22 Mai 2020

Spaziergang durch die Erinnerungen

Kapellchen am Wegrand

Mit meinem Lieblingsbruder machte ich gestern einen schönen Rundgang in der Heimat unseres Vaters. Vom Keller Sportplatz aus kann man einen guten halbstündigen Rundgang um den Berghang machen, die schöne Aussicht bis zur Burg Olbrück genießen und am Schluss noch ein wenig auf der Bank unweit vom Kapellchen verweilen, von wo man einen schönen Blick über Kell und bis nach Wassenach hat.

Blick über die Hügel

Erinnerungen wurden wach an meine Jugendzeit, als wir hier im Wäldchen neben dem Sportplatz gezeltet hatten. Zelten als Siebzehnjähriger bedeutete damals Rauchen, Saufen, Zocken. Unvergesslich der Tag, als ich, bereits völlig mittellos, meinen beiden Weggefährten tagsüber beim Zocken, natürlich mit reichlich Bier zum Lockerwerden, alles Geld aus der Tasche gezogen hatte, so dass ich sie abends, als wir bereits alle den Kanal voll hatten, großzügig zum Gang in eine der drei Dorfkneipe einladen konnte. Der Weg vom außerhalb gelegenen Wäldchen bis ins Dorf gestaltete sich schon sehr holprig, zog sich endlos lang. Als wir endlich angekommen waren, legte einer der beiden schon bald sein Haupt auf den Tresen, der Andere unterhielt sich mit Einheimischen über Sachen, an die er sich am nächsten Tag garantiert nicht mehr erinnern konnte.

Wir hatten parallel zum Zocken zum Beginn des Tages ein Wettsaufen ausgemacht. Es gab Flaschenbier, auch in der Kneipe, und für jede konsumierte Flasche steckte man sich den Kronkorken in die Tasche. Als die Kneipe gegen Mitternacht dichtmachte, lag ich bereits mit kalrem Vorsprung in Führung, war jedoch als Trinkfestester in der Runde nun in der Zwangslage, die beiden Angeschlagenen irgendwie zum Zelt zurück zu bugsieren. Also klemmte ich mir unter jeden Arm einen, und los gings, im Schneckentempo. Zum Glück war um die Zeit kein Auto mehr im beschaulichen Kell unterwegs, denn wir brauchten tatsächlich die ganze Straßenbreite, da meine beiden Genossen immer wieder Ausfallschritte nach links oder rechts benötigten. Wenn mir einer der beiden (13 Kronkorken) aus dem Arm wegflutschte, kam er ins Torkeln, ließ sich aber wieder einfangen. Der Andere hingegen (11 Kronkorken) stürzte jedesmal wie ein Mehlsack zur Seite, wenn er kurz aus meinem Arm glitt legte sich zum Schlafen auf die Straße. Dieses Schwergewicht jedesmal wieder hochzuzerren war echt mühsam. Aber irgendwie schaffte ich es, die beiden nach einer gefühlten Ewigkeit ins Schlafzelt plumpsen zu lassen. Einer links, einer rechts, mein Platz war in der Mitte. Beide schliefen schon ein, bevor sie auf der Luftmatratze lagen. Ich war jedoch nach dieser Tortur noch nicht bettreif und setzte mich erstmal draußen an die letzte Glut, die noch vom Lagerfeuer übrig war. Es war eine warme Sommernacht, ich holte tief Luft und zählte erstmal meine Kronkorken. 18! Das konnte ich natürlich so nicht stehen lassen und schlabberte noch gemütlich die fehlenden zwei Plemben. Dann hörte ich Getöse im Zelt. Ich torkelte sofort ins Schlafgemach und sah gerade noch, wie der Eine (13) im Zelt stand und genüsslich sein Gemächt wieder einpackte, während der Andere (11) sich vehement darüber beschwerte, wieso es plötzlich so feucht um ihn herum war.

Wieso? Klar, Nummer 11 wähnte sich in seinem Suff wohl vor dem Klo stehend und erleichterte sich um Unmengen von Körperflüssigkeit. Unglücklicherweise zielte der Strahl genau in Richtung der gegenüber leigenden Nummer 11. Das ganze Schlafzelt eine Sauerei.
Ok, Nummer 13 schlief sofort wieder den Schlaf der Gerechten, und Nummer 11 schlief auch irgendwann im Nassen wieder ein. Ich schnappte mir eine Decke aus dem Vorzelt und legte mich in die laue Sommernacht, um meinen Rausch auszuschlafen.

Was einem so alles wieder einfällt, wenn man 45 Jahre später wieder am Ort des Geschehens ist.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen