Umweltverbände auf der anderen rotgrünen Seite weniger Lobbyarbeit nötig, weil viele Abgeordnete von SPD und Grünen selbst Gewerkschafter oder Naturschützer sind, aber kaum ein Vorstandsmitglied eines Rüstungskonzerns direkt für die Union im Bundestag sitzt? 

Noch interessanter wird es, wenn man diese Fragen mit dem Blick auf die Nebeneinkünfte der Abgeordneten verbindet. Es wird nicht überraschen, dass viele Abgeordnete für Redeauftritte bei Firmen und Interessenverbänden gut entlohnt werden, die den Lobbyisten sehr nahe stehen, mit denen man im Bundestag Kaffee trinkt. Kleine Randnotiz: Letztes Jahr hatte der bayrische Abgeordnete Peter Gauweiler zwar keine Zeit, an irgendeiner Abstimmung teilzunehmen, aber genügend Zeit, mit seinen Nebeneinkünften die 1 Millionen-Euro-Marke zu knacken.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber im Ernst: Dass unsere Wahldemokratie in vielen Bereichen unsauber und korrupt ist, weiß ich nicht erst seit diesem Kasperletheater um die Lobbyausweise. Und dass ich, wenn ich mich ernsthaft für Umweltschutz, Frieden und Gerechtigkeit einsetze, die großen Parteien gar nicht wählen kann und bei den Grünen drauf hoffen muss, dass der Anteil der Ehrlichen und Anständigen groß genug bleibt, weiß ich doch selbst. Macht verführt, und wir Menschen sind verführbar und fehlbar, wir alle.
Lasst uns weiter das Beste draus machen, wir können wählen, wir können die Klappe aufmachen, die Finger in die Wunden legen. Die Regierungsformen, in denen man dafür gefoltert oder enthauptet wird, sind noch viel schlimmer.


The Boomtown Rats -- Banana Republic

22 November 2015

Der Föhn im Ohr und andere Unannehmlichkeiten

Eigentlich sollte es zum Jahresende langsam ruhiger werden, wenn die beruflich letzten Aufreger absolviert sind. Eigentlich, jeder weiß, was das heißt, nämlich so viel wie "nicht wirklich".
Seit vielen Wochen und Monaten häufen sich die vergessenen Namen und die Wortfindungsprobleme kontinuierlich, so dass ich die ärztliche Konsultation gesucht habe, die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.
Vor anderthalb Wochen kam Rücken dazu. Verhoben beim Aufbau der Versammlung, beim Tischestellen. Wird langsam besser, ist aber noch lange nicht gut. Ärgerlich.
Und seit letzten Mittwoch bläst mir ein Föhn ins linke Ohr, gleiches Geräusch, gleiche Lautstärke. Der HNO sagt Hörsturz, fragt nach der Untersuchung, ob ich Stress hatte, und spritzt und verschreibt mir Cortison. Gestern bläst der Föhn zum ersten Mal etwas leiser, heute nochmal einen Tick leiser. Morgen früh Nachuntersuchung.

(C)Creative Common License

Es fühlt sich für mich an, als ginge mir langsam die Luft aus. Das wär schade, auf der Zielgeraden des Berufslebens, die Auslaufzone in Sichtweite. Noch anderthalb Jahre Fulltime, dann halbtags weitermachen, das ist der Plan. Diese Entscheidung ist innerlich schon länger gefallen.

Wo liegen die Ursachen? Und vor allem, wie komm ich unbeschadet bis hinter die Ziellinie?
Der private Stress nach dem Tod meiner alten Dame und allem, was seitdem so folgt, lässt sich nicht komplett vermeiden. Ich habe ihn jedoch so gering wie möglich gehalten. Und das bleibt auch so. Ich hab den besten Bruder der Welt. Wir lassen uns genug Zeit mit allem, es läuft uns nichts weg.
Die persönlichen Herzblut-Dinge tun mir gut. Nachhaltige und visionäre Projekte wie Faire Banken, Smartphones und Grabsteine, Biogemüse in Andernach, VHS-Kurs kreatives Schreiben usw. begeistern mich, und auch hier stecke ich den Rahmen gut ab, gebe an den richtigen Stellen ab, wenn die Dinge in die Wege geleitet sind. Skat-, Vinyl-, Schlemmer- und Klönabende mit Freunden geniesse ich. Die nötigen Auszeiten nehme ich mir auch. Alles ok.
Der berufliche Stress ist nicht schlimmer als bei vielen anderen Kollegen. Er hat sich für mich angefühlt, als käme er nicht nah genug an mich heran, als könne ich die nötige Distanz einhalten. Es scheint so, als habe ich mich getäuscht. Ich merke nun im Rückblick, dass ich mit zunehmendem Alter weniger belastbar bin, dass ich manche Dinge doch zu nah an mich heran lasse, dass mich berufliche Dinge in der Art und Weise, wie ich sie bisher angehe, doch mehr belasten, als ich es bisher wahrhaben wollte. Der Ärger über manche Dinge, die ich weder zu verantworten habe noch ändern kann, grummelt in mir drin, gräbt sich durch meine Psyche, von ganz tief unten bis - ja jetzt sogar bis ins Mittelohr.
Damit ichs nicht vergesse:


Gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann
und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden


08 November 2015

Die kulturelle Identität

Um diese Jahreszeit liest man es in den sozialen Medien immer wieder:

Ich gehe mit meinen Kindern zum St. Martins Umzug (nicht zum 'Sonne-und-Mond-Sterne-Fest). Im Dezember freuen wir uns auf den Christkindlsmarkt (nicht auf den "Wintermarkt") und auf die Adventsbeleuchtung (nicht die "Winterbeleuchtung") und feiern dann Weihnachten (und keine "Jahresendfeier").

Ich halte viel von Toleranz und Rücksichtnahme. Nichts halte ich allerdings von den Vollidioten, die meinen, dass wir in unserem eigenen Land unsere eigenen Traditionen und unsere kulturelle Identität aufgeben sollten.


Das stimmt mich zunehmend nachdenklich. St.Martin, Christkind, Advent und Weihnachten sind allesamt Begriffe einer kirchlichen Tradition, die von den allermeisten Menschen schon lange nicht mehr gelebt wird. Zu der gleichen Tradition gehören aktuell auch ein Frauenverbot in allen Führungspositionen, Sexualitätsverbot für Priester, Verlust von Sakramentsrechten bei Geschiedenen, Diskriminierung von Homosexuellen und Androhung von Hölle und Fegefeuer für Todsünden, deren Definition man sich selbst ausgedacht hat. 
Da Martin, Christkind & Co. jedoch eher aus der Vergangenheit stammen, passen sie vielleicht besser zu Inquisition, Hexenverbrennung und Verfolgung Andersgläubiger, die ebenfalls jahrhundertelang praktiziert wurden.
Will sagen: Das sind Traditionen, von denen ich mich aufs heftigste distanziere, und daher ist es mir auch nicht wichtig, wie der Umzug genannt wird oder wie diese Feste oder diese Märkte genannt werden und es erschließt sich mir auch nicht, wie das sonst jemand wichtig sein kann.
Das Kinder gerne einen Umzug mit Fackeln, Liedern, großem Feuer und anschließendem Weck machen, dass sie sich über einen Mann auf dem Pferd freuen, das kann ich sehr gut verstehen, auch wenn ich keine eigenen Kinder hab. Alle Kinder freuen sich auf die Geschenke an Weihnachten und auf ein harmonisches familiäres Beisammensein. Ok, das zweite nur bis zur Pubertät. Wir waren doch alle mal Kinder und sollten das auch nicht vergessen.
Die Weckmänner
Diese Feste sind für viele Erwachsene, die sie noch begehen, doch längst entkoppelt vom ursprünglichen Sinn. In vielen Fällen ist die eigentliche Entstehung der Feste eh nicht mehr rekonstruierbar, viele kirchliche Feste kannten die ursprünglichen Christen gar nicht, vieles hat sich die römisch-katholische Kirche im Lauf der Jahrhunderte ausgedacht. Vieles entstand durch die Vermischung mit einheimischen "heidnischen" Traditionen.

Worauf ich hinaus will: Das ist nicht meine kulturelle Identität. Wenn jemand sich die Benamung dieser 4 Traditionen rauspickt, alle anderen Traditionen in diesem Kontext weg lässt, und erklärt, dass ihm allein diese Namen wichtig sind, und dass alle anderen, die das nicht so sehen, Vollidioten sind, dann mutet es sehr eigenartig an, wenn er gleichzeitig behauptet, viel von Toleranz und Rücksichtnahme zu halten.

Nennt die Feste, wie ihr wollt. Achtet lieber darauf, dass ihr den Kindern Werte wie Hilfsbereitschaft, Liebe und Respekt vermittelt. Toleranz und Rücksichtnahme zu leben, das ist viel wichtiger als das Beharren auf Namen aus einer oft sehr unheiligen Tradition.

07 November 2015

Geballte Ladung Kultur und Wissenschaft

Ein schönes Wochenende nimmt kein Ende. Am Freitag hat die Andernacher Lesenacht, diesmal nicht ganz so umfangreich, für Fabienne und mich das Wochenende eröffnet. Wir waren überrascht, dass wir am Eingang zwei der letzten Karten ergattern konnten, an eine vorzeitige Reservierung hatte ich überhaupt keinen Gedanken verschwendet. Nächstes Jahr werd ich mir vorher Karten sichern.
Manuel Andrack eröffnete sympathisch locker mit interessanten und lustigen Geschichten aus seinen Wanderbüchern. Mit Schwaben oder Römern unterwegs zu sein, bürgt für manche Überraschung.
Anschliießend beeindruckte Wolfgang Redwanz mit seinen imposanten Fotos und interessanten Berichten aus der Welt der Berge.

Nach einer halbstündigen Pause bei Kerstin waren wir dann alle gespannt auf das neue Format "Travelslam", welches den Abschluss des Abends bildete. Ich fand es sehr gelungen, wenn auch kleinere Schwächen im Vortrag der Unerfahrenheit der Vortragenden zuzuschreiben war. Es war jedoch jederzeit interessant und kurzweilig. Und es fand mit Tanja Ney und ihrem Reisebericht über Island einen verdienten Sieger.
Fazit: Wolfram Mayer, Charlotte Everling und ihre Teams haben ganze Arbeit geleistet und eine gute Veranstaltung präsentiert.

Und am Samstag ging's weiter in der Nacht der Technik im Kompetenzzentrum der Koblenzer Handwerkskammer.
Diese Veranstaltung geht mittlerweile ins 10. Jahr und hatte auch diesmal unglaublich viele interessante Programmpunkte zu bieten. So viel, dass ich von den 20 Punkten, die mich am meisten interessierten, nur ganze 3 Vorträge besuchen konnte. Aber ich glaube, mehr geht eh nicht in die Birne, ich bin ja keine 57 mehr.
Die Veranstaltung begann bereits um 14 Uhr, ich hatte mir jedoch halb sechs als Startpunkt gesetzt, da ich nach der letzten kurzen Nacht den frühen Nachmittag nochmal zur Augenpflege genutzt habe. Als ich kurz nach fünf in der August-Horch.-Straße eintraf, war die Aussage im Programmheft "Es stehen genügend Parkplätze zur Verfügung" bereits Makulatur und ich wurde überall weiter gewunken. Das hatte ich eingeplant, da es in den letzten Jahren stets ähnlich war. Im technischen Kompetenzzentrum gibt es anscheinend niemanden, der in der Lage ist, diesen Satz aus der Druckvorlage zu löschen. Auf mein Glück der Doofen konnte ich mich auch in diesem Jahr wieder verlassen. Nach Drehen und zurückfahren wurde genau vor mir ein einzelner Parkplatz frei, so dass ich pünktlich kurz vor halb sechs in Raum 2.08 eintraf. Hier hielt Prof. Dr. Ulrich Furbach eine Einführung ins Cognitive Computing, einen Teilbereich der KI. In der kurzen Zeit konnte er nur im Schweinsgalopp durch die Themen jagen, dies jedoch in einer saloppen charmanten Art. Ich fand's hochinteressant, zu sehen, mit welchen Problemfeldern man zu tun  hat, allein wenn man einem Computer das Verstehen einer Frage in menschlicher Sprache beibringen will.

Nach einem kurzen Imbiss ging's dann zum Vortrag "Smart City", der mich ein wenig enttäuscht hat, ging es doch überwiegend um das Projekt The Crystal in London und um Selbstdarstellung der Firma Siemens.
The Crystal - London
Auch war der Vortrag zwar bebildert, wirkte aber oft schematisch abgelesen.

Nun hatten sich Fabienne und Dennis angesagt. Wir suchten vergeblich das Schokoladenlabor und den Pfannkuchenkonfigurator. Vermutlich waren die zur Abendstunde schon wieder abgebaut. Dafür landeten wir versehentlich in einem Raum, wo ein Upcycling von der Kittelschürze zum Sommerkleid mittels Nadel und Faden demonstriert wurde. Wir konnten Fabi nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit nur mit Mühe wieder dazu bringen, mit uns weiter zu gehen.

Dafür war Ihr Ratschlag, uns zum 9-Uhr-Event "Visionen aus Star Trek" mit Dr. Hubert Zitt schon eine halbe Stunde vorher anzustellen, Gold wert. Da stand schon eine Schlange aus fast 50 Leuten, und die Tür des Veranstaltungsraums wurde erst um kurz vor 9 geöffnet. Die Schlange hinter uns war mittlerweile auf die Einwohnerzahl einer Kleinstadt angewachsen - und wir hatten hervorragende Sitzplätze in einer Super-Veranstaltung.
Dr.Hubert Zitt
Das war mein persönliches Highlight des Tages. Und es war keinesfalls pure Schwelgerei in alten Captain-Kirk- und Mr.Spock-Zeiten, sondern die sympathische Vermittlung von interessanten Informationen, optisch belegt von einigen Original-Filmsequenzen aus der Serie. Wer wusste schon, dass Faxgerät, Disketten, Flachbildschirm und viele andere Dinge auf der Enterprise bereits benutzt wurden, als sie in der Realität noch gar nicht erfunden bzw. im Einsatz waren? Das dauerte eine gute Stunde und wurde nie langweilig.

Als wir wieder draußen an der Luft standen, war der Entschluss, heimzufahren schnell gefasst. Nach 5 Stunden war meine Aufnahmekapazität restlos erschöpft. Vieles fiel der knappen Zeit zum Opfer, ich würde mir wünschen, dass die Veranstaltung über ein ganzes Wochenende oder zumindest 2 Tage ginge, denn die SciFi-Lesungen oder den Vortrag von Dr.Ulrich Eberl über die Städte der Zukunft hätte ich mir genauso gerne angeschaut bzw. angehört wie die Polarlichter, den Solarspeicher und den Next-Generation-Train. Für die Physikanten und die Entdecker-Tour, ebenfalls im Bauzentrum wie die Star-Trek-Visionen, hätte man sich wohl 1 Stunde früher anstellen müssen, wenn man eine Chance haben wollte, rein zu kommen. 69 Vortragsveranstaltungen und 55 Dauer-Events in 3 Gebäuden und im Außengelände, da bleibt manches auf der Strecke.

Nach all den schönen Eindrücken der beiden Tage ist der heutige Sonntag der ideale Tag zum Schlafen, Ausruhen, Nichtstun. Und genau das tu ich.

23 September 2015

Lesbares - Teil 1: Messer werfen von Doris Bewernitz

Heute beginne ich eine Reihe, die mir schon seit langem am Herzen liegt. Es geht um Gelesenes, manchmal auch um Vorgelesenes, das mich berührt hat. Hier sollen jedoch nicht die Rezensionen erscheinen, sondern die Geschichten selbst oder Auszüge daraus veröffentlicht werden. Das können Romane, Erzählungen oder Kurzgeschichten sein, die mich zum Lachen, Weinen, Nachdenken bringen. Gerade hat dies die folgende Kurzgeschichte geschafft:

Messer werfen

Es gibt Gesichter, die vergisst man nicht. 
„Leute aus dem Zirkus“, sagte meine Mutter. „In zwei Wochen. Der Junge soll in die Fünfte.“
Und wenn der Junge nun in meine Klasse käme? Sicher war er wunderschön. Mit Zigeunergesicht und verwegen blitzenden Augen. Er saß auf einem schwarzen Pferd und ritt über den Schulhof. Bestimmt spielte er Gitarre, konnte Messer werfen und Tiger bändigen. 
Erich wurde mein Idol, bevor er überhaupt da war. Zwei lange Wochen musste ich noch warten, bis dieser Prinz mein Leben erhellen würde. Jeden Nachmittag ging ich raus, in der Tasche den Dolch, den mir mein Opa zum elften Geburtstag geschenkt hatte, und übte Messerwerfen. Schließlich musste ich ihn, wenn er kam, ja auf mich aufmerksam machen. Und etwas anderes als Messerwerfen fiel mir noch nicht ein. 
Niemandem erzählte ich etwas von der Neuigkeit, nicht mal Silvi und Renate, meinen besten Freundinnen. Und wer einmal gute Freundinnen hatte, der weiß, dass man vom Verschweigen wunderbarer Geheimnisse Bauchschmerzen bekommen kann. Aber endlich hatte ich etwas, was ich den anderen Mädchen gegenüber noch nie empfunden hatte: einen Vorsprung. Sonst waren immer die anderen mir voraus. Silvi malte sich seit einiger Zeit die Lippen an. Und Renate trug sogar schon einen BH, den sie mit Watte ausstopfte. 
In diesen zwei Wochen hatte ich den Neuen ganz für mich. Ich sah schon, wie er uns seine Kunststücke zeigen würde, übers Seil laufen, Jonglieren, Feuer schlucken, all das. Und eines Tages, wenn es ans Messerwerfen gehen würde, würde ich ganz locker aufstehen, nachdem er zwanzigmal ins Schwarze geworfen hätte, und zu ihm sagen: „Kann ich auch mal?“ Und alle würden lachen. 
Ich trete ganz nah an ihn heran. Er lächelt mir zu und gibt mir seinen Dolch. Und ich rieche seinen Abenteuergeruch. Lagerfeuerrauch und warmer Pferdekörper. Dann nehme ich das Messer und werfe ganz locker aus der Hüfte raus und treffe voll ins Schwarze. Allen stehen die Münder offen. Und er sagt: „Wow!“ Und dann ist er mein Freund. Jeden Abend schlief ich mit diesem Bild ein. 
Das mit dem Messerwerfen war aber schwerer als gedacht. Am ersten Tag malte ich ein Kreidekreuz auf die Kastanie. Am zweiten Tag einen Kreis. Am dritten nahm ich mir vor, den Baum überhaupt zu treffen. Aber ich gab nicht auf. Manchmal blieb das Messer in der Rinde stecken. Zweimal schnitt ich mich in den Finger. Es waren herrliche Zeiten. Ich hatte ein Ziel. 
Nach vierzehn Tagen traf ich den Kreis. 
Und dann kam er. Er kreuzte meinen Schulweg und ich zuckte zusammen. Nicht im Traum hätte ich ihn mit meinem Helden in Zusammenhang gebracht. Man stelle sich eine mittlere Bohnenstange vor. Alles an ihm war riesig: die Nase ein Schürhaken, der Mund ein Scheunentor, dazu solche Segelohren, dass er aussah wie ein Topf mit Henkeln. Die Augen viel zu weit voneinander entfernt und so schwarz, dass man Angst hatte, jeden Moment hineingezogen zu werden wie in den Eingang der Hölle. Mich fragend, wer um alles in der Welt das sei, setzte ich meinen Schulweg fort. Wenig später betrat er unseren Klassenraum und in meinem Kopf reifte eine entsetzliche Wahrheit heran. 
Erich verkörperte in allem das Gegenteil meines Helden. Statt nach Abenteuer roch er nach ungewaschenen Füßen, sah schwächlich aus, zeigte keine Kunststücke. Noch dazu war er zweimal sitzen geblieben. Welch eine Schande! Ich war gekränkt. Obwohl es niemanden gab, den ich in meine Träumereien eingeweiht hatte, war mir, als hätte er mir öffentlich eine Ohrfeige gegeben. Zur Strafe ließ ich ihn links liegen. 
Auch die anderen schnitten ihn. Anfangs hatten sich noch Neugierige gefunden, doch nach ein paar provokanten Fragen: „Wie is ’n das so im Zirkus? Wohnt ihr noch im Wohnwagen? Kriegste denn immer mit wie deine Eltern vögeln?“, die er ausweichend beantwortete, war das Interesse an ihm erloschen. 
Er war ein stiller Typ. Die Lehrer wurden nicht müde, ihn daran zu erinnern, dass er, wenn er so weiter mache, wieder sitzen bleiben würde. Wohl deshalb hatten seine Eltern sich entschieden, ihre Herumzieherei aufzugeben und ihn in einer festen Schule anzumelden. 
Ich war damals sehr eingebildet, wusste es nur noch nicht. Das Lernen fiel mir leicht. Einer, der zweimal sitzen geblieben war, galt mir selbstverständlich als strohdumm. Der normale kindliche Größenwahn? Jedenfalls bin ich Erich bis heute dankbar, dass er mir half, mein jämmerliches Weltbild ins Wanken zu bringen. Als er es tat, empfand ich allerdings nur dumpfe Vernichtung. Später schämte ich mich. Weil ich ihn so gründlich unterschätzt hatte. 
Alles begann ganz harmlos, mit dem „Klamotten-Klau-Spiel“. In der Pause versammelten sich die Mädchen auf der einen und die Jungs auf der anderen Seite des Schulhofs. Fite, der Chef der Jungs, gab das Zeichen und dann rannten alle auf die gegenüberliegende Seite, wobei sie versuchten, den Entgegenkommenden ein Kleidungsstück abzunehmen. Falls einem etwas entwendet worden war, musste man es spätestens bis Unterrichtsbeginn wieder auslösen, wobei der Dieb entschied, was er dafür haben wollte. Die Mädchen wollten meist einen Kuss, die Jungs irgendwo anfassen. Gestohlen wurden Pionierhalstücher, Mützen, Jacken, und einmal sogar ein Strumpf. Ich selbst klaute nie etwas, das Auslösen wäre mir viel zu riskant gewesen. 
Und an einem Junitag passierte es. Mein zwölfter Geburtstag. Ich war in Hochstimmung. Morgens durfte ich das Westpaket von meinem Opa auspacken und fand ein nagelneues T-Shirt, orange, mit knallroten Blumen darauf. Ein Traum von einem Shirt! Natürlich wollte ich es gleich zur Schule anziehen. Meine Eltern waren dagegen. Sie wollten keinen Ärger mit ihrem Chef. Dass es ein West-T-Shirt war, sah man auf drei Kilometer Entfernung. Aber ich flehte inständig und schließlich gaben sie nach. Erhobenen Hauptes machte ich mich auf den Schulweg. Ich fühlte mich schön wie nie. Die Sonne schien, die Vögel sangen, die Welt war nur für mich gemacht. 
Es kam, wie es kommen musste. Sämtliche Jungs fielen in der ersten Hofpause über mich her. Ich versank in einem Knäuel von Händen, schrie, hoffte auf Mädchensolidarität, kämpfte und tobte. Und plötzlich stand ich allein da. Ohne Shirt. Zwar hatte ich noch mein Unterhemd an, aber das war gleichbedeutend mit nackt sein. Mit weichen Knien rannte ich in eine Mauernische. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Keine zehn Pferde hätten mich aus der Nische herausgebracht. Konnten nicht wenigstens Silvi oder Renate mir helfen? Nichts tat sich. Auch von den Jungs kam keiner. Ich hätte ja nun zu ihnen gehen und das gute Stück auslösen müssen. Minute für Minute verging. Es war furchtbar. So gottverlassen hatte ich mich noch nie gefühlt. 
Und da sah ich Erich. Er hatte auf einer Bank gesessen und erhob sich nun. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von ihm abwenden. Er wirkte noch größer als sonst und mit jedem Schritt, den er quer über den Schulhof machte, schien er über sich hinaus zu wachsen. Ruhig und konzentriert ging er auf die Jungs zu. Jetzt sah ich auch, wer mein Shirt hatte. Es war Fite. 
Ich hielt den Atem an. Was ging hier vor? Verbündete Erich sich ausgerechnet jetzt mit den Jungs? War ich nun das schwarze Schaf? War das seine Rache an mir? Grund genug hatte er. Erich, der mich zu einer Matheaufgabe fragt; Erich, der sich von mir einen Stift ausborgen will; Erich, der mit mir den Blumendienst machen will. Ich hatte ihn immer abblitzen lassen. In diesem Moment wusste ich, dass er meine Freundschaft gesucht hatte, ja, dass er klüger war als ich. Er hatte erkannt, dass wir beide Außenseiter waren. Erich klüger als ich? Ich geriet in komplette Verwirrung. 
Erich baute sich vor Fite auf. Er war größer als Fite. Aber hinter dem standen vierzehn Jungs. Fite schrie: „Verpiss dich!“ Seine Stimme klang schrill. Schon dröhnte die Pausenklingel. Ich ließ alle Hoffnung fahren. Da machte Erich eine verblüffende Bewegung, blitzschnell, fuchtelte mit den Armen durch die Luft, als führe er ein Schwert, drehte sich um die eigene Achse und streckte die Hand in Fites Richtung aus, ohne ihn zu berühren. Fite schrie auf, die anderen Jungs wichen entsetzt zurück. 
Nun hielt Erich mein Shirt in der Hand. 
Seelenruhig, als wäre nichts geschehen, kam er auf mich zu, reichte mir das Shirt, sagte: „Beeil dich, die Stunde fängt gleich an“, ging ein paar Schritte, wartete, bis ich heran war, um mich dezent ins Schulhaus zu begleiten. 
Im Klassenraum war es ungewohnt still. 
Am nächsten Tag wartete er am Tor. Nachdem wir ein Stück schweigend gegangen waren, nahm ich meinen Mut zusammen und sagte: „Danke wegen gestern“. 
Statt einer Antwort fing er an zu lachen. Es klang wie das Schnaufen einer erkälteten Giraffe. Verstört blickte ich auf. Lachte er mich aus? 
„War es schön im Zirkus?“ quetschte ich hervor, um der peinlichen Situation zu entgehen. 
„Ja“, rief er fröhlich. „Und weißt du was? Meine Eltern halten es auch nicht mehr aus in der Wohnung. Das ist nichts für uns. Im Sommer sind wir weg. Ich bin so froh!“ 
Ich blieb abrupt stehen. „Du ziehst weg?“ Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme bebte. 
Erich strahlte. „Gestern hat mein Vater unterschrieben. Wir gehen zum Berolina! Ich hab ‘ne eigene Nummer! Mit ‘nem Schwein und zwei Hunden!“ 
„Was?“ 
„Ich trete auf, mit ‘ner Sau und zwei Foxterriern. Ein tolles Ding, sag ich dir! Müsstest du sehen.“ Die Sonne schien durch seine Segelohren. Seine schwarzen Augen leuchteten. 
„Und die Schule?“ 
„Ach, Schule!“ Er spuckte aus. „Ich werd’ sowieso Akrobat. Bin schon ziemlich gut. Irgendwann hab ich meinen Wagen und meine eigenen Tiere, und denk mir selbst Programme aus!“ 
Ich schluckte. Da stand einer, dessen Welt war eindeutig größer als meine. Der machte ernst mit der Freiheit. Der konnte weggehen. 
Wir hatten den Weg zum Fluss eingeschlagen. Die engen Straßen und kleinen Fachwerkhäuser, alles kam mir plötzlich vor wie ein Gefängnis. 
„Wie hast du das mit Fite gemacht?“ fragte ich. 
Er grinste. „Kleiner Akrobatentrick.“ 
Und mit einem Mal hatte ich Lust, ihm zu zeigen, dass mehr in mir steckte als dieses eingebildete Lehrerkind. 
„Ich kann auch einen Trick. Hast du ein Messer dabei?“ 
Er hatte. Es war ein Klappmesser. Ein paar Schritte weiter stand eine alte Kastanie. Ich trat zurück, nahm die Klinge zwischen Daumen und Zeigefinger und zielte. Das Messer schwirrte durch die Luft und traf den Baum genau in der Mitte. 
„Wow!“, sagte Erich. „Das fetzt!“ 
„Kannst du auch Messer werfen?“ fragte ich. 
Er zog sein Messer aus dem Baum, klappte es zusammen und steckte es in die Hosentasche. „Nö. Aber das hier kann ich.“ Er nahm ein paar flache Steine vom Weg. „Komm mal mit!“ 
Wir liefen über die Wiesen. Dann hockten wir uns ans Ufer. Erich warf geschickt einen Stein nach dem anderen, und zwar so, dass sie wie bizarre Wasserläufer über die Oberfläche hüpften und ein schwirrendes Geräusch von sich gaben. Ich versuchte es nachzumachen, schaffte es aber nicht. 
Schließlich saßen wir einfach nur da und schwiegen. Auf den Wiesen grasten die Pferde. Vor uns tummelten sich Enten und Schwäne. Sonnenlicht glitzerte auf den Wellen. Erichs Augen fingen es auf und ihre Schwärze verwandelte sich in einen besternten Nachthimmel. 
Es gibt Gesichter, die vergisst man einfach nicht.


