22 Dezember 2018

Alter ist relativ

Wenn man, wie ich, auf die 62 zugeht, fühlt man sich innerlich ja nicht wirklich alt. Das hab ich auch von vielen anderen Menschen so oder so ähnlich gehört. Das innere Kind wächst offensichtlich sehr viel langsamer als die äußere Hülle.
Trotzdem gibt es einige Signallampen, die so unübersehbar sind, dass auch mein inneres Kind es höchstens schafft, sie ein wenig an den Rand der bewussten Wahrnehmung zu drängen. Wenn ich z.B. mal wieder die Treppe runter, aus dem Haus raus und nach vorne an den Carport gelaufen bin, und dann dort völlig ahnungslos bin, was ich eigentlich da wollte. Das ist so eine Lampe.
Ok, ist mir auch im Alter von 25 schon mal passiert. Aber seltener. Viel seltener. Und es hatte andere Gründe. Nach einem wochenendlichen Dreitagerennen durch die heimische Kneipenszene war ich schon mal froh, wenn ich meinen Namen noch wusste. Aber heute? Kann ich eigentlich nur was aus dem Auto holen gewollt haben. Sonst ist im Carport nix Nennenswertes zu finden. Ich hab aber gar keinen Autoschlüssel dabei. Komisch. Jetzt ganz ruhig bleiben und logisch denken. Ich schlurfe zurück ins Haus. Wenn ich jetzt den Schlüsselbund hole und wieder zum Auto gehe, wird es mir einfallen. Bestimmt. Gesagt getan. Im Haus dann den Schlüssel suchen.
An seinem Stammplatz im Regal ist er nicht. Hmmmh, den hab ich doch immer nur da oder in der rechten Hosentasche. Ein Griff in die rechte Hosentasche - kein Schlüssel. Aber mein Handy. Was macht das denn in der rechten Tasche? Das ist doch immer in der linken! In der linken Tasche ist - der Schlüsselbund! Ach ja, ist klar, wenn rechts das Handy ist, kann ich den Schlüsselbund nicht auch noch dort einstecken und hab ihn in die linke Tasche getan. Ich wusste doch: Es gibt für alles eine logische Erklärung!
Mit dem Schlüsselbund in der Tasche wieder zurück zum Auto. Hmmh, was will ich denn am Auto? Immer noch keine Ahnung. Und als ich da so stehe, fällt mein Blick zur Straße auf den Briefkasten. Ach ja, ich wollte nach der Post sehen. Aufschließen, nachsehen - nix drin. Ach herrje, wir ham ja Sonntag! Wenigstens klärt sich so alles auf. Aber ich muss mir selbst eingestehen, dass mich die Altersstruddeligkeit doch ein wenig erwischt hat.

 Mir fällt spontan die Szene von letzter Woche ein, als ich am Kassenautomat des Parkhauses fast verzweifelt bin, der Drecksautomat wollte meinen gelben Parkchip nicht akzeptieren, behielt ihn ne Weile ein, rumpelte, machte Stimmen, um ihn dann wieder auszuwerfen. Im dritten Versuch hab ichs dann mit kräftigen Fausthieben versucht. Vergeblich. Auch diesmal spuckte er meinen Chip wieder aus. Meinen gelben EINKAUFSWAGENCHIP! Den hinter mir Wartenden ist es nicht aufgefallen. Ich hab das Teil dann unauffällig gegen den richtigen Chip getauscht, den ein paar Mal an meiner Jeans gerieben und dann "Also, es geht doch!" gesagt, als ich bezahlen konnte. Aber gut, die Chips waren beide gelb, das kann ja dann mal passieren.

Ok, die Häufigkeit solcher oder ähnlicher Vorgänge steigt in den letzten Jahren linear an. Und als ich eben darüber nachdenke und mir endgültig eingestehe "ICH BIN ALT und ich steh dazu!",  schalte ich den Fernseher nach dem Fußballspiel um und erschrecke mich, denn ich bin hier gelandet:

Mutantenball  mit Andy Borg

und singen bumsfallera .....
Und nun weiß ich: Ich bin gar nicht alt! Es gibt noch viele, viele Menschen, die viel, viel älter sind als ich. Darunter sogar einige, die nach mir geboren wurden. Jetzt geht's mir direkt besser.
Ich schalte den Fernseher aus und lege die neue Feelies-CD ein. Schööön!

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