31 Mai 2015
Was sind schon 25 Jahre?
Wenn man aber heute feststellt, dass man sich nur ganze 2 Jahre gekannt hat, damals, und das eher zufällig, die Freundin eines WG-Mitbewohners, ja dann hat man sich heut wahrscheinlich gar nicht viel zu sagen. Sollte man denken.
Ich durfte heute spüren, dass alles ganz anders ist. Da ich diese Erfahrung nicht zum ersten Mal mache, bin ich auch nicht mehr SO überrascht darüber. Aber ein wenig strange ist es schon. Und vor allen Dingen sehr schön.
Zu spüren, dass eine gefühlte Nähe, die mal da war, auch nach so langer Zeit noch vorhanden ist, das ist schon irgendwie verrückt. Dass ein Mensch, den ich früher mochte, mir immer noch ganz schnell ein gutes Gefühl gibt. Dass ich mich in seiner Gesellschaft sofort wieder wohlfühle. Hmmmh, ja, so isses. Und so wurden aus einer Verabredung zum Frühstück im Pfefferminzje 4 Stunden "Wir erzählen uns gegenseitig unser Leben". Da wir beide in dieser Zeit einiges erlebt haben, wurde es auch überhaupt nicht langweilig. Es war so interessant, dass wir noch 3 Tage hätten weiter erzählen können, ohne dass uns die Themen ausgehen. Mir fällt auf, dass ich in meinem Redeschwall besser manchmal ne Pause machen sollte. Und wenn MIR das auffällt, heißt das schon was. Wo ich meine Begeisterung so schlecht im Zaum halten kann.
Was mir im Nachgang aufgefallen ist: Wir haben kein Wort über die gemeinsamen Bekannten von damals verloren, sondern nur von uns erzählt. Was bleibt, ist ein schönes Gefühl - und der gemeinsame Wunsch nach Wiederholung. Ich freu mich drauf.
17 Mai 2015
Was mir Mut macht
Beispiel Fairphone: Da haben Menschen eine Idee und setzen sie um. Ein Smartphone herzustellen, dass nur aus fair hergestellten Komponenten besteht. Bis in den kleinsten Rohstoff. Von fair bezahlten Menschen unter sauberen Bedingungen. Man finanziert sich komplett über Crowdfunding, und siehe da: 25.000 Menschen legen mehr als 300 Euro hin für ein Handy, dass sie noch nie gesehen haben, dass es nur als Idee gibt. Wow!
Bei der Umsetzung merkt man, dass die Lieferketten sehr lang und verzwickt sind, dass viele Komponenten bisher nirgendwo auf der Welt fair produziert werden. Also ist der Plan gestorben?
Nein, man entschließt sich, den Plan zu ändern, ohne die Ziele aus den Augen zu verlieren. Man kauft die "unfairen" Komponenten dort ein, wo man Einflussmöglichkeiten hat und dazu beitragen kann, die Bedingungen von "unfair" zu "fair" zu ändern.
Ergebnis: Als die ersten 25.000 Geräte ausgeliefert sind, liegen bereits so viele weitete Bestellungen vor, dass man weitere 35.000 Geräte herstellt. Dass 60.000 Menschen nicht nur bei Facebook auf like drücken, sondern vorab Kohle dafür hinlegen, imponiert mir mächtig und bestätigt das Umdenken in den Köpfen.
Ebenso eine GLS-Bank, die vor 40 Jahren mit einem ethischen Konzept angetreten ist, anfangs belächelt wurde, und mittlerweile eine stabile Größe mit zweistelligen Zuwachsraten geworden ist. Klasse!
Ich habe mein Konto bei der GLS eröffnet und werde das Fairphone 2.0 bestellen, sobald es verfügbar ist. Das sind nur 2 Beispiele dafür, was möglich ist, wenn man es nur macht.
Es gibt mittlerweile in so vielen Bereichen faire und saubere Produkte, nicht nur die klassischen Kaffee-Schokolade-Bananen-Palette im Weltladen oder beim Discounter. Von ökofairen Modelabels über faire Online-Buchhändler bis zu nachhaltig arbeitenden Versicherungen und Banken, alles bereits vorhanden. Man muss es nur nutzen.
Je länger ich mich mit diesen Themen und deren Umsetzung beschäftige, desto sicherer werde ich mir: Das ist der Weg, die Welt zu verbessern. Und sollte man Bereiche finden, in denen es noch mager mit ökofair und nachhaltig aussieht, was spricht dagegen, selbst Ideen zu entwickeln und umzusetzen, wie es die Vorgenannten bereits getan haben? Es gibt nix Gutes - außer man tut es!
