29 April 2021

Eindrücke aus der Region

Das letzte halbe Jahr ist sehr geprägt von unendlich vielen Frischlufttouren, von nahezu täglichen Spaziergängen überall in der Region. Ob direkt in und um Andernach oder irgendwo in der Pellenz, oder gar irgendwo in der Vordereifel, ich habe in dieser pandemischen Zeit viele schöne Ausblicke von vielen verschiedenen Höhen genossen.

Oben vor der Burg
Burg Wernerseck von unten






Mit Hilde hatte ich den langen Aufstieg zur Burg Wernerseck gemeistert ("Ist nur ne halbe Stunde..", von wegen, mit dem Helikopter vielleicht) und wurde oben mit tollen Ein- und Ausblicken belohnt.

Über der Burg
Noch höher - der Bildstock




Blick vom Kringel auf die Mosel

Auch die drei Anläufe, die ich mit meinem Bruder brauchte, bis wir  endlich auf dem historischen Boden über Moselkern  standen. Es hatte im Vorfeld schon ne Weile gedauert, bis ich den Standort des nicht mehr existierenden Kauerhofs auf einer historischen Karte ausfindig gemacht hatte. Beim ersten Versuch stiefelten wir die steilen Höhenmeter bis auf den Kringel hinauf, den an der Mosel gelegenen Berg. Um nirgendwo einen Hof zu finden, dafür aber fast in den Weinbergen zustehen. Zu Hause stellte ich dann später fest, dass ich den Ringelstein mit dem Kringel verwechselt hatte. Naja, war ein schöner Ausflug. Um vom Elztal zu richtigen Berg zu gelangen, wären es ebenfalls nur 1 km Strecke, aber doppelt so viele Höhenmeter wie am Kringel. Schnell entdeckte ich, dass man auch von oben, von Lasserg aus, relativ ebenerdig dorthin wandern kann. Trotzdem verirrten wir uns im zweiten Anlauf, kamen dem Hof aber schon sehr nahe ("Irgendwo hier oben muss es sein!").
Nach dem weiderholten Abgleich der historischen Karte mit den aktuellen landschaftlichen Gegebenheiten war es dann soweit. Wir standen auf dem Boden unserer Vorfahren. Vom Kauerhof selbst ist seit Ende des 19. Jahrhunderts nichts mehr übrig geblieben, wir entdeckten jedoch an der genau richtigen Stelle, dass sich in Wuchs und Farbe des Getreides die Konturen ehemaliger Gebäude abzeichneten. Einige der genau an dieser Stelle häufigen glattkantigen Steine nahmen wir als Erinnerung mit.

Die Konturen der alten Mauern:
Hier war der Kauerhof
Preußische Karte ca. 1860
des LVermGeo.rlp.de









Unsere Vorfahren aus der Familie Einig sind hier sehr lange Hofpächter gewesen.

Aber auch zwei Besichtigungen des Lützeler Volksparks und der Feste Franz verdienen Erwähnung. Obwohl wir nicht weit von hier aufgewachsen sind, war genau diese Ecke ziemliches Neuland für uns.

Die Reste der Feste Franz

Das ganze Areal wird derzeit wieder begehungswürdig aufbereitet und es sieht so aus, als würde das ein sehr interessanter Flecken mit viel Historie werden. Koblenz gibt sich hier viel Mühe.

Alles aufzuführen, was ich in den letzten Wochen gesehen habe, würde den Umfang dieses blogs sprengen, aber ich kann als Zwischenfazit durchaus erklären, dass wir sehr viele wunderschöne Ecken in der ganzen Region haben, die es zu erkunden lohnt.

15 April 2021

Diskussionen mit Querdenkern

Meine bisherigen Diskussionen mit Querdenkern waren nicht sehr ergiebig, man könnte sie eigentlich allesamt unter dem Hashtag #brotlosekünste ablegen. Und heute bin ich beim Googlen endlich auf die alte Kurzgeschichte gestoßen, die mir komischerweise jedes Mal einfällt, wenn ich es mit einem Exemplar der Pandemieleugner zu tun habe.
In dem Buch „Drehn Sie sich um, Frau Lot“ (Ausgabe 1978, Ullstein:Wien) von Ephraim Kishon, einem großartigen israelischen Schriftsteller, gibt es ab Seite 99 eine tolle zweiteilige Geschichte, die mich schon als jugendlicher Leser zum Lachen gebracht hat. Ich habe sie heute in einem alten blogbericht wiedergefunden und möchte diese tolle Kurzgeschichte hier verbreiten. Vor allem der zweite Teil beschreibt am Ende, wie es mir in solchen Diskussionen nach kurzer Zeit geht und macht verständlich, wieso ich sie in letzter Zeit zu vermeiden suche.
Und ich verzeihe dem Autor auch, dass er dem Unbelehrbaren in dieser Geschichte ausgerechnet meinen Vornamen gegeben hat.