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Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Autorin Doris Bewernitz.
Die Geschichte ist erschienen in der Kurzgeschichtensammlung "Das war ich nicht, das waren die Hormone", herausgegeben von Volker Surmann im Satyr-Verlag und enthält 42 Kurzgeschichten rund um die Pubertät von Frank Goosen, Jakob Hein, Martina Brandl, Jess Jochimsen und vielen anderen Autoren.
"Messer werfen" hat mich am meisten berührt, bei anderen Geschichten hab ich schallend gelacht, bei manchen hab ich mich schmunzelnd an meine eigene Pubertät erinnert. Nur ganz wenige haben mir nicht gefallen.
Wer mehr von Doris Bewernitz wissen möchte, findet sie im Netz unter www.doris.bewernitz.net. Wer sich das Taschenbuch zulegen möchte, dem empfehle ich den Buchladen vor Ort (ISBN: 3938625945) oder den fairen Online-Buchhandel buch7.de. Auch als gebrauchtes Buch bei rebuy.de ist es manchmal zu finden.

18 September 2015

Bio in der Kramgasse

Andernach ist nicht nur meine Wohn- und Arbeitsstadt, sondern seit einigen Jahren auch die essbare Stadt, die Stadt der Permakultur, die Fairtradestadt.
Nachdem die unbehandelten Produkte der Permakultur bereits erfolgreich im faiRegio-Laden verkauft werden, hat der Obst- und Gemüseladen in der Kramgasse nun den nächsten Schritt gemacht und bietet seit einigen Wochen ein Sortiment an BIO-zertifizierten Waren an.
Hier gibts leckeres zertifiziertes Gemüse
Obst und Gemüse, Eier und Milchprodukte, welche die strengen Kontrollen von
demeter, bioland oder naturland passiert haben, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit bei der Kundschaft. Gerade demeter zertifiziert ausschließlich Betriebe, die auch mit entsprechender sauberer Tierhaltung nachhaltig wirtschaften, was in großen Teilen den Richtlinien einer Permakultur entspricht und sich erheblich von den Richtlinien des EU-Bio unterscheidet, wie man es oft in Supermärkten und bei Discountern findet. Ich finde, es passt gut in das Bild der Stadt und hoffe, dass es nicht der letzte Schritt in Richtung einer nachhaltigen Stadtentwicklung bleibt.

13 September 2015

Live Escape Game - 2.Runde

Wir waren vor 3 Wochen schon mal hier und hatten viel Spaß:

Bearbone's Diary: Live Escape in Neuwied

Und gestern haben wir im 2.Anlauf auch die Aufgabe gelöst.