03 Mai 2015
Rollin' home .....
Und wieder ist es Heimfahrzeit, und wieder hätt ich grad noch ein paar Tage bleiben können. Unsere geliebte Leisereiterin erspart uns kurzfristig durch geschicktes Umdisponieren ein zweites Umsteigen. Mit dem RE direkt nach Hamburg, 1 Stunde Pause, und dann im IC ab heim. Leider auch diesmal das gewohnte Reise-nach-Jerusalem-mit-der-Deutschen-Bahn-Spiel. Zum Glück haben wir in Wagen 10 reserviert, denn:
"Liebe Reisende, wir bitten um ihre Aufmerksamkeit. Der planmäßige Wagen 16 ist leider wegen ein.. qrf@x??- glmpf'#!§$@@ä#ü*? nicht mitgekommen. Wir bitten alle Reisenden, die Plätze in Wagen 16 reserviert hatten, in Wagen 10 bis 14 oder einem anderen Wagen nach freien Plätzen zu schauen."
Der Zug fährt ein, gefühlte zweihundertfünfzig Zusteigende am Bahnsteig versuchen irgendwie, zu ihrem reservierten Platz zu gelangen, fast alle mit Koffer oder Trolley, Rucksack, Sporttasche, Umhängetasche. Darunter sechzig geschundene Seelen, die mit ihrem gesamten Geraffels, aber ohne Plätze (Bis auf ungefähr 10 sind ALLE Plätze im Zug reserviert!) überall die Gänge blockieren. Es dauert eine halbe Stunde, bis alle Glückspilze ihre Plätze eingenommen haben.
Als wir dann endlich sitzen, machen Sigi und ich Lese- und Erzählstunde. Und ich auch reichlich Augenpflege, denn es überkommt mich eine wunderbare Müdigkeit, ich hänge melancholisch den letzten Tagen nach. Hinter Bremen setzt sich dann das unsägliche Spiel fort. Viele Zugestiegene haben reservierte Plätze außerhalb von Wagen 16, viele Unglückselige müssen den Platz wieder räumen, den sie für kurze Zeit bewohnen durften. Und wieder heißt es Koffer aus den Gepäckablagen zerren, und damit mitten im Gang alles blockieren, weil von beiden Seiten Zugestiegene wie auch andere Vertriebene durch den Zug drängen. Und dann passiert es: Ein paar Passauer Jungs, gestandene Bazis, sind auf dem Rückweg von einem Junggesellenabschied, haben als Gruppe Sitzplätze in Wagen 10 reserviert, 4 davon direkt vor uns. Dort weigert sich ein seltsam dreinblickender Bart mit Hornbrille, seinen Platz trotz vieler gut gemeinter Erklärungsversuche und freundlicher "Bitte würden Sie.."s zu räumen. Denn: "Mein Platz ist auch besetzt, von anderen! Ich steh hier nicht auf. Gehen sie sich doch selbst andere Plätze suchen!".
Und so stehen die 4 Bayern im Gang, blockieren alles, denn auch die anderen Reisenden, die schon für die anderen Bayern den Platz wieder frei gemacht haben, stehen im Gang und kommen nicht vor und nicht zurück. Und irgendwann reißt einem der Jungs der Geduldsfaden. "Kruzifix nochamôhl, jetzt schaugst, dass'd Land gewinnst, Du dammischer Hirsch, Du!" tönt es und zack, zieht der die Hornbrille am nicht vorhandenen Schlips. Doch auch diese Sprache versteht der nicht richtig. Dafür kann er aber sein Handy zücken und droht tatsächlich, den Schaffner zu rufen, denn er sei vor vielen Zeugen tätlich angegriffen worden.
Allgemeines Gelächter im Gang und auf den umliegenden Sitzen beim Gedanken daran, wie auch immer sich ein Schaffner überhaupt bis hierhin durchdrängeln soll.
Ich habe an dieser Stelle einen Tagtraum. Der Schaffner klappt draußen auf dem Bahnsteig das Fenster neben der Hornbrille auf, zieht diesen an beiden Ohren nach draußen, wo er auf den nächsten Zug warten muss. Einen Viehtransport mit ganz vielen freien Plätzen für solche Hornochsen wie er einer ist.
Mittlerweile hat der Bazi mit dem gerissenen Geduldsfaden sich ohne Gepäck durch den Wagen gedrängt und hat den Schaffner gefunden. Die Bitte, den Typ endlich vom Sitz zu verweisen, quittiert der mit der Genehmigung, die ganze bayrische Truppe in der 1.Klasse fahren zu lassen. Bis nach Passau. Möglicherweise ist die Hornbrille ja gemeingefährlich und bewaffnet.
