24 November 2017

Zeitreise ins Mittelalter

Historisches im Historischen war das Motto des heutigen Abends. Im historischen Rathaus zu Andernach hatten die Kollegen vom Kulturamt und der Stadtbücherei zu einem außergewöhnlichen Leseabend geladen.
Fabienne war heute aus Wuppertal angereist, ich konnte sie am Bahnhof in -Empfang nehmen. Mittlerweile ist es schon eine feste Tradition, dass wir dieses Event gemeinsam erleben - wenn sie nicht grad in Neuseeland, Südafrika oder sonstwo in der Welt weilt. Heute Abend waren erfreulicherweise auch Goddy und Margherita mit dabei.
Wir hatten unsere V.I.P.-Plätze in der ersten Reihe eingenommen, als Andreas Schulte kurz nach 19 Uhr im historischen Kostüm die Veranstaltung anmoderierte. Der große Saal war sehr gut gefüllt. Die Bühne war dieses Mal zur Kramgasse hin aufgebaut, was meines Erachtens eine spürbar verbesserte Akustik zur Folge hatte. Trotz dauerfiepsendem Tinnitus und weiter anhaltenden Problemen mit Gehör und Hörgeräten konnte ich fast alles verstehen, was den Genusslevel einer solchen Veranstaltung natürlich deutlich erhöht.
Als erstes wurde Tilman Röhrig angesagt, der seit vielen Jahrzehnten über viele Themen schreibt, aktuell gerade wieder einen historischen Roman die Flügel der Freiheit über Luther, Müntzer, Cranach und andere historische Menschen im frühen 16. Jahrhundert. Er schaffte es mit seiner Art des Vortragens, die Atmosphäre dieser Zeit gut zu vermitteln.
Anschließend lud uns Andreas Schulte zu einem Ausflug in die frische Andernacher Abendluft, wo wir mit Fackelführung zu historischen Orten im Schlosspark und danach hinter der Christuskirche seinen Kurzgeschichten lauschten, die auch mit viel Humor gewürzt waren. Andreas Schulte überzeugte gewohnt souverän mit guter lauter Stimme, so dass für mich auch draußen alles gut zu verstehen war.

Auf dem Rückweg ins Historische überraschten uns gepanzerte Schildwachen auf der Hochstraße, die dann vor dem historischen Rathaus spannende Schwertkämpfe zeigten.
Schildwache
Beim Schwertkampf geht's zur Sache














Im Anschluss konnten wir uns drinnen im Warmen mit leckerer Suppe und Käseplatte sowie mit kalten und warmen Getränken stärken, bevor es in die letzte Runde ging. Vom Büchertisch, der von der Anker-Buchhandlung gestellt wurde, machten einige Besucher Gebrauch und nutzten die Gelegenheit, die erworbenen Romane von den Autoren signieren zu lassen.

Petra Schier las aus ihrem Roman Das Gold des Lombarden und erklärte dazu auch viele historische Hintergründe zur Stadt Köln im Jahr 1423. Der Stoff des Romans ist wirklich spannend. Die sympathische Eifelanerin hatte es am jedoch am schwersten, nicht nur, weil ihre Vorlesestimme nicht so gut war wie die der beiden anderen Autoren, sondern weil sich nun auch die Länge der Veranstaltung und die Nachwirkungen des Spaziergangs in frischer Luft und des anschließenden Essens im warmen Saal bemerkbar machten.
Petra Schier und Andreas Schulte
Die Konzentration lässt bei den Zuhörern irgendwann nach. Und wenn dazu die erste Hälfte des Vortrags andauernd vom Gemurmel und Lachen eines offensichtlich angetrunkenen Zeitgenossen gestört wird, tut das ein Übriges dazu. Nachdem ihm der Bibliotheksleiter in einer Lesepause verbal die gelbe Karte gezeigt hatte, komplementierten wir den Herrn schließlich nach seinem übernächsten Vergehen höflich, aber bestimmt hinaus. Er hatte offensichtlich nur ein warmes Plätzchen zum Verweilen gesucht. Das hätte ihm auch niemand verwehrt, wenn er nur die Klappe gehalten hätte.

Gegen elf Uhr endete ein schöner und interessanter Abend, wie ich ihn in dieser Form auch noch nicht erlebt habe. Ein dickes Lob an die KollegInnen von Kulturamt und Bücherei, die das organisiert haben!

