05 März 2017

Ich sag nur: Recklinghausen!

Es ist ein sehr schönes Gefühl, wenn man sich am Rückreisetag nicht stressen muss, sondern abends vorher bis in die Nacht lesen, schreiben und quatschen kann. Denn es reicht ja völlig aus, um kurz nach elf ausgeschlafen die Schlafcouch zu verlassen, gemütlich zu frühstücken, unter die Dusche zu springen, seine sieben Sachen einfach in den Koffer zu werfen - und dann noch ne halbe Stunde Zeit zu haben, bis der Zug abfährt. Da Maren uns netterweise mit dem Auto zum Bahnhof kutschierte und morgen die Formalitäten der Gästewohnung erledigt, war das alles sehr locker und entspannt.
Die Deutsche Bahn überraschte uns erneut mit einem pünktlichen Zug, lediglich der Wagenstandsanzeiger wies leichte Abweichungen auf. Aber wenn man ausgeschlafen hat, ist ein kleiner Siebzig-Meter-Sprint mit vollem Gepäck locker zu bewältigen. Unsere reservierten Fensterplätze mit Tisch waren tatsächlich frei. Ok, die Sitzbreiten der Vorkriegs-IC sind nicht auf Menschen meiner Statur (und der meiner Nachbarin) ausgelegt, die dazu auch noch Handgepäck mit sich führen. Aber auch auf Tuchfühlung ließ es sich gut aushalten.
Wir mussten in Recklinghausen umsteigen, weil die Direktverbindung zu irgendeiner unchristlichen Zeit für uns nicht in Frage kam. Und hier kam der einzige Pferdefuß an der Geschichte. Der Zugführer wurde nicht müde, uns per Ansage alle fünf Minuten als neue Fahrgäste zu begrüßen. Desweiteren sagte er auch an, dass er aufgrund von ständig wiederkehrenden Fragen der Fahrgäste hier mal allen endgültig erklären müsse, das "EIN BISTROWAGEN IN DIESEM ZUG NICHT VORGESEHEN IST!". Es gibt keinen! Ende, Aus! Und machmal grummelte er auch irgendetwas gänzlich Unverständliches in sein Mikrofon. Das hörte sich an wie finnisch. Über all diese Nettigkeiten war er wohl so erschöpft, dass er zu erwähnen vergaß, dass wir just in diesem Moment in den Bahnhof Recklinghausen einfuhren.


Ich war gerade in einen wohligen Minutenschlaf verfallen, als Isabel mich antippte, weil ihr irgendwas komisch vorkam. Ich öffnete die Augen, sah aus dem Fenster, dass wir langsam an einem Gebäude vorbei fuhren, auf dem in großen Buchstaben "Recklinghausen Hbf" stand.

Hier hab ich's erkannt

Ich rief "Isabel, Recklinghausen!". Ihre Augen sagten mir, dass ich auch "Null-Ouvert" oder "Elfmeter!" hätte rufen können, es hätte den gleichen fragenden Blick ausgelöst. Allein, dass ich aufstand und unsere Sitznachbarn zum Gang hin sofort bereitwillig Platz machten, lösten in ihr den richtigen Reflex aus. Aufstehen - Koffer und Taschen zusammenpacken - raus hier! Der Zug stand schon, als wir vollbepackt zum Ausgang stürmten. Die Ausstiegstür war leider sowohl von einem am Boden liegenden besoff schlafenden Jung-Honk und seinem daneben hockenden Kumpel blockiert als auch von einem Schild "Diese Tür ist defekt", dass beim Einsteigen noch nicht da gewesen war. Irgendwie schafften wir es noch rechtzeitig in den nächsten Wagen, dessen Tür sich zum Glück öffnen ließ. Ich musste nochmal zurück, weil ich meinen Koffer noch im Gepäckständer unseres Wagens hatte stehen lassen. Hauptsache, erstmal die Tür erreichen! Isabel hielt diese dann offen und blockierte mutig die Weiterfahrt, bis ich meinen Koffer aus dem Wagen gezerrt hatte. Das war knapp! Die Deutsche Bahn hat uns wieder einmal gezeigt, dass es einfach keine Reisen ohne Zwischenfälle gibt. Und der Ratschlag "Augen auf im Bahnverkehr!" ist weiterhin zeitlos gut. Man bleibt in Übung.

In Recklinghausen wurden wir dann mit leckeren Snacks im Bahnhofskiosk entschädigt, und auch unserer Dehydrierung konnten wir mit reichlich Getränkevorrat gut vorbeugen. Der Anschlußzug in die Heimat schien nämlich auch gänzlich ohne Bistrowagen auszukommen. Jedenfalls kam bis zum Ausstieg kein mobiler Rollwagen vorbei, wie wir ihn von anderen Bahnfahrten kennen. So wurde am Ende alles gut, wir erreichten den Heimathafen pünktlich und gut erholt.
Dafür, dass ich mir für morgen auch noch Urlaub genommen hab, würde ich mir am liebsten eine Verdienstmedaille verleihen.

Heute morgen erreichte mich die folgende Gegendarstellung, zu deren Veröffentlichung ich mich verpflichtet fühle, wenn ich auch an ihrem Wahrheitsgehalt aufrichtige Zweifel habe:

Hey mein Lieber,
das ist Verleumdung! Ich hab Dich nicht angetippt, weil was nicht stimmt, sondern ich habe Dich angetippt und Dir gesagt, dass wir gleich da sind, woraufhin Du zustimmend genickt hast, um mir eine Minute später mit erschrockenen Augen zu sagen, dass wir gleich da sind!

Wer ist hier verpeilt?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen