Jetzt muss er raus, der Konzertbericht vom 08.12.08.
Die Tindersticks im Gloria in Köln, das war ein bezaubernder Abend. Die Karten hatte ein freundlicher Kosacke besorgt. Und als er mit seiner gUten Frau in Godesberg das Abteil betrat, begann die Vorfreude zu steigen. Vom Kölner Hauptbahnhof aus ne Viertelstunde durch die kalte Abendluft (natürlich nicht ohne vorher ein bahnhöfliches ZEITschriften-Abo zu erwerben) - und dann standen wir vor dem Gloria. Ein Haus mit sehr viel Atmosphäre, in den 50ern als Lichtspiel-Theater eröffnet, in den 70ern zum Pornokino umfunktioniert, in den 80ern den Mutliplex-Kinopalästen zum Opfer gefallen und geschlossen, 1991 wiedereröffnet als schwul-lesbischer Multi-Kulti-Tempel, 2000 totalrenoviert als Szene-Lokalität mit vielen Veranstaltungen im Bereich Kleinkunst und Musik. Man hat das Gefühl, diese wechselvolle Geschichte, kurz und intensiv, atmet das Haus auch aus jeder Pore.
Nach den netten dänischen Jungs namens Murder als Vorgruppe, die einer Simon&Garfunkel-Revival-Szene angehören müssen, wars dann ab kurz nach 9 soweit, die Tindersticks betraten die Bühne und spielten aus Ihrer aktuellen CD The Hungry Saw. Die "wahrscheinlich traurigste Band der Welt", wie ein Kritiker einmal treffend beschrieb, hat sich musikalisch ein wenig gewandelt. Manchmal wurde sogar auf der Bühne gelacht. Einige Lieder rockten so, das man zum Mitbewegen animiert wurde. Trotzdem ist man sich treu geblieben und Stuart A.Staples mit seiner schmachtenden Stimme mit geschlossenen Augen, und auch seine Jungs mit den eigenwilligen Instrumenten, verbreiten weiterhin diese schöne Melancholie, diesen ausgedrückten Weltschmerz, der einen nicht runterzieht, sondern einen erkennen lässt, das man mit seinem eigenen Weltschmerz nicht alleine ist. Und diese Jungs legen allen Schmerz der Welt in Tiny Tears, obwohl man genau diesem mehrfach geäußerten Publikumswunsch (es war immer nur einer, der ihn äußerte) nicht nachkam. Und als Stuart sich am Ende dafür entschuldigte und rechtfertigte, er könne dieses alte Lied heute nicht singen, weil er heute nicht so fühlt, wie man es für diesen Song tun müsse, wurde diese Ehrlichkeit mit Beifall beklatscht. Schöne Fotos vom Abend hat Stef gemacht und die kann man hier sehen.
Ich habe noch nie ein so in sich gekehrtes Konzertpublikum erlebt, bei dem ein leichtes Kopfnicken oder 5 cm Beckenverschieben im Takt der Musik die äußerste körperliche Reaktion während jedes Liedes war, das aber jeden Song danach begeistert beklatschte. Das ist eine sehr eigene, intime Welt, die jeder mit sich trägt. Anfangs befremdend, als ich bei einem Lied mit dem Fuß mitwippte und mich bewegte, fasste mich ein Hintermann auf die Schulter und sagte "Hallo, mal nicht so wild bewegen, bitte!". Als ich ihn ignorierte, war ich dann irgendwann in meiner ganz eigenen Konzertwelt, ganz allein unter vielen, und das war sehr schön.
Und nicht nur ich war begeistert, es gab minutenlange Ovationen und Zugaben am Ende.
Den letzten Regionalexpress für den Rückweg konnten wir uns eigentlich schon sehr früh abschminken, so blieb uns auf dem Rückweg zum Bahnhof noch Zeit für einen früh-Besuch, wo wir bei Kölschem Kaviar und Getränken uns vor allem nach 3 Stunden Stehen erstmal wieder hinsetzen konnten. Mit der 12-Uhr-Bimmelbahn gings zurück, die gUten Kosacken stiegen in Godesberg aus, ich musste nochmal in Remagen umsteigen und bin gegen 2 Uhr todmüde, aber zufrieden ins Bett gefallen.
Ich kann mir gut vorstellen, das dies nicht der letzte Besuch im Gloria gewesen ist.
25 Dezember 2008
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