23 November 2017

Starker Mensch mit beeindruckenden Farben

Der Pfarrsaal am Mariendom hatte am Mittwoch Abend etwas Besonderes zu bieten. Ich bin meiner Mitschreiberin und Malerin Carmen Rakemann dankbar, dass sie uns morgens diesen Hinweis in die WhatsApp-Gruppe schickte. Die Andernacher Malerin Rita Krupp hatte eingeladen, um uns über ihr Leben zu erzählen und ihre Bilder zu präsentieren. Das Ganze musikalisch untermalt und lukullisch unterlegt mit Snacks und Erfrischungen.

Rita Krupp

Beim Suchen der Örtlichkeit (Pfarrsaal, nicht Pfarrheim!) traf ich vor dem Mariendom auf unsere Dozentin, die Autorin Gabriele Keiser, die ebenfalls vor dem Pfarrheim gestanden hatte. Carmen war bereits im Saal, sie hatte ihrer Freundin Rita schon beim Aufbau geholfen. Wir drei nahmen die Logenplätze in der ersten Reihe ein und waren sehr gespannt.

Zu Beginn erfuhren wir von Rita Krupp einiges aus ihrem Leben, dem es an Schicksalsschlägen nicht mangelte. Die Offenheit, mit der sie über all diese Dinge sprach, imponierte nicht nur mir, sondern auch den meisten Besuchern im gut gefüllten Saal. Es war teilweise mucksmäuschenstill, so berührte uns ihre Geschichte.

Frida Alfredson

In den Pausen unterhielt uns das Duo mit dem seltsamen Namen Frida Alfredson. Mir gefiel besonders der schöne Kontrast zwischen der ruhigeren Art des Gitarristen Ulli Herschbach und der markanten und emotionalen Stimme der Sängerin Annette Bersch.

Aber zurück zu Rita Krupp. An der Art und Weise ihres Vortrags, vor allem durch ihre selbstverständlich wirkende Offenheit, mit der sie über eine amputierte Hand und über Brustkrebs sprach, war deutlich zu spüren, dass sie ein besonderer Mensch ist. Eine solche Ausstrahlung kann man nicht "vorspielen", das ist authentisch. Die Kraft, die sie aus den gemeisterten Krisen ihres Lebens gezogen hat, kann ich persönlich ein Stück nachspüren.

Eine kleine Bildauswahl

Es war ein langer Weg, der sie letztendlich zum Malen brachte, und ich war erstaunt, dass sie dieses Talent erst vor einigen Jahren entdeckt hat. Ich kann das als völliger Kunstlaie überhaupt nicht fachlich-sachlich beurteilen, aber darum geht's auch gar nicht. Viele Farben, die sie in ihren Bildern verwendet, sind weder grell noch knallig, aber sie finden direkt den Weg in mein Inneres, als ob die Frequenz dieser Farben meine Pupillen weiten würde.

Es ergaben sich im Anschluss beim Betrachten der Bilder und beim Snack einige Gelegenheiten zum Plausch mit anderen Besuchern. Ein gelungener Abend, der mich mit einem warmen Gefühl im Herzen nach Hause fahren ließ.

Ein gut besuchter Abend

19 November 2017

Von der Bahn bis zum Retro-Skat

Die Eigendynamik eines falschen Freitags ließ sich gestern vorgestern exzellent beobachten.
Die Bahn begann morgens mit mäßiger Verspätung meines Regionalzugs ins Löhr-Center, denn man ließ vorher noch 2 Riesengüterzüge vor meiner Nase derart laut und schweineschnell durch den Bahnhof brettern, dass mein innerer Stresslevel sofort in ungesunde Höhen katapultiert wurde. Mir bleibt bei solchen Manövern sprichwörtlich die Luft weg.

Das macht Stress!

Damit war ich auf den Tag vorbereitet.
Der HNO-Besuch im Löhr-Center endete mit der Vereinbarung eines MRT-Termins für nächsten Mittwoch. Anschließend suchte ich im Haus den Shop eines großen Mobilfunkproviders auf, um ein defektes Smartphone einer lieben Freundin zu reklamieren. Garantiefall. In dem zwei mal drei Meter großen Lädchen stand ein älteres sportliches Päärchen an der Verkaufstheke und wurde von einem jungen Mann zu Fragen des Vertrags, des Empfangs und einiger anderer mobilfunkrelevanter Themen sehr entspannt beraten. Ich blieb im maximalen Abstand und in Sichtweite stehen, wollte das Gespräch nicht stören, mich aber gleichwohl bemerkbar machen. Hallo, hier ist noch ein Kunde, der wartet. Die beiden älteren Herrschaften drehten sich auch ab und an in meine Richtung und warfen mir freundliche Blicke zu. Nicht, dass einer der beiden auf die Idee gekommen wäre, mich heran zu winken, so weit ging die Freundlichkeit natürlich nicht.

