Ein typischer Mitchell |
Wie in den letzten Jahren von Mitchell gewohnt, ist es nicht unbedingt leichte Kost, die er serviert, zudem mehr als 800 Seiten lang. Aber es lohnt sich, dran zu bleiben. Er erschafft hier eine andere Realität mitten im "normalen Leben", die es in sich hat.
Ich zitiere erstmal den Klappentext der Taschenbuch-ausgabe:
Atemberaubend, klug und voller Sprachlust
An einem verschlafenen Sommertag des Jahres 1984 läuft die junge Holly Sykes voller Wut von zu Hause fort. Auf ihrer ziellosen Flucht begegnet sie einer alten Frau, die ihr eine sinnlos erscheinende Nachricht mit auf den Weg gibt. Jahrzehnte werden vergehen, bis Holly versteht, was die alte Frau für ihre Existenz bedeutet, aber nach und nach merkt sie: Hinter der Wirklichkeit, die sie kennt, verbirgt sich unendlich viel mehr …
Ein Roman, so wild und einfallsreich wie die Phantastik Haruki Murakamis und Stephen Kings, aber mit einem ganz eigenen, überbordenden Sound. Ein bewusstseinsveränderndes Lesevergnügen und ein würdiger Nachfolger für Mitchells Weltbestseller «Der Wolkenatlas».
Und aus der New York Times Book Review:
"Ganz offensichtlich hat David Mitchell noch nichts vom Tod des Romans gehört. Er schreibt mit unbändiger Intensität und Lust an der Sprache, stürzt sich hellwach und voller Leidenschaft in die schwarzen Löcher der Erfahrung"
Das Szenario bewegt sich vom beschriebenen Sommer 1984 in mehreren geschilderten Zeitausschnitten bis zum Jahr 2043. Die Sprünge zwischen diesen "Kapiteln" betragen mal sieben, mal achtzehn Jahre, meist irgendwas dazwischen. Fast jede Ära wird von einem anderen Ich-Erzähler aus seiner ganz persönlichen Sicht geschildert. Jeder Abschnitt spielt an einem anderen Ort. Ich hab manchmal am Beginn eines neuen Zeitabschnitts eine ganze Weile gebraucht, um herauszufinden, wer überhaupt gerade erzählt. Manchmal sind es Figuren, die bereits im letzten (oder vorletzten) Abschnitt vorkamen, manchmal gänzlich neue Figuren. Aber irgendwie ist alles mit allem verwoben.
Es ist spannend, die jeweiligen Protagonisten aus ihrer "Innenansicht" kennen zu lernen, im Gegensatz zu anderen Abschnitten, in denen sie von anderen Ich-Erzählern von außen beschrieben werden. Mitchell schafft es so, dass einem auch ein zynisches Arschloch irgendwie sympathisch werden kann, wenn man es aus dessen Innensicht erlebt. Die Konstante durch alle Zeiten ist Holly Sykes. An ihrer Figur erlebt man mit, wie ein Mensch sich im Lauf seines Lebens verändern kann und trotzdem er selbst bleibt.
© Illustrationen aus: David Mitchell, The Bone Clocks, 2014 |
Mich hat das Buch von Anfang an nicht mehr losgelassen. Selbst die Auflösung der Mysterien gegen Ende im vorletzten Kapitel, die für meinen Geschmack viel zu hollywoodesk und fantasymäßig ist, hat mich nicht davon abgehalten, unbedingt weiterlesen zu müssen. Der Schluss ist zwar schon eine Dystopie, aber diese Zeit hat auch wieder sehr viele menschliche Züge, die in unserer immer schnelllebigeren und technikgläubigen Zeit verloren gehen.
Meine Empfehlung: Unbedingt lesen!
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