Ohne allzu viel zu verraten: Das war schon eine vertrackte Nummer. Der Anfang, den wir bereits kannten, war schnell gemacht. Doch dann war eine Sache gegenüber dem letzten Mal anders - und das brachte uns kurzfristig aus dem Konzept. Die Gamemaster fieberten mit uns und gaben auch diesmal den ein oder anderen hilfreichen Tip. Es hat wieder riesig Spaß gemacht. Und so strahlt man, wenn man die Aufgabe gelöst hat:
So sehn Sieger aus, scha lala lala ..
Ich kann es nur nochmal sagen: Geht hin, schaut es Euch an. Außer Neuwied haben das nur ein paar deutsche Großstädte. Es wird mittlerweile zu vielen Zwecken gebucht:
Von Firmen zum Teambuilding in Kleingruppen.
Für Aktionen mit Kids in Ferienfreizeiten.
Von Unternehmen als Bewerbertest.
Von vielen wie uns einfach nur zum Vergnügen.
Ihr werdet es nicht glauben, wie schnell 66 Minuten vorbei sind. Da dies das einzige derartige Game in ganz Rheinland-Pfalz ist, kommen die Besucher mittlerweile auch aus Mainz und Saarbrücken. Die Macher denken aufgrund des positiven Feedbacks auch schon laut über mögliche Erweiterungen und Ergänzungen nach. Doch bei dem Aufwand, der dahinter steckt, braucht es Zeit (und Kohle), das Projekt in der Freizeit auszubauen.

11 September 2015

Besuch im Garten des Landes Rheinland-Pfalz

Wir sind wieder daheim nach einem schönen Tag in Landau.
Unser heutiger Betriebsausflug führte uns in die schöne Pfalz. Die Landesgartenschau in Landau hatte einiges zu bieten.

Der Fallobst-Einsammler

Virtueller Pflanzenfriedhof für die
bereits ausgestorbenen Arten

Die Landhaus-konditorei Ulrike Schmitz hatte uns wieder mit Lunchtüten versorgt. Um 8 saßen alle im Bus und kurz vor 11 starteten die ersten Führungen durch die LGS. Man hat sich hier in Landau was einfallen lassen.
Viele interessante Pflanzen in großen und kleinen Themenkomplexen, aber auch Bereiche zum sportlichen Betätigen und zum Relaxen, ein Geothermiekraftwerk, auch genügend gastronomische Bereiche - eine sehr vielfältige Sache.
Mittags verspeiste ich den ersten Saumagen meines Lebens und konnte verstehen, warum dies das Leibgericht unseres ehemaligen Bundes-Bimbes ist. Der Pfälzer Teller mundete köstlich.

Die coole Korona

Anschließend fanden sich die Grüppchen zum Bummeln, Relaxen und Shoppen. Ich schloss mich einer netten Korona an, die den Merchandising-Stand plünderte. Peeling-Seifen aus Schafwollfett, Gartenwerkzeuge, Blumensamen, für jeden war was dabei. Und Kollegin Fatima ergatterte einen  tollen Sommerhut, der ihr sensationell gut steht.

Nach einer Runde in der Bimmel-bahn durchs ganze LGS-Gelände machten wir uns auf den Weg ins Städtchen. Die Innenstadt von Landau hat wirklich ein sehr nettes Flair. Pausen beim Italiener und am Ende nochmal bei Teehaus Akzent rundeten den Nachmittag bei schönem Wetter ab.

Das Kaffeehaus Akzent fand ich besonders interessant. Das komplette Sortiment an Speisen und Getränken - alles BIO und FAIR. Also, es geht doch! Sowas würde ich mir in Andernach wünschen.

Vor dem Akzent mit Ernestov und Luca Thomé

Auch auf der anschließenden Heimfahrt verging die Zeit im Bus wie im Flug. Mein persönliches Fazit: Einfach ein schöner Tag zum Genießen.

06 September 2015

Kultur im Regen

Nieselregen, gefühlte 12°, kann das überhaupt was werden?
Ich hab's ausprobiert und kann sagen: JA!
Warme Hosen an, Fleecejacke unterm Kittel, und los gehts. Frankie wartete in der Bahnhofsstraße, Start um kurz nach sechs auf dem Marktplatz bei Because unplugged. Ok, Schorsch, Jo und Jürgen kamen traditionell eine Viertelstunde zu spät, so dass ich zumindest noch 20 Minuten mitnehmen konnte.
Und dann langsam im Regen zum Merowingerplatz. Dass die Jungs von Heavens a Beer pünktlich um halb 7 anfangen, glaubte bei dem Wetter eh keiner. Doch als nach einer Viertelstunde Warten im Regen immer noch kein Startversuch erkennbar war, musste ich Guido und seine Jungs leider ungehört verlassen.
Denn auf dem Hügelchen erwarteten mich die Andernacher Chöre mit populärer Musik. Die waren pünktlich gestartet und so kam ich dann mitten in Reinhard Meys Fliegerlied Über den Wolken dort an. Das hörte sich aus Männerchorkehlen wirklich so strange an, dass es schon wieder originell war. Ein Lied über Menschlichkeit berührte mich gerade wegen der aktuellen Flüchtlingssituation sehr. Danach wurden dann meine musikalischen Geschmacksknospen mit der kleinen Kneipe an ihre Grenzen geführt.
Aber danach wurde es leicht und lustig mit Judiths Jazz-Chor. Ansteckender Gute-Laune-Gesang.
Kurzer Ausflug zum Läufkreuz, wo das TiK-Ensemble auf der runden Bank interessante Szenen spielte. unterwegs auf den Plätzen und Straßen Stelzenläufer, Kellner, Seifenbläser, Drachenbändiger und an jeder Ecke ne andere Band. Getränkestände und Freßbuden, für alles war gesorgt.
Vor dem historischen Rathaus spielten mittlerweile die Bad Smurfs auf, ganz junge Leute mit mitreißender Sängerin. Drinnen in der Bücherei konnte ich dann noch einen Platz in der ersten Reihe ergattern, wo Ralf Buchinger mit 2 Begleiterinnen wie gewohnt interessante und heitere Rezitationen aus der klassischen Literatur zum Besten gab, diesmal auch mit außergewöhnlicher gesanglicher Unterstützung.
Anschließend, draußen vor dem historischen Rathaus, ist mittlerweile auch Hilde eingetroffen.Wir genießen einige schöne Lieder der kleinen Jazzband Zazou.
Zazou spielt Tango
Ein kurzer Ausflug zum Helmwartsturm, wo die Mouthmonkeys mit Brachialgewalt Songs von Ted Nugent, Deep Purple, The Who raushauen. Mit viel Schwung, aber leider auch mit einer besch.....en Abmischung. Ein hohes Zischen gratuliert ständig meinem Tinnitus auf gleicher Tonhöhe.
Als dann auch noch eine seltsame Nirvana-Interpretation beginnt, machen wir uns auf den Rückweg. Kurzer Halt bei Because, die auf dem Marktplatz tatsächlich bis Mitternacht durchspielen wollen.
Mittlerweile ist es viertel vor elf, so dass wir uns entschließen, zum Abschluss die Lesung im Museumskeller zu besuchen. Andreas Schulte macht das Mittelalter lebendig mit seiner Lesung aus dem dritten Teil der Schnitter-Trilogie. Es müssen noch einige Stuhlreihen dazu gestellt werden, so groß ist der Andrang. Kurz vor 12 verlassen wir das Museum und beenden unsere diesjährige Kulturnacht. Mir hat's mal wieder sehr viel Spaß gemacht.

23 August 2015

Live Escape in Neuwied

Heut Abend war Premiere: Das erste Live Escape Game meines Lebens. Mit Anja. In Neuwied. In der Kulturkuppel. Eingang Kirchstraße 4. 66 Minuten. Und es war klasse.
Vorher wird einem alles ausgiebig erklärt. Die Regeln. Die Story. Und dann gehts ab ins Spiel. 66 Minuten. Zack, die Uhr läuft.
Wie kann man sich das vorstellen? Schwer zu sagen, wenn man die Spannung nicht vorher wegnehmen will. Aber jeder, der mal ein Computerspiel gemacht hat, ein Adventure oder ein Rollenspiel etwa, stelle sich einfach vor, er spielt das nicht am PC, sondern ist live im Spiel. Alles zum Anfassen. Gegenstände suchen und finden, kombinieren, Codes entschlüsseln, Schlösser öffnen, alles wie im Computerspiel. Nur in echt. Und die unsichtbaren Helfer am Steuerpult im Hintergrund beobachten, fiebern mit. Geben auch schon mal einen Tipp über den Monitor. Und am Ende strahlen wir glücklich in die Kamera.
Geschafft!
Ach ja, hier gibts die Infos und die Tickets.
Bemerkenswert ist, dass es diese Live-Games bisher nur in den deutschen Großstädten gibt - und in Neuwied. Das alles ist fast komplett von Mitgliedern des Theatervereins Chamäleon erdacht und gebaut worden. Wer einen Blick in den Regieraum werfen darf, kann erahnen, wie viel Kohle und Arbeit darin stecken. Die meisten Besucher kommen übrigens aus dem größeren Umkreis, spätestens nach dem Bericht in der Rhein-Zeitung vor einer Woche ist die Anfrage nach Tickets groß. Die Stadt Neuwied scheint dieses kleine Juwel noch nicht wirklich entdeckt zu haben. Ich bin sicher, dass wird sich ändern, denn sowas spricht sich rund.

12 August 2015

Am Ende einer langen Reise

Mehr als 3 Wochen ist es nun her, dass unsere alte Dame uns für immer verlassen hat. Das Foto im Park ein paar Tage vorher ist eine schöne Erinnerung, die mir bleiben wird.

Selfie mit der alten Dame

Und gerade bei ihr ist mir nochmal sehr klar geworden, wie wahr es ist:

Mit leerer Hand kommst du, mit leerer Hand gehst du.
Und grad zwischen Nichts und Nichts
bist du verrückt  genug zu glauben, etwas zu besitzen.

02 August 2015

C2C = Cradle to Cradle

Von der Wiege zur Wiege heißt das übersetzt. Ein Konzept, das nur Sachen zulässt, die zu 100% recyclebar / verwertbar sind und auch vom Hersteller zurückgenommen werden. Keine Kompromisse. Wir müllen die ganze Welt ständig mit allem Mist zu, so dass dieses Konzept, das genaue Gegenteil davon, nach meinem Gefühl ein guter Weg ist.
Es gibt schon viele Güter auf der Welt, die C2C-zertifiziert sind, also keine Müllspur hinterlassen. 2 junge Menschen mit Herzblut und Knowhow wollen einen Shop eröffnen, der ausschließlich solche Waren verkauft, und versuchen den Start über crowdfunding zu finanzieren. Ich mache mit, schaut's Euch einfach mal näher an. Ein großer Teil des Startkapitals ist bereits finanziert, der Rest sollte noch bis zum 09.08. folgen.
 Hier könnt ihr mitmachen
Die Beiden von cradlelution

22 Juli 2015

Andernach - der Beginn eines nachhaltigen Weges

Andernach von oben
Meine Wohnstadt Andernach hat sich in den letzten Jahren echt gemausert. Das Städtchen am Mittelrhein, zwischen Koblenz und Bonn gelegen, hat nach und nach seine Schätzchen aufpoliert.
Der Geysirsprung (Foto: Petra Wiest)