Aufgrund des geringen räumlichen Abstands bekam ich zwangsläufig einige Gesprächsfetzen mit, so war man ca. zehn Minuten später bei der Effizienz von Heizsystemen angekommen, dann bei Erlebnissen im Freizeitpark und der Krankheit der alten Katze. Schön, dass sich ein junger Mann Zeit nimmt, gelassenen Smalltalk mit älteren Herrschaften zu treiben, ohne seinen Blick auch nur einmal in Richtung seines Verkaufspalastes zu bewegen. Geschäft ist ja nicht alles. Ich nutzte die Zeit, mir alle überteuerten Smartphone-Modelle in der Auslage mehrfach zu bestaunen. Als man thematisch bei der Planung der nächsten Urlaube angekommen war (wer weiß, wie viele Urlaube die beiden noch genießen dürfen? Sie waren in meinem Alter!), durchquerte ich langsam die gesamte Verkaufsfläche, um die Auslage am anderen Ende zu bestaunen. Beide registrierten meinen Durchmarsch mit einem freundlichen Nicken und wandten sich wieder dem Berater zu.

Nachdem ich auch die zweite Auslage ausgiebig studiert hatte, ging ich zwei Schritte aus dem Laden raus in die Einkaufsmall, d.h. ich wollte rausgehen, stolperte aber anderthalb schwarz-gelb markierte Stufen runter, die ich glatt übersehen hatte und brach mir dabei fast das Genick. Fünf Minuten später hatte ich mich wieder einigermaßen erholt, die drei Helden waren beim Erörtern der weltpolitischen Lage angekommen. Es ging langsam auf zwölf Uhr mittags zu, als ich mich dann doch näher ans Geschehen schob und den Dreien etwas auf die Pelle rückte, damit ich nicht mit dem Nachtzug zurückfahren musste. Irgendwann stieß sie ihn in die Seite, deutet mit dem Kinn ganz unauffällig in meine Richtung und er brach die nette Plauderei ab, kurz bevor man bei der galaktischen Sicherheitslage und den bemannten Flügen zum Neptun angekommen war.

Nun, endlich stand ich vor dem sympathischen jungen Mann, der sich so viel Zeit für seine Kunden nimmt. Offenbar jedoch nicht für alle Kunden. Wenn einer ein Schild mit der Aufschrift "Ich habe nur eine kleine Reklamation!" vor seiner Stirn trägt, dann ist alles anders. Ohne den Kopf eine Sekunde lang zu heben fing er an, sich auf einem DIN A4-Blatt Notizen zu machen. Viele Notizen. Vielleicht versuchte er, das ganze halbstündige Gespräch aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren.
Vielleicht ist er ja blind, dachte ich. Und sieht mich gar nicht. Nachdem ich mich räusperte und "Hallo!" sagte, würdigte er mich keines Blickes und schrieb weiter an seinen Memoiren. So langsam begann ich zu verstehen, warum im direkten Umfeld kein Waffengeschäft zu finden ist.

Ich dachte mir, es ist besser, ich bringe einfach mein Anliegen vor, ob er nun zuhört oder nicht. Gesagt, getan. Und siehe da, er war gar nicht blind. Er schaute mir direkt in die Augen und erklärte mir, dass müsse ich beim Mobilfunkprovider klären. Ich deutete auf das Schild genau dieses Providers, das überlebensgroß an seinem Drecksladen hing. Woraufhin er mir erklärte, das Schild hinge zwar da, aber er sei das doch nicht wirklich.

Und weil mir alles, was ich jetzt wirklich wollte, mindestens einen Prozess wegen Beleidigung, Körperverletzung und Nötigung gebracht hätte, entschied ich mich lieber, diese Hobbyisten-Kaschemme sofort zu verlassen und zwei Ecken weiter den RICHTIGEN Providershop aufzusuchen. Hier wurde ich freundlich empfangen und die Reklamation wurde anstandslos entgegengenommen. Klar, dass an solchen Tagen kein Ersatzgerät mehr auf Lager ist. Man schickt das defekte Gerät ein und spätestens am Dienstag ist das Austauschgerät bei der Freundin daheim. Mit der Post.

