31 Januar 2020

Die Galerie in der Galerie - meine erste Solo-Lesung

Als ich vor ungefähr einer Woche begann, mich mit dem heutigen Abend zu beschäftigen, wurde mir schon ein wenig flau. ICH sollte eine Lesung aus MEINEM Selbstgeschriebenem halten, pooh!
Aber mal ganz von vorne. Vor ungefähr acht Wochen fragte mich Carmen, ob ich nicht nochmal was lesen wolle, bei Ihr in der Galerie in der Galerie. Ja, richtig gelesen. Carmen Rakemann betreibt eine Kunstgalerie in der Andernacher Stadthausgalerie. Ich bin mit ihr befreundet, seit sie Mitglied in unserem Schreibkurs bei der VHS Andernach ist. Ohne weiter drüber nachzudenken, sagte ich natürlich zu. Wir hatten mit unserem VHS-Kurs schon mehrere Lesungen gemacht, und das hatte mir immer richtig gut gefallen.


01.09.2018 Rheintor - Andernacher Kulturnacht
11.09.2018 Saffiger Schößchen
10.05.2019 Römerbergwerk Meurin - Literarische Schnappschüsse
21.06.2019 Kunstgalerie CR - heimat(en)
Und nun:
31.01.2020 Kunstgalerie CR - Auf dem Weg zu mir

Ich bin, ohne weiter nachzufragen, davon ausgegangen, dass wir wieder mit unserem VHS-Kurs lesen werden, jeder einige Minuten aus seinen Geschichten. Da ich mittlerweile einige Episoden geschrieben habe, würde es mir leicht fallen, eine passende für den Abend rauzusuchen, denn ich hatte in letzter Zeit wegen vieler anderer Projekte kaum noch Zeit gehabt, etwas Neues zu schreiben.Als ich dann Ende Dezember bei Carmen nachfragte, wer von den Anderen denn wann lese und wann ich dran sei, fragte sie erstaunt: "Welche Anderen? DU liest doch an dem Abend!" Sofort verstand ich die Bedeutung dieser Worte und dachte "Auha!" Zum Glück war unser Rahmen überschaubar, auf der kleinen Freifläche in der Kunstgalerie kann man maximal 30 Stühle stellen und Carmen hatte auch gebeten, dass ich bis zu acht Menschen selbst aus meinem Freundes-, Familien und Bekanntenkreis, um die Anderen würden sie und Gabriele sich kümmern. Gabriele Specht-Birlem ist selbst Künstlerin, stellt auch in Carmens Galerie aus und unterstützt Carmen gerne bei solchen Aktionen.

Ich überlegte mir fünfzehn Menschen, die bisher noch keine Lesung von mir gesehen hatten, und schätzte, dass vielleicht die Hälfte davon Zeit und Lust hat, zu kommen. Am Ende waren es nach einigem Hin und Her dann doch zwölf Menschen, die meiner Einladung folgten und dankenswerterweise steckte Gabriele freiwillig zurück, so dass ich niemanden mehr ausladen musste, was mir furchtbar peinlich gewesen wäre.

Der Autor erzählt

Und es wurde ein richtig schöner Abend. Die Aufregung, die vor einer Woche erstmals meldete, stieg nur langsam und erreichte keine panischen Aggregatzustände. Rita lieh mir einen großen Verstärker aus, Johannes heute noch ein super Mikrofon, und als alles aufgebaut, angeschlossen und getestet war, ging der Puls wieder etwas runter. Passt!

Um sechs sollte es los gehen. Wenn man bedenkt, dass ich um halb fünf noch zu Hause am PC letzte Korrekturen machte und meine Auswahl der Episoden nochmal veränderte, war es schon beachtlich, dass ich kurz nach halb sechs die ersten Besucher in der Galerie begrüßen konnte. Fast alle kamen, und ich erblickt ausschließlich gut gelaunte Gesichter. Gabriele hatte die Käsewürfel-Tomaten-Oliven-Front gestaltet, die wir als Pausensnack anboten.
Pünktlich um sechs ergriff Carmen das Wort, begrüßte die Besucher und stellte die Akteure des Abends vor, also mich, und erzählte dem Publikum, wie toll unser Schreibkurs bei der VHS ist und wie viel wir unserer Dozentin Gabi Keiser zu verdanken haben, die ebenfalls zur Lesung gekommen war. Ja, und dann war ich am dransten.

Meine anfängliche Nervosität legte sich schnell. Das war auch eine beruhigende Erfahrung aus den vorherigen Lesungen. Wenn man erst einmal die ersten Sätze fehlerfrei hinter sich gebracht hat, vergisst man, wie angespannt man vorher war. Immerhin war es meine erste Lesung, die ich sozusagen als Hauptact bestreiten durfte. Wenn mir vor fünf Jahren jemand gesagt hätte, dass ich hier und heute vor 24 Menschen aus meinen eigenen Werken vorlese, den hätte ich gefragt, was er denn geraucht hat.