Resumée: Die Deutsche Bahn lernt es nie. Immer fehlende Wagen, nie ein bereitstehender Ersatzwagen, eine Luft zum Schneiden, die Belüftung klappt nicht richtig, die Klimaanlage fängt erst ab Remagen an, wirklich kühle Luft zu produzieren.
Und die Vollspaten wie unser Astronaut mit der Hornbrille sterben nicht aus, die glauben, die Welt schulde ihnen was.
Wie dem auch sei, wir kommen mit ziemlich genau 35 Minuten Verspätung wohlbehalten in Koblenz an, kriegen sofort Anschluss nach Andernach, und kehren gut gelaunt nach Hause zurück. In meinem Gepäck die CD und in meinen Ohren die Musik von "The Diamond Family Archive".
02 Mai 2015
Heinrich Böll & The Diamond Family Archive
In knapp 2 Stunden Fußführung durch die Altstadtgassen erfuhren wir viele interessante Dinge nicht nur über Salz, Backsteine und Heinrich den Löwen, sondern auch über die historischen Verhältnisse des gemeinen Volks in Lübeck.
Nach so viel Input in kalten Gassen und Gängen hatte mir der eisige Wind so zugesetzt, dass ich den geplanten Ausflug ins legendäre Stadion an der Lohmühle absagen musste, um mich zu ein wenig Augenpflege ins Hotel zurück zu ziehen.
Meine KollegInnen machten derweil weitere Stadterkundungen via Fuß, Schiff und Sessel im Cafe Niederegger. Ich legte mich kurz aufs Bett und erwachte 3 Stunden später aus einem tiefen Schlaf. Noch war Zeit genug, um mich körperlich und geistig erfrischt auf eine Runde durch die Stadt zu machen. Nach einer gemütlichen Schlendertour landete ich am Ende im Tonfink, dass sich als wahres Kleinod erweisen sollte. Eine richtig schöne gemütliche Szenekneipe, wo 3 Musiker auf der Minibühne ihre Instrumente für das heutige Livekonzert stimmten.
Wer kennt sowas nicht? Ich setze mich rein, bestelle einen Cappuccino und als ich die ersten Klänge von der Bühne höre, bin ich sofort verliebt in diese Musik. Ich lese im Flyer auf dem Tisch, dass es sich hier um "The Diamond Family Archive" handelt und dass im Tonfink normalerweise alle Konzerte ohne Eintrittsgeld gegeben werden, so auch dieses. Man geht am Ende mit dem Hut rum und alles, was gesammelt wird, kriegen die Musiker. Klar, dass ich da heut abend hin muss. Ich frage die nette Bedienung, ob sie heut abend viele Besucher erwartet. Antwort: "Das wird bestimmt brechend voll." Ok, dann halt nicht. Schade.
Um 18:30 hat unsere allerbeste Leisereiterin einen Tisch im "Heinrich Böll" organisiert. Sehr gemütlich, nette Bedienung, leckeres Essen, der Espresso ist heiß und stark. Das kann man empfehlen, auch wenns als Draufgabe eine Runde des tödlichen "Wodka Wick blau" gibt, den schon Frank Goosen mit dramatischen Worten beschrieben hat. Aber meine Mitreisenden erweisen sich als sehr robust, keiner erblindet, keiner fällt um.
Um halb 10 machen wir uns dann doch auf den Weg ins Tonfink, wenigstens mal kurz reinschauen, vielleicht ist es doch nicht ganz so voll - und siehe da, es sind noch ein paar Plätze frei, die Treppe hoch an einem großen Tisch. Ich setze mich hinter Frank auf die Treppe und wir lauschen ergriffen den letzten Liedern der 3 Jungs, die schon seit 8 Uhr am spielen sind. Wow - das hat sich gelohnt! Frankie organisiert anschliessend noch 2 Handmade-CDs, für jeden von uns eine, und ich werfe ein paar Münzen mehr in den Hut, weil die CDs für 5 Oere das Stück mir sonst ein schlechtes Gewissen machen.
Und so wird daraus ein gelungener Abschluss einer schönen Tour. Mich überkommt jetzt die nötige Bettschwere, morgen gehts früh los Richtung Heimat.
01 Mai 2015
Ernest und der Zauberhelm
Nachdem sich die Betten im Klassik-Altstadt-Hotel als extrem schlaftauglich verwiesen haben (zumindest meins), kamen wir heute morgen zum ersten Mal in den Genuss des Frühstücksbuffets. Wie man an den zufriedenen Gesichtern ablesen kann, war es ein gutes Buffet.