"Die liegt aber im Krankenhaus. Kann man das auch dahin schicken?"
"Geht leider nicht."
"Ok, dann bitte Nachricht an mich, wenn es rausgeht."
 "Nein, die Benachrichtigungs-SMS geht direkt an die Mobilfunknummer der Freundin."
"Die hat aber kein Handy! Das hab ich Euch grad gegeben. Das ist kaputt!"
"Das ist aber jetzt blöd."
"Stimmt!"

Ok, an einem solchen Tag geht das wohl nicht anders. Freitag der sechzehnte? Weiß der Geier. Aber ich weiß, was ich zu tun habe. Zurückfahren. Runterfahren. Einen leckeren toten Fisch bei Kerstin genießen, in netter Gesellschaft. Heimfahren. Augenpflege machen.

Still crazy - after all these years

Abends ist Retro-Skat bei den alten Herren angesagt. Müßig zu sagen, dass der Skatabend mir fünf Runden lang verheerende Blätter brachte. Immerhin konnte ich einiges dazu lernen. Wenn Tom oder Arno das Spiel kriegen, liegen zwei passende Karten im Stock. Wenn ich höher reize, werden diese irgendwie so blitzschnell ausgetauscht, dass ich das nicht mitkriege und immer - IMMER! - zwei Dreckskarten drinliegen. Wie das funktioniert, ist  mir völlig schleierhaft. Wer dahintersteckt, ebenso, das Universum, Murphy oder das fliegende Spaghettimonster. Aber was es mir sagen will, wurde mir wieder sehr klar:
Ed kütt, wie ed kütt. Versuch es nicht mit Gewalt zu drehen, sondern mach das Beste draus. Und das ist mir mit nur zwei verlorenen Runden gut gelungen.

12 November 2017

Die Bahn und die Achtsamkeit

Die Zusammenhänge sind nicht immer auf den ersten Blick zu sehen. Bei meinem reichhaltigen Erfahrungsschatz mit der Firma DEUTSCHE BAHN hätte ich es allerdings ahnen können.
Ich hatte mir am Freitagmorgen vorsichtshalber nur das Ticket bis zum Löhr-Center gelöst. Denn durchlösen bis Moselweiß, am Löhr-Center aussteigen, vielleicht anderthalb Stunden beim HNO verbringen und dann mit dem gleichen Ticket nach Moselweiß zur Pizzeria weiterfahren, das konnte ja nicht richtig sein. Garantiert hätte mir auf der Weiterfahrt nach Moselweiß ein Schaffner aufgelauert und mich beim Anblick meines Tickets mitleidsvoll angelächelt. "Glauben sie, mit einem Einzelfahrschein kann man den ganzen Tag durch die Stadt fahren?!" hätte er mich gefragt und ich hätte fuffzig Euro fürs Schwarzfahren löhnen müssen. Oder so.

Ok, erstmal nur bis Löhr-Center gelöst, Abfahrt. Als ich auf der Fahrt dorthin die freundliche Schaffnerin fragte, wie lange man denn grundsätzlich mit einem Einzelfahrschein Pause einlegen könnte, erklärte sie mir natürlich, drei Stunden könne man pausieren. Tja, wie man's macht....
So musste ich mir dann mittags ein weiteres Ticket kaufen, um zur Pizzeria zu gelangen, wo ich mit Petra zum Mittagessen verabredet war.

Als Petra mich nachmittags am Hauptbahnhof absetzte, stand tatsächlich die Regionalbahn für die Rückfahrt bereits abfahrbereit auf dem Gleis. Das hätte mich stutzig machen sollen. Tat es aber nicht. Alles lief planmäßig und wie geschmiert. Jedenfalls bis Lützel. Die Ansage verkündete den nächsten Halt in Urmitz/Rheinbrücke. Mir kamen die ersten Zweifel. Da hält die doch sonst nie. Häää?! Beim weiteren Streckenverlauf über den Rhein nach Engers wurde es mir klar. Die haben mich wieder reingelegt. Einen Moment ist man mal unachtsam - Zack, steht der falsche Zug auf dem Gleis. Naja, für Fehler bezahlt man halt. Weiter in Richtung Neuwied unterwegs kamen mir Zweifel, wie ich das dem Schaffner erklären sollte, der unzweifelhaft gleich aufkreuzen würde. "Ich hab die falsche Fahrkarte, weil ich aus Versehen in den falschen Zug gestiegen bin!"? Ich hörte den Schaffner in Gedanken schon lachen. "Jaja, falscher Zug. Tolle Erklärung!". Oh Mann!

