01 Mai 2015

Ernest und der Zauberhelm

Ein weiterer schöner Tag neigt sich dem Ende zu.
Nachdem sich die Betten im Klassik-Altstadt-Hotel als extrem schlaftauglich verwiesen haben (zumindest meins), kamen wir heute morgen zum ersten Mal in den Genuss des Frühstücksbuffets. Wie man an den zufriedenen Gesichtern ablesen kann, war es ein gutes Buffet.

Die anschließende Fahrt nach Travemünde im komfortablen Linienbus verbrachte ich neben einem Einheimischen, der zeitunglesend seltsame GrummelGroll-Laute von sich gab, aber ich dachte mir, man sollte die lokalen Eigenheiten der Eingeborenen einfach akzeptieren und keine weiteren Fragen stellen, mit denen man sie nur irritieren würde.
Dort an der Strandpromenade angekommen, hatten wir eine Begegnung und ein ausgesprochen nettes Gespräch mit einer Kleinfamilie (Mutter, Kind, Tante), deren Dialekt sich eindeutig zwischen Nürnberg und Fürth einordnen ließ, also in "Fronge". D.h. das Gespräch hatte unsere Leisereiterin mit der Mutter. Die beiden Mütter tauschten sich spontan über ihre Erfahrungen mit den Radfahrkünsten ihrer Sprösslinge aus, und so erfuhren wir folgende tolle Geschichte:
Ernest, viereinhalb Jahre alt, hat sich bisher standhaft geweigert, das Fahradfahren auch nur ansatzweise von seiner Mama zu lernen. Totalverweigerung, Interesse = Null. Alle noch so ausgefeilten Versuche der Mutter, den Kleinen aufs Rad zu kriegen, schlugen fehl. Wenn ein Kind was nicht will, dann WILL es nicht, das muss man akzeptieren.
Solange bis die Tante (die eigentlich keine Tante ist, sondern die beste Freundin der Mom) aus Nürnberg nach Travemünde kommt, und (jetzt: ACHTUNG!) einen Zauberhelm mitbringt. Wenn man den aufsetzt und der hinten anfängt zu blinken, dann bedeutet das: Man KANN Radfahren!
Nach 10 Minuten ist der Kleine überhaupt nicht mehr vom Rad zu kriegen und radelt mit der Tantenfreundin die Strandpromenade rauf und runter.  Ja, mit so einem Zauberhelm  ist das ja direkt ne ganz andere Nummer. Kurz vor Timmendorfer Strand kann die Tantenfreundin den Kleinen dazu bewegen, umzukehren und wie man auf dem Bild sieht, kommt er grad wieder zur Mutter zurück. Da die Tantenfreundin zufällig auch Triathlethin ist, will der Kleine sie natürlich morgen früh bei ihrem Trainingslauf nach Lübeck auf dem Rad begleiten.
Eine herrliche herzerwärmende Geschichte mitten aus dem Leben, auch wenn die Mutter den Kleinen nun wohl ne Weile nur noch sporadisch sehen wird, zwischen 2 Rennen.

Als wir am Hafen ankommen, beschliessen wir spontan, eine Hafenrundfahrt mit zu machen, die MARITIM legt zufällig in 10 Minuten ab und wir machen es uns bequem und geniessen die Fahrt auf dem Wasser.
Anschließend machen wir uns auf den Weg, die Altstadt von Travemünde zu erkunden. In einem Seitensträßchen ein unverhoffter Glücksfund: Ein Barista verrichtet im Gusto Joda sein Werk, der die Röstmischungen seiner Kaffeebohnen noch persönlich aussucht, einen guten Robusta-Anteil im Espresso hat und einen Doppio macht, der es in sich hat. Eine super Crema und ein voller kräftiger Geschmack, exzellent, kann ich nur sagen!
Wir durchstreifen Straßen mit schnuckeligen kleinen Häusern, machen zwischendurch Halt beim Hafenfest, probieren Flammlachs mit Feigensenfsauce und vertrödeln einen herrlichen Nachmittag an der Travemündung.
Um halb sieben haben wir im "Luzifer" reserviert, speisen mit Blick auf den Hafen. Obwohl der Kellner einige Versuche braucht, bis jeder wenigstens das Getränk hat, dass er bestellt hat, ist die Stimmung gut. Das Essen ist in Ordnung, ich verzehre den ersten Labskaus meines Lebens, der als "höllisch" deklarierte Espresso danach ist eher himmlisch lauwarm, der Kellner sagt, er könne sich das gar nicht vorstellen und würde das aber so weiter geben. Ok, er kann sich wahrscheinlich manches nicht vorstellen. Ich stelle mir im Gegenzug vor, dass das Trinkgeld diesmal nicht so üppig ausfällt, und so kommt es dann auch.

Und nun sitz ich im Hotelzimmer, schreibe diese Zeilen, und freu mich auf morgen.

2 Kommentare:

  1. Anonym13:49

    Toll geschrieben, freuen uns, dass dieser besondere Tag nun hier verewigt ist :)Beim nächsten Besuch der Tantenfreundin ist dann schwimmen dran... evtl. mit einer Zauberbadehose ?!

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  2. Hallo Ernest-Mom,
    im Wasser bestünde mir zuviel Gefahr, dass die Zauberlichter einen sofortigen Kurzschluss in der Zauberbadehose auslösen, das würde dann traumatisch. Es gibt doch so viele schöne Herausforderungen für die Ernests dieser Welt, wie wär es denn mit der hier?
    https://youtu.be/19wAAyxZhUo?t=34s

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