Habe mich gestern mit einer lieben Freundin für den heutigen Flohmarkt verabredet. Ich komme mit der Bahn, sie will mit dem Auto kommen, sie weiß auch schon, wo sie parken kann. 10 Uhr ist ihr zu früh. Außerdem sollen wir uns nicht direkt am Rhein treffen, sondern am La Gondola und von dort auszusammen zum Rhein runtergehen. Also: 10:30 am La Gondola.
Ich, Freundin, Bahn, Uhrzeit, Treffpunkt, der geneigte Leser ahnt bereits, welche fünf unkontrollierbaren Urgewalten hier aufeinander treffen.
Um das ganze nicht zu stressig werden zu lassen, stehe ich mitten in der Nacht auf und bin um 09:00 mit dem Frühstück fertig. Waschen, Zähneputzen, Anziehen, ein letzter Blick auf die Frisur, ok, ich setz das Käppi des besten Fußballvereins überhaupt auf.
09:20 Abfahrt - halt stop, da drückt noch was, da will noch was raus. Kurz auf den Schacht, ist ja noch Zeit genug.
09:34 Nachricht der Freundin: "Ich fahr jetzt los". Hä? So früh? Die ist doch in 10 Minuten am Parkplatz und dann doch um 10 Uhr am La Gondola! Versteh einer die Frauen.
09:37 Abfahrt zum Bahnhof. Den 09:49 krieg ich auf jeden Fall, pünktlich ist da seit Jahren kein Regionalzug mehr gewesen. Ankunft am Bahnhof, Ticket ziehen.
09:49 geh ich zum Gleis 3 hoch - und seh den Zug grad noch wegfahren. Der einzige pünktliche Zug seit Menschengedenken. Vielen Dank, Herr Murphy!
Der nächste fährt um 10:12 auf Gleis 1. RB. Ankunft Koblenz 10:24.
10:03 Ok, Nachricht an die Freundin: "Komme 10:24 an, wird ein paar Minuten später."
10:04 Nachricht von Freundin: "Bin schon da, gehe schon mal auf den Flohmarkt. Geh einfach vom La Gondola runter an den Rhein. Dann brauch ich nicht mehr hoch."
10:07 bis 10:22 Der Bahnhof Andernach wurde anscheinend als Güterbahnhof freigegeben. Einige ewig lange Containerzüge rappeln mit einem Affenzahn auf Gleis 1 durch. Der Bahnhof bebt jedesmal und droht einzustürzen. Begleitet wird das Szenario von immer wiederkehrenden Ansagen, die man entweder durch den Lärm der Güterzüge nicht verstehen kann oder sie lauten: "Vorsicht am Bahnsteig. Ein Zug fährt ein!" und - es kommt kein Zug.
Unerfahrene Mitreisende fangen an, ihren Unmut kund zu tun. Auf der Anzeige steht ständig, unser Zug habe 5 Minuten Verspätung. Meine BahnApp hat mir schon vor Minuten mitgeteilt, dass unser Zug um 10:23 abfährt. Mit dieser Information beruhige ich die Mitreisenden, es werden erste Scherze gemacht und gelacht.
10:21 Der Zug fährt ein und hält. Sieht anders aus als die mir bekannten Regionalbahnen. Ist auch ein österreichischer IC auf dem Weg nach Innsbruck. Jetzt steht es sogar auf der Anzeige. Erste Mitwartende verlieren die Geduld und steigen ein. Auf unsere Hinweise bzgl. IC und Reiseziel antworten sie trotzig "Mir doch egal!" .
10:23 Der ÖBB-Zug fährt ab. Nach Innsbruck. Oder wer weiß wohin ....
10:24 Die Anzeige wechselt auf "10:30 RE5 Mainz". Viele fragende Blicke unter den Mitwartenden. Was ist denn mit unserem Zug? Die Ansage sagt nichts mehr an. Hmmmmh....
10:25 Ein weiterer Güterzug erschüttert den Bahnhof in seinen Grundfesten.
10:27 Unser Zug kommt! Ohne Anzeige und ohne Ansage, aber er kommt. Ein Wunder!
10:29 Im Zug schreibe ich der Freundin, dass ich ein weiteres Kapitel "Mein Leben mit Deutsche Bahn" plane.
10:31 Antwort der Freundin "Bist Du wieder mal in den falschen Zug gestiegen?". Ich nehme mir vor, ganz ruhig zu bleiben.
10:42 Ankunft am Bahnhof Mitte. Jetzt hurtig durch die Altstadt marschieren.
11:03 Ankunft am Rhein. Keine Freundin zu sehen. Aber hunderte Stände und Besucher.
11:04 Die Freundin fragt, wo ich bleibe. Sie wartet am Stand bei ihrer Tochter. Hinter der Gondelstation. Ich soll mir Zeit lassen.
11:06 Ein Stand mit DVDs und BlueRays ist meine Rettung. Sonst nur Stände mit Klamotten, Schuhen, Taschen, Babysachen, Küchenutensilien. Ich ergattere die BlueRay von "Long way home". Ein tolles Buch.
Ab hier hatten wir dann doch Spass in der Gass |
Ich bin mittlerweile so genervt von dem Gewusel und Geplapper und diesen Unmengen Klamotten, ich weiß gar nicht mehr, wo ich hinsehen soll. Alles so schön bunt hier. Da, endlich, die Gondelstation. Dahinter suche ich die Freundin und ihre Tochter, was bei der Menge an Ständen und Besuchern fast unmöglich ist. Endlich, kurz vor dem Deutschen Eck, hat die Freundin mich erspäht. Gott sei Dank! Jetzt wird alles gut.
Ich erstehe nach hartem Feilschen vom Schwiegersohn einen schönen Trolley, sowas such ich schon länger. Nach der Plünderung des Buch- und CD-Standes der Katzenhilfe haben wir beide genug Flohmarkt gehabt und beschließen den Trip bei einer Apfelschorle. Ich verstaue meinen Rucksack samt Flohmarktbeute im neuen Rollkoffer und ziehe damit zurück durch die Altstadt zum Bahnhof Mitte und erlebe dort einen zweiten (fast) pünktlichen Regionalzug.
Abschließend glaube ich eine Regel des Bahn-Murphys zu erkennen: Wenn man Dir die Tour vermasseln kann, kommt Dein Zug zu spät. Wenn Du die Verpätung einplanst, fährt man pünktlich ab. Wenn Du Dir eine Verpätung leisten kannst, weil Du keine Termine hast (so wie heute auf dem Rückweg), ist man pünktlich. Mal sehen, ob sich das bei den nächsten Touren bestätigt.