Als ich das Ticket aus der Brusttasche holen wollte, wurde mir dann heiß: Falsche Fahrkarte? Welche Fahrkarte?? Ich hatte am Bahnhof auf den Abfahrtsplan geschaut, war sofort zum Gleis 3 gesprintet, eingestiegen und losgefahren. Ach du Scheiße! Das glaubt Dir ja gar keiner mehr. Die folgenden 8 Minuten bis Neuwied Bahnhof dehnten sich zu Stunden. Obwohl es im Zug recht kalt war, wurde mir heiß. Der Controletti würde einen Blick ins Abteil werfen und sofort sehen: Der Typ mit der roten Birne und dem verbissenen Grinsen fährt schwarz! Und ich weiß bis heute nicht, welcher glücklichen Fügung ich es zu verdanken habe, dass diesmal keine Kontrolle kam.

In Neuwied konnte ich dann erstmal aussteigen und aufatmen. Der Fahrkartenautomat zeigte mir an, dass ich zwanzig Minuten später mit dem Bus direkt nach Andernach fahren kann. Nochmal aufatmen. Eigenartig war nur, dass im Display stand: "Bitte wählen sie die gewünschte Fahrt aus" und drei Fahrten angezeigt wurden, aber nur hinter der anderthalbstündigen Bahnfahrt mit zweimal umsteigen ein Button [Auswählen] zu finden war. Die Zeile mit der schnellen Busfahrt ließ sich nicht auswählen. Es war gut, dass ich keinen Hammer im Rucksack hatte, denn ich glaube, DAMIT HÄTTE ich auf dem Touchscreen die gewünschte Fahrt ausgewählt. Also rein in den Bahnhof, und tatsächlich gab es dort einen besetzten Infoschalter der Verkehrsbetriebe. Vor mir drei junge Menschen, die versuchten, dort ein Ticket nach Würzburg für einen vierten jungen Mann zu ergattern, welcher der deutschen Sprache nicht mächtig war. An sich nicht schlimm. Außer man steht dahinter und weiß, dass der Bus in einer Viertelstunde abfährt. Nachdem die drei mit dem vierten ausgiebig über die Abfahrtszeit (morgen oder doch lieber am Sonntag?) und den Abfahrtsbahnhof (Neuwied, oder sollen wir Dich nicht doch besser nach Koblenz bringen?) und alle sich daraus ergebenden Kombinationen diskutiert hatten, kauften sie dann endlich ein Ticket, bevor ich anfing, Tierlaute von mir zu geben.

Leider stellte sich heraus, dass ich die benötigte Busfahrkarte auch nicht bei dem freundlichen Info-Menschen erwerben konnte, sondern ausschließlich beim Busfahrer.
Spätestens jetzt wird dem geneigten Leser vor Augen geführt, dass eine solche Eigendynamik, so sie einmal begonnen hat, nicht mehr zu stoppen ist. Sie verknüpft viele kleine Ereignisse derart kausal miteinander, dass man schon sehr achtsam sein muss, um überhaupt noch einen Ausweg zu finden, bevor das Ganze in einem kompletten Fiasko endet und sich am Ende die Kontinentalplatten verschieben. Und genau das fiel mir in diesem Moment ein. Achtsam sein. Tief durchatmen. Nachdenken.

So überlegte ich draußen an der Bushaltestelle, was denn als nächstes Malheur auf mich warten könnte. Einer diffusen Ahnung folgend öffnete ich mein Portemonnaie - und sah, dass ich mein Kleingeld in der Pizzeria komplett fürs Trinkgeld geopfert hatte. Nur ein einsamer Fuffi steckte noch im Notenfach. Das war's! Der Busfahrer würde nicht wechseln können und ich hätte anschließend genügend Zeit zum Geldwechseln, denn der nächste Bus nach Andernach fuhr erst in einer Stunde.

Ich also mit eiligen Schritten zum Bahnhofskiosk, die Betreiberin war natürlich begeistert, als sie mir für einen Riegel "Wunderbar" ihr komplettes Wechselgeld rausgeben musste. Tja, mich fragt auch keiner. Ein Blick auf mein Handy zeigte mir, dass sich der Akku bedrohlich der Null näherte. Soso, das war also der Plan. Aber nicht mit mir.

Ich war rechtzeitig wieder an der Haltestelle. Als der Bus nach fünf Minuten Verspätung immer noch nicht da war, dachte ich kurz, der Bahn-Murphy hätte umdisponiert und der Bus würde unterwegs einen Motorschaden vortäuschen, aber zwei Minuten später kam er tatsächlich und brachte mich sicher nach Hause. Der Herr vor mir bezahlte übrigens mit einem Zwanziger und der Busfahrer musste ziemlich tricksen, um ihm rausgeben zu können. Zwei Euro in 20-Cent-Stücken oder so ähnlich.
An einem solchen von Murphy angebissenen Tag überrascht es auch nicht, dass ich beim abendlichen Skat gerade nochmal an einer verlorenen Runde vorbei kam. Den ganzen Abend nicht ein halbwegs vernünftiges Blatt. Ja, so hängen die Dinge nun mal zusammen. Sowas kann am Ende auch mal ganz anders ausgehen. Deshalb: Augen auf im Bahnverkehr!

04 November 2017

nachtdertechnik 2017

Um es vorweg zu nehmen: Auch in diesem Jahr war es wieder eine rundum tolle Veranstaltung im Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Koblenz, die für jeden halbwegs technisch interessierten Menschen sehr viel interessante Vorträge bot. Wie immer war Fabi mit dabei, und auch mein Kumpel Mike T-Bone hatte sich angeschlossen. Als wir um 15:30 in der ersten SciFi-Lesung mit Livemusik saßen, gesellte sich erfreulicherweise auch noch Tanja hinzu. Gemeinsam lauschten wir den klassischen SciFi-Abenteuern der Terran Starfleet, vorgelesen vom Autor Volker Schmid. Der Clou war jedoch die musikalische Unterhaltung durch die Starfield Voyagers.
Richtig geile Space-Mucke, live vorgetragen!
Danach trennten sich unsere Wege. Fabi und Tanja ließen sich von Sandra Unruh (Uni Bonn) die dunkle Materie im Geschosshaufen kollidierender Galaxienhaufen erklären, während wir Kerle uns das IOT (Internet Of Things) erklären lassen wollten. Da hier nichts wirklich Neues dabei war und der Vortragende ständig das Mikro zu weit weg hielt, machten wir nach 20 Minuten die Biege und schlürften lieber einen Espresso. In der anschließenden Vorführung Bionic Learning Network fanden wir uns alle vier wieder zusammen. Jedoch war dies mehr eine Firmenpräsentation denn eine Bionik-Erklärung. Zudem suchte der Vortragende ständig seine Film-Dateien live im Explorer auf der Leinwand, das war so naja.
Danach wurde es richtig spannend. Prof. Dr. Skorupka von der Hochschule Fulda erläuterte vor ausverkauftem großem Saal auf sehr kurzweilige und amüsante Weise die Relativitätstheorie eines Herrn Einstein. Tanja hatte sich mittlerweile zum Quantencomputing verabschiedet, dass ich ebenso schweren Herzens fallen lassen musste wie die träumenden Roboter und Künstliche Intelligenz wird flügge. Zwischen 18:30 und 21:00 Uhr knubbelten sich zu viele interessante Vorträge. Man kann ja immer nur einen gleichzeitig besuchen.
So fiel auch Gott würfelt nicht ... aber er lässt abkupfern durch's Raster, weil wir um 21 Uhr unbedingt Dr. Hubert Zitt bei seinem Vortrag Künstliche Intelligenz und Science Fiction zuhören - und das war der absolute Burner. Wieder ein ausverkaufter großer Saal und reichlich Applaus am Ende.
Danach war eine Pause in der Mensa angesagt. Bei Kaffee und Latte Macchiato gönnten wir uns eine Auszeit und schöpften noch einmal Kraft und Aufnahmevermögen für den letzten Durchgang. Fabi strandete bei den Pottwalen, die beiden Herren unternahmen eine Mission zum Jupiter. Und hier empfing uns zu unserer Überraschung die eine Hälfte der Starfield Voyagers aka Dr. Christian Grützner mit einem sehr interessanten Vortrag.
Gegen halb zwölf gingen wir wieder zurück zum Auto, beseelt von einem richtig schönen Abend - so wie in jedem Jahr.