Aus absolut sicherer Quelle

Eine der künstlichen, von Menschenhand erzeugten Zores (=Sorgen), unter denen wir am meisten zu leiden haben, ist das Gerücht. Möglicherweise wurde es sogar von den Juden erfunden; unsere Geschichte liefert manche Anhaltspunkte für diese Vermutung.

Das Gerüchteverbreiten ist eine ebenso einfache wie ergiebige Tätigkeit: man denkt sich irgend etwas Erschreckendes aus und erschrickt dann selbst davor. Schon unsere Weisen wussten, dass die Menschen leichter glauben, was sie hören, als was sie sehen. Besonders gerne glauben sie etwas Nachteiliges über ihre Mitmenschen.

Zum Beispiel saß eines Nachmittags mein Freund Jossele bei mir, als das Telefon läutete und jemand fragte, ob er mit der Vereinigten Holzwolle AG verbunden sei. „Vereinigte Holzwolle AG? Nein, da haben Sie eine falsche Nummer“, sagte ich und hängte ab. Gleich darauf läutete es zum zweiten Mal und der kurze Dialog wiederholte sich.

Als es zum dritten Mal läutete, nahm Jossele den Hörer auf und sagte: „Vereinigte Holzwolle.“

„Endlich“, sagte eine Stimme am anderen Ende des Drahtes. „Ich möchte mit Salzberger sprechen.“

„Bedaure. Herr Salzberger hat mit unserer Firma nichts mehr zu tun.“

„Wieso nicht? Ist etwas geschehen?“

„Man ist ihm auf seine Betrügereien gekommen.“

„Was Sie nicht sagen!“

„Sie sind überrascht? Solche Sachen müssen ja einmal auffliegen.“

„Wem erzählen Sie das. Ich warte schon seit Monaten darauf.“

Der unbekannte Telefonpartner beendete das Gespräch und macht sich eilends auf den Weg, um die frohe Nachricht zu verbreiten, dass Salzberger am wohlverdienten Ende sei. Hätte Jossele ihn stattdessen zum Generaldirektor der Vereinigten Holzwolle AG avancieren lassen – der Mann am Telefon hätte Lunte gerochen und kein Wort geglaubt.

Und das bringt mich zu meinem Erlebnis mit Kunstetter.


Freunde erwählt man, nahe Verwandte kann man entfernen, aber Nachbarn bleiben Nachbarn. So konnte ich es nicht verhindern, dass Manfred Stockler vor Sonnenaufgang an meine Tür klopfte. Ich muss, obwohl das nicht besonders rühmenswert ist, vorausschicken, dass ich in den frühen Morgenstunden, während die übrige Bevölkerung sich in den Produktionsprozess unseres emsigen Landes einschaltet, gerade noch die Energie aufbringe, mich von einer Seite auf die andere zu wälzen und weiterzuschnarchen.

Man wird somit ermessen können, welchen Schock es für mein labiles Innenleben bedeutete, als ich eines Nachts um sieben Uhr durch wildes, hemmungsloses Klopfen an der Tür aus meinem Schlaf geschreckt wurde. Ich tastete mich hinaus, da die beste Ehefrau von allen alarmsicheres Ohropax in den Ohren hatte. Aber da hatte Manfred die Tür bereits aufgebrochen und stand im Pyjama vor mir.

»Weißt du schon?«, fragte er atemlos.

»Nein«, antwortete ich mit halbgeschlossenen Augen. »Ich will schlafen.« Damit wandte ich mich ab und schlug, vor Müdigkeit torkelnd, den Weg zum ehelichen Schlafzimmer ein.

Mein Nachbar hielt mich an der Hose fest.

»Mensch!«, keuchte er. »Das Histadruthhaus ist in die Luft gegangen! Eine Katastrophe!« (Das Histadruth- oder Gewerkschaftshaus, im Volksmund auch »Kreml« genannt, ist ein pompöses Gebäude, das alles enthält, wovon ein Bürokrat nur irgend träumen kann.)

»Wie gut müssen wir geschlafen haben, wenn uns nicht mal diese Explosion geweckt hat«, brummte ich gähnend.

»Auch ich habe nichts gehört«, gestand Manfred. »Aber Guggelmann sagt, dass ihm davon beinahe das Trommelfell geplatzt wäre. Er war schon um fünf bei mir und ist dann zu den Nachbarhäusern weitergelaufen. Ich habe es übernommen, eure Gegend zu benachrichtigen, damit keine Panik entsteht. Guggelmann ist überzeugt, dass das Haus von Terroristen gesprengt wurde. Über den Ruinen liegen dicke Rauchschwaden. Manchmal sieht man noch kleine Stichflammen in die Höhe schießen.«

Es erschütterte mich, mir das einstmals so stolze Gebäude als rauchenden Trümmerhaufen vorstellen zu müssen. Doch fiel mir gleichzeitig auf, dass mein Freund Manfred von der Wirkung seiner Nachricht so stolzgebläht war, als hätte ihm sein Chef auf die Schulter geklopft. Darüber ärgerte ich mich sehr. Ich habe für die Histadruth als solche nicht viel übrig, weil ihre Funktionäre immer stundenlang reden, ohne dass man nachher wüsste, was sie gesagt haben – aber das ist noch lange kein Grund, über die Zerstörung des Gewerkschaftshauses vor Freude zu strahlen.

»Sag einmal, Manfred – was macht dich eigentlich so glücklich?«, fragte ich unwirsch. »Wozu soll es gut sein, dass dieses Haus in die Luft gegangen ist?«

Manfred sah mich verächtlich an.

»In den Blocks, in denen ich bisher war, hat mir kein Mensch so eine blöde Frage gestellt. Ich bin durchaus nicht glücklich. Ich bin nur nicht so borniert wie du. Als altes Mitglied der Histadruth sage ich dir: Es ist ganz gut, wenn wir von Zeit zu Zeit merken, dass es in diesem Land auch noch andere Kräfte gibt. Um das Haus ist es allerdings schade, das stimmt. Eine Katastrophe.«

Mittlerweile war ich so rettungslos wach geworden, dass ich die Fensterläden öffnete und in die Welt hinausblinzelte. Der neue Tag zog strahlend auf. Vom Mittelmeer wehte eine kühle Brise. Die Wäsche der Familie Kalaniot von nebenan trocknete auf unserem Rasen. Zwei junge Hunde jagten einander im Kreis. Von der Stadtmitte her grüßte das imposante Gebäude der Histadruth. Gerade kam der Zeitungsjunge auf seinem Fahrrad vorüber, verspätet wie immer.

»Verzeih, wenn ich störe – aber die Explosion des Histadruthhauses scheint sich erst im Stadium der Planung zu befinden. Das Haus steht noch.«

Manfred versuchte mit seinen Pantoffeln verschiedene ellipsoide Figuren auf den Teppich zu zeichnen und sah mich nicht an.

»Das Haus ist vollkommen unbeschädigt«, sagte ich mit Nachdruck. »Hast du gehört?«

»Natürlich hab ich gehört. Ich bin ja nicht taub.«

»Willst du es dir nicht anschauen?«

»Nein. Das hat keinen Zweck. Es ist ja heute Nacht in die Luft gesprengt worden. Eine Katastrophe.«

»Aber du kannst es doch hier vom Fenster mit deinen eigenen Augen sehen!«

»Genug!«, brauste Manfred auf. »Du bist wirklich störrisch wie ein Maulesel! Nimm gefälligst zur Kenntnis, dass ich meine Information aus absolut sicherer Quelle habe!« Er warf mir noch ein paar wütende Blicke zu, aber dann schien sich sein Zorn zu legen und freundschaftlichem Mitleid zu weichen. »Na, mach dir nichts draus, mein Alter. Kopf hoch. Man muss auch solche Schicksalsschläge ertragen können. Weiß Gott, wer ein Interesse an dieser Explosion hatte … eine Katastrophe … Rauchwolken … Stichflammen …«

Die Wolke, die mich jetzt umfing, war nicht rauchig, sondern rot, blutig rot.

»Zum Teufel!«, brüllte ich. »Was stehst du da und erzählst mir Märchen, wo du doch nur ein paar Schritte zum Fenster machen musst, um dich selbst zu überzeugen –«

»Ich brauch mich nicht zu überzeugen. Guggelmanns Wort genügt mir.«

»Und wenn Guggelmann hundertmal sagt, dass –«

»Einen Augenblick!« Empört fiel mir Manfred ins Wort. »Willst du damit vielleicht andeuten, dass Guggelmann ein Lügner ist? Ausgezeichnet. Ich werde mir erlauben, ihm das mitzuteilen. Du kannst dich auf etwas gefasst machen!«

»Wer – was – wieso? Wer ist dieser Guggelmann überhaupt?!«

»Also bitte. Da haben wir’s. Er weiß nicht einmal, wer Guggelmann ist – aber er nennt ihn vor der ganzen Welt einen Lügner. Gehst du da nicht ein wenig zu weit?«

Ich sackte zusammen und brach in Tränen aus.