Man hat den alten stillgelegten Geysir im Stadtteil Namedy wieder reaktiviert und verfügt nun über den größten Kaltwasser-Geysir der Welt. Besucher können ihn vom neuen hochmodernen Geysir-Zentrum aus nur mit dem Schiff erreichen, denn er liegt in einem Naturschutzgebiet. Der Geysirsprung mit einer 60 meter hohen Fontäne ist ein beeindruckendes Erlebnis.
Der Geysir wurde aktuell im Magazin Focus zu den schönsten Natur-Paradiesen in Deutschland gezählt.
Auch die Historie wird zunehmend präsentiert.
Die Siedlung Antunnacum war eine vorrömische Gründung, die Römer errichteten später hier ein Kastell.
Runder Turm
Die alte römische Stadtmauer erstrahlt abends in dezenter Beleuchtung, Alter Krahnen und Runder Turm können besichtigt werden, im Schlosspark finden Konzerte statt. Auf dem innerstädtischen Gelände der abgerissenen Malzfabrik toben sich seit Jahren die Archäologen aus und finden erstaunliche Dinge aus alter Zeit, die neben anderen interessanten Sachen im Stadtmuseum besichtigt werden können.
Alter Krahnen
 Ich habe selbst 2 Führungen auf dem Ausgrabungsgelände besucht und war sehr angetan von dem, was Grabungsleiter Frank Brüninghaus zu erzählen hatte.
Aber nicht nur Altes wird auf Vordermann gebracht, auch neue Entwicklungen wurden in den letzten Jahren angestoßen, welche die Stadt in Richtung Nachhaltigkeit weiter voranbringen.
Das bekannteste Beispiel ist die "essbare Stadt". Seit Jahren ist man dabei, in städtischen Grünanlagen essbare Pflanzen anstatt der üblichen Blumen anzupflanzen, die für jedermann zum Ernten und Essen freigegeben sind.
Wein am Stadtgraben (Foto: C.Maurer)
Ich gebe zu, ich war anfangs sehr skeptisch bis ablehnend, dachte "Was soll der Quatsch?" und "Das wird niemals funktionieren!", habe jedoch meine Meinung schon lange revidiert und hab in den letzten Wochen leckeren Mangold, frische Blutampfer und knackige Tomaten aus den Blumenkästen meiner Arbeitsstelle geerntet und zu Hause mit Genuss zubereitet und verspeist.
Für die essbare Stadt gaben sich die Vertreter aller Medien (Presse, Funk und Fernsehen) die Klinke in die Hand und berichteten bundesweit von diesem Modell. Stadtführungen zum Thema essbare Stadt werden regelmäßig angeboten und erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit.
Das Gelände der Permakultur
Noch länger gibt es die Lebenswelten im Stadtteil Eich, eine Permakultur mit Pflanzen und Tieren, die von der Beschäftigungsgesellschaft Perspektive nachhaltig und naturbelassen betrieben wird. Dort werden langzeitarbeitlose Menschen ausgebildet und qualifiziert, um anschließend auf dem 1.Arbeitsmarkt wieder eine Chance zu haben. Auch dort werden regelmäßig Führungen angeboten und gut besucht.
Neueste Entwicklung: Im April 2015 wurde Andernach als Fairtrade-Stadt zertifiziert, ein nächster Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Damit das kein einmaliger Akt bleibt, versucht die "Steuerungsgruppe Fairtrade-Stadt" weitere nachhaltige Prozesse zu installieren, auch jenseits von den klassischen Fairtrade-Produkten Kaffee, Kakao und Bananen.
Die Verleihung der Fairtrade-Zertifizierung (Foto: C.Maurer)
Ich gehöre der Gruppe erst seit kurzem an, darf mich aber schon an einem geplanten Workshop Urban Mining beteiligen, in dem wir die desaströsen Zustände in der Produktion von elektronischen Produkten am Beispiel von Smartphones transparent machen und Alternativen aufzeigen wollen.
Auch über das Thema Müll (Vermeidung/saubere Verwertung) wird mittlerweile in Andernach genauso intensiv nachgedacht wie über saubere Energieerzeugung z.B. mit Hilfe der Wasserkraft des Rheins.

Mein persönlicher Eindruck: Es gibt noch viel zu tun, aber wir sind auf dem richtigen Weg.

15 Juli 2015

Selfie mit der alten Dame


Entstanden heut beim Besuch nach Feierabend, beim "Walk in the park". Sie war ganz glücklich, als ich Ihr die Schnappschüsse zeigte und ihr erklärte, dass ich das heut Abend ins Netz stelle.

20 Juni 2015

Leben und Kunst und Markt

Das Städtchen Remagen hat mich heute sehr überrascht - und zwar positiv.
So sah es aus in Remagen
Was sich heute alles in den Strassen und Gassen der Innenstadt abspielte, war beeindruckend. Trotz Pech mit dem Wetter waren viele Besucher unterwegs, als wir kurz nach vier dort eintrafen. Wir, das waren heute Dieter und ich. Und so wurde ich dank Dieter nicht nur chauffiert, sondern hatte auch einen lieben Menschen dabei, der selbst Kunst macht (Dieter) und einem Banausen (das bin ich) auch vieles zeigen und erklären konnte.
Uns erwartete ein Gewimmel von Ständen und geöffneten Läden und Einrichtungen. In vielen Gassen der Innenstadt gab es viele Leckereien und viel Kunst zu bestaunen. 
Eberhard Marx - Trasswelt
Am allermeisten geflasht hat mich die Ausstellung in der Galerie Rosemarie Bassi. Dort waren viele Werke der Künstler Eberhard Marx und Rainer Sperl zu sehen. Beide waren mir (Banause) bis heute völlig unbekannt. Phantastische Gemälde (Marx) und Objekte (Sperl) ergänzten sich einfach wunderbar.
Gestaunt habe ich über die Vielzahl der Kunsthallen, -häuser, -foren und was auch immer. Die hatten natürlich zu dem Event alle geöffnet. Und hatten echt viel zu zeigen.
Rainer Sperl - Laika bringt Licht ins All
Auf den Strassen viel Kunsthandwerk in jeglicher Form, teils Altbekanntes, teils Ungewöhnliches, Witziges, Interessantes, Neues. Außerdem wehten aus vielen Ecken appetitliche Gerüche durch die Gassen, Stände mit Leckereien vom Grill, Kräuterfladen, Flammkuchen in 37 Geschmacksvarianten, man hätte alle paar Meter was Leckeres verdrücken können. Kräuter, Gewürze, Honig, Vinaigre, selbstgemachten Zucker werden genauso angeboten wie handgemachte Seifen, an deren Duft man einfach nicht vorbeigehen kann. Wir beschränkten uns aufs Riechen und schauten uns dafür einige Kunstecken genauer an.
Sigrid Heller - Blütenmeer
Natürlich besuchten wir auch Kollegin Sigrid und Ex-Kollegin Marlene, die im evangelischen Gemeindezentrum Sigrids Bilder ausstellten. Und natürlich konnte ich nicht widerstehen und bin nächste Woche stolzer Besitzer eines Originals von Sigrid. Wobei ich befürchte (und gleichzeitig hoffe), dass das Bild mit dem Thema Vorzeit, meine erste Wahl, bis morgen Abend einen anderen Besitzer gefunden haben wird. Bilder suchen sich ja bekanntlich ihren Besitzer selbst aus. Und das sollte man akzeptieren.
Dann haben wir uns noch ne Weile am Stand von Jean-Luc Ollivier umgesehen, der französische Maler lebt in Polch und macht neben Portraits bekannter Persönlichkeiten noch eine ganze Reihe interessanter anderer Dinge wie z.B. die Deckenbemalung in einer Zahnarztpraxis genau über dem Behandlungsstuhl. So interessant gemacht, dass ich mich frage, wieso noch nicht alle Zahnärzte sowas haben.
Nun sitz ich wieder zu Hause, hab ein Ahsenmacher-Steak und Salat mit selbstgeerntetem Mangold (Ja, genau, aus den Blumenkästen im Büro) genossen und der Fußballabend verläuft bisher absolut erfreulich. So kanns bleiben.

Ach ja, wenn jetzt einer Geschmack bekommen hat:
Der Markt geht am Sonntag weiter.