03 November 2017

Bahn voll im Plan? Sogar über Plan!

Mein gestriger Banktermin begann seltsam. Ich hatte im Hotel etwas länger gebraucht dadurch fuhr mir die S-Bahn vor der Nase weg, die nächste wurde mit Verspätung angekündigt. Und wenn es so beginnt, weiß man ja um die kausalen Zusammenhänge, die ein pünktliches Erscheinen dann völlig unmöglich machen, egal was man macht. Und so folgten dann verpasste Anschlussbahn, telefonisch nicht erreichbare Bank, falscher Ausgang am Ziel-S-Bahnhof, ein Smartphone-Navi, dass mich über viele kleine Fleetbrücken dreimal ums Viertel führte, bevor eine nette Passantin mir den Weg um die Ecke zeigte. Mit einer halben Stunde Verspätung stand ich dann in meiner Bank.
Und es wurde trotzdem alles gut. Ein super Beratungsgespräch in einem sehr entspannten Klima.
Am Ende des Tages stand der Besuch beim Griechen in St.Georg und die herzliche Verabschiedung von Maren.

Nach einem entspannten letzten Tag läuft unsere heutige Heimreise bisher überraschend planmäßig. Die S-Bahn fährt uns pünktlich zum Hauptbahnhof. Wir haben Zeit genug, um uns im Bahnhof mit Getränken und Reiseproviant zu versorgen. Der IC rollt planmäßig ein, die reservierten Plätze sind frei. Was will man mehr?
Mir gegenüber sitzt eine nette ältere Dame, die über's Handy mit ihrer Tochter wichtige Dinge bespricht.
Wenn nur nicht dieses komische Bauchgefühl wäre, irgendwas stimmt doch hier nicht.....
Gerade, als ich diese Zeilen schreibe, kommt die Durchsage: "Außerplanmäßiger Halt kurz vor Osnabrück zur Aufnahme von Reisenden." Den Namen des Bahnhofs hab ich bis heute noch nie gehört. Wer mag wohl hier gestrandet sein?

Aber die Fahrt geht unbeschadet weiter, wir haben zwischendurch auch mal zehn Minuten Verspätung, kommen aber letztendlich sogar zu früh in Koblenz an.
ZU FRÜH - DIE BAHN!
Die ältere Dame wird in Koblenz von ihrem kleinen Enkelchen und seiner Familie freudig in Empfang genommen und nach Hause gefahren. Sie hat wahrscheinlich auch ein paar interessante und schöne Tage irgendwo verbracht.
Es ist seltsam, sogar mein Anschlusszug nach Andernach kommt pünktlich, hat freie Plätze, in Andernach steht mein Auto noch unbeschädigt auf dem Bahnparkplatz, springt sofort an.
Was ist los? Ich bin ziemlich ratlos, ich gebe es zu. Vermutlich bin ich während des Hamburg-Aufenthalts durch ein Raum-Zeit-Loch gefallen und in einem Paralleluniversum gelandet, anders kann ich mir das alles nicht erklären. Vielleicht vorgestern abend, als dieser seltsame Alarm im Hotel uns alle auf die Straße trieb, in Hemd und Schlappen, mit dem Buch in der Hand. Als wir später nachfragten, was denn los gewesen sei, hatte ma uns erklärt, dass jemand zu heiß geduscht hätte und dies hätten den Hitzesensor der Brandmeldeanlage ausgelöst. Mal ehrlich, wegen einer zu heißen Dusche das ganze Hotel zu evakuieren, das klingt ja noch abgedrehter als alles andere.
Ja, ich denke, dabei wird es passiert sein. Ich tu einfach mal so, als sei alles wieder normal und werde zukünftig die DEUTSCHE BAHN noch etwas genauer beobachten.