Das Publikum lauscht gespannt

Die Zuhörer behielten ihre gute Laune auch während der Lesung bei, dem Beifall nach zu urteilen hat es allen gut gefallen, und ich bekam auch in der Pause und nach der Lesung so viele schöne Rückmeldungen, das hat mir richtig gut getan. Denn es scheint wohl immer so zu sein, dass einem in den Texten, die man ein Jahr vorher siebenmal korrigiert und am Ende für richtig gut befunden hat, eine Stunde vor der Lesung plötzlich Stellen auffallen, die so schlecht sind, dass man sie so nicht stehen lassen kann und erwägt, schnell noch ein paar Änderungen einzupflegen. Da ich meine Murphy-Affinität lang und ausgiebig kenne, habe ich genau davon abgesehen, denn ich weiß, dass mitten in meinen hektischen Änderungsorgien dann entweder der PC abstürzt oder gar noch schlimmeres passieren würde. Also Augen zu und durch, was offensichtlich das Richtige war. Denn die scheußlichen Passagen waren während meines Vortrags plötzlich wieder komplett unsichtbar und mir gefielen die Texte auch wieder wie früher.
Sowohl einige Episoden aus dem Leben von Mike Neuhaus als auch ganz andere Kurztexte wie Heimatlos, Das Walross und der Eiermann und auch die authentische Familiengeschichte vom Naab gefielen den Zuhörern. Und wenn man dann hinterher auch noch von der Dozentin und Krimiautorin ein Lob bekommt, dann MUSS es gut gewesen sein.

Zum Schluss trug auch Carmen noch einen bewegenden Text aus Ihrer Feder vor, der ebenfalls beim Publikum sehr gut ankam und mit viel Beifall bedacht wurde.
Nach diesem schönen Abend bleibt mir nur noch, mich nochmal auf diesem Weg bei allen zu bedanken, die mir dies ermöglicht haben und zu hoffen, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird.



16 Januar 2020

Der interessante Zeitsprung im Leben von Byron Hemmings und James Lowe


Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte

Allein der Titel hatte mich schon vor einiger Zeit neugierig gemacht. Bei der folgenden rebuy-Bestellung legte ich das Taschenbuch zum Schnäppchenpreis dazu, man kann ja nie wissen. Mein SuB (Stapel ungelesener Bücher) war nach der letzten Sortier- und Umräumaktion schließlich auf knapp 2 Billy-Regalbretter geschrumpft. Da passte ja noch was rein.

Wochen später entdeckte eine liebe Freundin das Buch in der Abteilung "Könnte ich ja irgendwann mal lesen", weit entfernt vom SuB-Regal und bot sich an, das Buch schon mal darauf zu testen, ob es den passenden Stoff für mich enthält. Da besagte Freundin bereits das Buch, welches ich gerade verarbeitete, erfolgreich für mich getestet hatte, stimmte ich gerne zu, Ich muss zugeben, das Lesen war bei mir in letzter Zeit zwischen Teilzeitjob und gefühlten sieben Projekten wirklich zu kurz gekommen und hatte sich auf die Zeit zwischen Zu-Bett-gehen und einschlafen reduziert, was etwa zehn Minuten täglich entspricht.

Ich konnte mir also ausrechnen, dass die letzte Klasse-Empfehlung der Freundin (Meg Wolitzers "Die Interessanten") bei mir noch mindestens zwei Wochen Restlesezeit hatte. Und das, obwohl die Geschichte von Jules Jacobsen, Ethan Figman, Ash und Goodman Wolf, Jonah Bay und Cathy Kiplinger mich sehr fesselte. Die Protagonisten lernen sich in einem legendären Sommercamp kennen, werden Freunde, und dann leben sie ihre Leben vierzig Jahre lang, jeder seins, miteinander, nebeneinander und ohne einander. Und es geschieht einiges in diesen vierzig Jahren.

Also, auch dieses Buch hat meine absolute Leseempfehlung. Aber noch mehr danken muss ich der Freundin für das Probe-Lesen und von Rachel Joyces Roman danken, dass sie mir dann so warm ans Herz legte, dass ich es tatsächlich an die erste Stelle meines SuBs stellte und sofort nach den Interessanten zu lesen begann. Eigentlich schade, denn so blieb wenig Zeit für die Interessanten, um in mir nachzuklingen.


Doch die Eindringlichkeit, mit der mir dann ein "Das MUSST Du lesen! Ich WEISS, das wird Dir gefallen!" übermittelt wurde, als sie das Jahr, das zwei Sekunden brauchte, zurück brachte, lies mir keine andere Wahl. Und ich muss eingestehen, dass die Freundin meinen Lesegeschmack sehr gut kennt. Was die beiden Jungs Byron Hemmings und James Lowe als Kids und als Erwachsene erleben, hat mich sehr berührt. Relativ schnell wird klar, dass ich mir unter der Bedeutung des Buchtitels etwas komplett anderes vorgestellt hatte. Die Zeitreise, die mir vorschwebte, fand auf eine ganz andere Art und Weise statt, und die Geschichten, die sich aus diesen zwei Sekunden entwickeln, sind viel interessanter, gleichzeitig schräger und authentischer als jede Fahrt im Space Shuttle. Der überraschende Ausgang der Geschichte war aber gar nicht so überraschend, denn irgend so eine Ahnung hatte ich schon nach dem ersten Zeitsprung. Alles weitere wäre zu viel gespoilert, ich halte es lieber mit Elke Heidenreich: Lesen!