Manfred strich mir teilnahmsvoll übers Haar.

»Falls du Wert darauf legst«, sagte er begütigend, »kann ich dir Augenzeugen bringen, die mit ihren eigenen Ohren gehört haben, wie Guggelmann gesagt hat, dass vom ganzen Histadruthgebäude nur ein paar Stichflammen übriggeblieben sind. Eine Katastrophe.«

»Aber hier – von diesem Fenster –«, wimmerte ich.

»Auch das Radio hat es gebracht, wenn dich das beruhigt.«

»Welches Radio?«

»Guggelmanns Radio. Das neueste auf dem Markt. Mindestens neun Röhren.«

Ein paar wahnwitzige Sekunden lang war ich drauf und dran, ihm zu glauben. Das menschliche Auge kann irren, aber Guggelmann bleibt Guggelmann …

Dann warf ich mich mit heiserem Röcheln auf Manfred Stockler und zerrte ihn ans Fenster:

»Da – schau!! Schauen sollst du!! Hinausschauen!!«

»Wozu?« Manfred schloss die Augen und krümmte sich in meinem eisernen Griff. »Wenn ich zum Fenster hinausschauen wollte, könnte ich ja zu meinem eigenen Fenster hinausschauen. Aber Guggelmann hat gesagt –«

»Schau – schau hinaus – schau – schau hinaus –«, ich hatte mich in seinen Haaren festgekrallt und schlug seine Stirn im Takt gegen den Fensterrahmen, »schau hinaus und sag mir, ob sie das Haus in die Luft gesprengt haben oder nicht. Ob das Haus dasteht oder nicht.«

»Jetzt steht es da«, sagte Manfred.

»Was heißt das – jetzt?«

»Es wurde heute Nacht in die Luft gesprengt und am Morgen wieder aufgebaut.«

Schlaff sanken meine Arme nieder. Manfred entwand sich mir unter hässlichen Flüchen und eilte in den klaren Morgen hinaus, um die noch nicht informierten Nachbarn über die Katastrophe zu informieren.

Ich schleppte mich mühsam ins Bett neben die friedlich schlummernde beste Ehefrau von allen zurück, schloss die Augen und verfiel in einen krampfigen, ungesunden Schlaf, der auch pünktlich einen Alptraum mit sich brachte: Sämtliche Atombombenvorräte sämtlicher Großmächte waren durch einen Irrtum gleichzeitig explodiert, und die ganze Welt lag in Trümmern. Nur das Histadruthgebäude stand unversehrt da.

08 April 2021

Probelesung am Gipfelkreuz

 Wieso ich gerade auf DIE Idee gekommen bim, mit meiner Freundin Hilde nach einem schön langen Frühstück ausgerechnet zur Permakultur zu fahren, von wo aus es bekanntlich nicht weit ist bis zum Gipfel des Nastbergs? Ok, jetzt fällt's mir ein, ich wollte auf der Permakultur frische Hühnereier holen.

Ich hatte Hilde vorher von den beiden Erstbesteigungen erzählt - und vielleicht ein bisschen zu viel geschwärmt von der tollen Aussicht. Jetzt kam ich aus der Nummer nicht mehr raus, ohne das Gesicht zu verlieren. Klar, sind ein paar Höhenmeter, aber MIR macht das gar nix!

Da ich Hilde gebeten hatte, für eine Textidee für unsere neue Glücksbroschüre als geduldige und unkritische Zuhörerin herzuhalten, beschlossen wir spontan, daraus eine Gipfellesung zu veranstalten. Der bekannte Weg zum Gipfel fühlte sich diesmal als noch kürzer an, allerdings dafür auch noch höher. Oben angekommen, waren alle Mühen schnell vergessen. Tolles Wetter, toller Ausblick, auch Hilde war begeistert. Diese Lesung hatte dann auch für mich wirklich was ganz Besonderes.

Lesen unterm Gipfelkreuz

Zur Belohnung gab's anschließend im Hofladen der Permakultur nicht nur frische Eier, sondern auch genauso frischen Kopfsalat und leckeren Frischkäse. Das Leben ist schön.