01 November 2017

Flanéren in der Mönckeberg

Auf die heutige Begegnung mit Martina hatte ich mich sehr gefreut. Die Cousine meines alten Kumpels Arno, die es seit vielen Jahren nach Hamburg verschlagen hat, kannte ich bisher nur vom WhatsAppen und telefonieren. Und so kam es, wie es kommen musste, wenn sich zwei Menschen treffen, die einen Sinn für Familienforschung haben: Die Zeit verging wie im Flug, ich fand unsere Unterhaltung hochinteressant, wir landeten am Ende in der kleinen Patisserie flané im Levante-Haus, und verabschiedeten uns mit dem Vorhaben, auf jeden Fall in Kontakt zu bleiben.
Eine sehr nette neue Bekanntschaft.
In der Zwischenzeit hatten sich Maren und Petra schon auf den Weg ins Chile-Haus gemacht und ließen den gut gelaunten, älteren Herrn einfach am vereinbarten Treffpunkt Karstadt warten. Ich sag's ja.
Als die beiden nach Stunden dann endlich auftauchten, wurde es auch Zeit für eine kleine Mahlzeit beim Italiener am Ende der Spittaler Straße. Und dann, schwuppdiwupp, waren die beiden wieder in der U-Bahn verschwunden in Richtung Reeperbahn zum Schmidts Tivoli, denn ein Musical sollte es beim Hamburg-Besuch schon sein. Mir blieb nur der Rückweg ins Hotel, denn in meinem Alter darf man sich auch ab und an eine Auszeit gönnen.

Kleiner Nachtrag: Zum Abschluss gab es kurz nach halb neun noch einen schrillen Alarm im ganzen Hotel. In Schlappen und dünnem Hemd fünf Stock runtergestolpert und zehn Minuten draußen bei 9°C im Nieselregen verbracht, bis Feuerwehr und Polizei Entwarnung gaben. Sowas kann auch ganz anders ausgehen, Glück gehabt.

Den Dingen auf den Grund gehen

Eine kurze Buchbesprechung muss ich noch loswerden.
Anne von Canal hat mit ihrem Debutroman "Der Grund" ein bewegendes Werk geschaffen. Das Buch ist anspruchsvoll, man kann es nicht mal so nebenbei lesen. Ich musste immer wieder überprüfen, auf welcher Zeitebene die Handlung gerade spielt. Ja, ich habe eine Weile gebraucht, dieses Muster zu durchschauen. Aber genau das macht es auch hochinteressant.

Ohne jetzt allzu sehr zu spoilern, die Geschichte selbst ist gar nicht so schwierig. Sie ist aber so geschickt aufgebaut, dass sie jederzeit das Interesse daran wach hält, zu verstehen, was denn nun genau passiert ist. Sie beginnt mit dem Ende, ohne das einer bestimmten Zeit zuzuordnen. Dann wechselt sie erkennbar zwischen 2005, 1976, 1992 und nimmt in jedem Kapitel Bezug auf Vergangenes, in Form von Erinnerungen. Sie wechselt zwischen Ich-Erzählung (2005) und von-außen-Betrachtung und man hat am Ende ein Kaleidoskop von Erlebtem und Gefühltem der Hauptfigur, dass man auch nach und nach besser versteht, je weiter man im Lauf des Buchs die Puzzlesteinchen zusammensetzen kann. Es ist nicht unverschämt schwierig, dem zu folgen, aber es erfordert Achtsamkeit vom Leser. Und es hält in der zweiten Hälfte des Buches zwei für mich unerwartete Informationen bereit, die mich umgehauen haben, die aber einiges verständlich machen und die einen am Ende auch wieder an den Anfang des Buches bringen. Und zum Verständnis der Mehrdeutigkeit des Titels.

Das i-Tüpfelchen sind für mich einige wunderbar treffende Beschreibungen und Vergleiche, die mich sehr ansprechen.

... und als ihr die Flasche entglitt und als Laurits instinktiv versuchte, sie aufzufangen, da spürte er in der Dunkelheit unerwartet ihre kühlen Hände. Ein Schlag aufs Herz war das, und die Welt stockte, stolperte und richtete sich neu aus. Alle Pole waren festgelegt. Nord und Süd. Plus und Minus. In dieser Nacht verbanden sich seine rechte und ihre linke Hand magnetisch ....

... war als Einziger gebannt gewesen von den unendlichen Reihen fahler Plattenbauten, die wie Zahnstümpfe einer neben dem anderen in den Himmel ragten.....Von viel zu breiten Straßen, die sich wie aufgeworfenen Narben durch die Landschaft zogen. Von den weiten Flächen monochromen Nichts....Von dem nicht ausgerotteten Argwohn, der aus den Blicken der Menschen sprach....

Ich hoffe, ich habe Euer Interesse geweckt. Wer die Muse hat, achtsam zu lesen, dem lege ich diese Perle wärmstens ans Herz.