Die anschließende Fahrt nach Travemünde im komfortablen Linienbus verbrachte ich neben einem Einheimischen, der zeitunglesend seltsame GrummelGroll-Laute von sich gab, aber ich dachte mir, man sollte die lokalen Eigenheiten der Eingeborenen einfach akzeptieren und keine weiteren Fragen stellen, mit denen man sie nur irritieren würde.
Dort an der Strandpromenade angekommen, hatten wir eine Begegnung und ein ausgesprochen nettes Gespräch mit einer Kleinfamilie (Mutter, Kind, Tante), deren Dialekt sich eindeutig zwischen Nürnberg und Fürth einordnen ließ, also in "Fronge". D.h. das Gespräch hatte unsere Leisereiterin mit der Mutter. Die beiden Mütter tauschten sich spontan über ihre Erfahrungen mit den Radfahrkünsten ihrer Sprösslinge aus, und so erfuhren wir folgende tolle Geschichte:
Ernest, viereinhalb Jahre alt, hat sich bisher standhaft geweigert, das Fahradfahren auch nur ansatzweise von seiner Mama zu lernen. Totalverweigerung, Interesse = Null. Alle noch so ausgefeilten Versuche der Mutter, den Kleinen aufs Rad zu kriegen, schlugen fehl. Wenn ein Kind was nicht will, dann WILL es nicht, das muss man akzeptieren.
Solange bis die Tante (die eigentlich keine Tante ist, sondern die beste Freundin der Mom) aus Nürnberg nach Travemünde kommt, und (jetzt: ACHTUNG!) einen Zauberhelm mitbringt. Wenn man den aufsetzt und der hinten anfängt zu blinken, dann bedeutet das: Man KANN Radfahren!
Nach 10 Minuten ist der Kleine überhaupt nicht mehr vom Rad zu kriegen und radelt mit der Tantenfreundin die Strandpromenade rauf und runter. Ja, mit so einem Zauberhelm ist das ja direkt ne ganz andere Nummer. Kurz vor Timmendorfer Strand kann die Tantenfreundin den Kleinen dazu bewegen, umzukehren und wie man auf dem Bild sieht, kommt er grad wieder zur Mutter zurück. Da die Tantenfreundin zufällig auch Triathlethin ist, will der Kleine sie natürlich morgen früh bei ihrem Trainingslauf nach Lübeck auf dem Rad begleiten.
Eine herrliche herzerwärmende Geschichte mitten aus dem Leben, auch wenn die Mutter den Kleinen nun wohl ne Weile nur noch sporadisch sehen wird, zwischen 2 Rennen.
Als wir am Hafen ankommen, beschliessen wir spontan, eine Hafenrundfahrt mit zu machen, die MARITIM legt zufällig in 10 Minuten ab und wir machen es uns bequem und geniessen die Fahrt auf dem Wasser.
Anschließend machen wir uns auf den Weg, die Altstadt von Travemünde zu erkunden. In einem Seitensträßchen ein unverhoffter Glücksfund: Ein Barista verrichtet im Gusto Joda sein Werk, der die Röstmischungen seiner Kaffeebohnen noch persönlich aussucht, einen guten Robusta-Anteil im Espresso hat und einen Doppio macht, der es in sich hat. Eine super Crema und ein voller kräftiger Geschmack, exzellent, kann ich nur sagen!
Wir durchstreifen Straßen mit schnuckeligen kleinen Häusern, machen zwischendurch Halt beim Hafenfest, probieren Flammlachs mit Feigensenfsauce und vertrödeln einen herrlichen Nachmittag an der Travemündung.
Um halb sieben haben wir im "Luzifer" reserviert, speisen mit Blick auf den Hafen. Obwohl der Kellner einige Versuche braucht, bis jeder wenigstens das Getränk hat, dass er bestellt hat, ist die Stimmung gut. Das Essen ist in Ordnung, ich verzehre den ersten Labskaus meines Lebens, der als "höllisch" deklarierte Espresso danach ist eher himmlisch lauwarm, der Kellner sagt, er könne sich das gar nicht vorstellen und würde das aber so weiter geben. Ok, er kann sich wahrscheinlich manches nicht vorstellen. Ich stelle mir im Gegenzug vor, dass das Trinkgeld diesmal nicht so üppig ausfällt, und so kommt es dann auch.
Und nun sitz ich im Hotelzimmer, schreibe diese Zeilen, und freu mich auf morgen.